Mit Vici Properties wetten Anleger auf das Haus
Geld oder Brief
Mit Vici wetten Anleger auf das Haus
Von Alex Wehnert, New York
Traurig lächelnd blicken John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr auf den Las Vegas Strip hinab. Denn vor dem traditionsreichen Hotelcasino „The Mirage“, an dessen Fassade die Porträts der vier Beatles-Mitglieder neben einem zunehmend verblassenden Werbeslogan für die von der britischen Band inspirierten „Cirque du Soleil“-Show prangen, gehen die Bagger an die Arbeit. Der 1989 eröffnete, für den vor dem Eingang aufgebauten Vulkan bekannte Glücksspieltempel, Schauplatz großer Boxkämpfe zwischen Sugar Ray Leonard und Roberto Durán sowie über Jahre Heimat der Dompteure und Magier Siegfried und Roy, hat im Juli seine Pforten geschlossen. An seine Stelle soll 2027 das Hard Rock Las Vegas treten, der Vulkan einem neuen, gitarrenförmigen Hotelturm weichen.
Einzigartiges Wachstum
Hinter dem Wechsel des Casinobetreibers steht einer der wohl bedeutendsten Deals, die im US-Immobiliensektor in den vergangenen Jahren über die Bühne gegangen sind. So schloss der Real Estate Investment Trust (Reit) Vici Properties 2022 die 17,2 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Konkurrenten MGM Growth Properties ab und verleibte sich damit auch das „Mirage“ ein, das sich damit neben anderen Flaggschiff-Resorts wie dem „MGM Grand“, dem „Venetian“ oder dem „Caesars Palace“ einreiht. Das Assetvolumen der Gesellschaft ist in der Folge auf heute über 44 Mrd. Dollar angeschwollen, wobei der Großteil auf das Immobilienportfolio entfällt – solche Werte kann kein anderer auf den Freizeitsektor fokussierte US-Reit vorweisen.
Im Nachgang des Deals stieg Vici Properties auch in den S&P 500 auf, die Aktie ist damit in den vergangenen beiden Jahren für eine breitere Investorenbasis zugänglich geworden. Seit März 2020, als das Tagungs-, Hotel- und Glücksspielgeschäft in Las Vegas im Zuge der Coronakrise zum Erliegen kam und der Kurs auf ein Allzeittief einbrach, hat der Titel seinen Wert um 150% gesteigert, auf Jahressicht beläuft sich der Zuwachs auf 16%. Dennoch gehört Vici Properties laut Refinitiv-Daten mit einem vorwärts gerichteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,92 noch zu den 20 am günstigsten bewerteten US-Reits – in den Vereinigten Staaten haben laut dem Branchendienst Nareit im vergangenen Jahr 1.100 solcher Vehikel Steuererklärungen eingereicht, 225 davon sind an großen Börsen gelistet.
Konzept überzeugt Analysten
Mit der an der New York Stock Exchange notierten Vici wetten Anleger auf das Haus. Denn die robuste Kursentwicklung untermauert der Reit mit einer durchweg hohen Profitabilität, die sich aus der Spezialisierung auf die Casinobranche speist. Bei Analysten findet das Konzept großen Anklang: Laut Refinitiv geben 21 von 24 Investmenthäusern, die den Titel regelmäßig beobachten, eine Kaufempfehlung ab, darunter sechs mit besonderem Nachdruck. Die restlichen drei setzen den Titel auf „Halten“. Viele verweisen dabei auf die Mieterstruktur. Denn die Glücksspielkonzerne seien in der Regel hochliquide und liefen kaum Gefahr, in Zahlungsverzug zu geraten.
In der Casino-Branche finden üblicherweise sogenannte Triple-Net-Mietverträge Anwendung. Versicherung, Steuern und Gebäudeinstandhaltungen werden in einem solchen Vertrag nicht vom Vermieter getragen und in die monatlichen Mietkosten eingepreist. Stattdessen liegt die Verantwortung für diese Posten bei den Mietern. Für Gaming-Reits hat sich diese Vertragsform während der Coronakrise ausgezahlt, da die Casinos von Las Vegas nach einem Einbruch der Besucherzahlen zu Pandemiebeginn einen gewaltigen Besucheransturm erlebten.
Diversifikation über Sportwetten
Hinzu kommt laut Branchenexperten die solide geografische Diversifikation, schließlich ist Vici neben Nevada noch in 14 weiteren US-Bundesstaaten vertreten. Damit profitiere die Gesellschaft auch von der fortschreitenden Legalisierung von Sportwetten in den Vereinigten Staaten. Denn für Casinos könne das Wettgeschäft zu einem starken Umsatztreiber werden, wodurch die Glücksspielhäuser ihre Bilanzen stärken dürften – ihre Verlässlichkeit in Bezug auf Mietzahlungen werde damit noch zunehmen.
Dass Vici, die 2017 aus der Insolvenzmasse der größten operativen Einheit der Caesars Entertainment Corporation hervorging, Investoren in den vergangenen Jahren noch nicht in größeren Überschwang versetzt hat, liegt an einem zentralen Faktor: Vici schließt üblicherweise sehr langfristige Mietverträge ab, teils mit einer Laufzeit von über 35 Jahren und eng begrenzten Inflationsanpassungen. In Zeiten anziehender Teuerung und höherer Renditen am langen Ende der Kurve dämpften die mangelnden Möglichkeiten zum Repricing die Attraktivität des Reits. Doch nachdem statistische Erfolge im Kampf gegen die Inflation die Fed inzwischen wieder zu Zinssenkungen befähigen, rückt auch dieses Problem aus dem Fokus der Anleger.
Zudem sinken die Kapitalkosten für den Immobilientrust infolge der geldpolitischen Lockerung weiter. Bereits im zweiten Quartal zahlte Vici, die am Donnerstag nach US-Börsenschluss Zahlen zum dritten Jahresviertel vorlegt, auf ihre ausstehenden Kredite einen im Branchenvergleich durchschnittlich niedrigen Zinssatz von 4,36%, kann die Gesellschaft doch auf ihr Investment-Grade-Rating und den stabilen Ausblick von S&P Global pochen. Dies ermöglicht ihr, weiterhin hohe Kapitalzusagen zu treffen, nachdem der Ausbau des Immobilienportfolios die Mieterlöse zuletzt kräftig angekurbelt hat.
Sichere Dividende
Analysten rechnen damit, dass weitere Deals die Adjusted Funds from Operations (AFFO), eine wichtige operative Kenngröße für Reits, auch in den kommenden Jahren befeuern werden. Zuletzt hatte Vici die Gesamtjahres-Prognose für die AFFO pro Aktie trotz einer Verwässerung durch die Begabe von 18,9 Millionen neuer Anteilsscheine auf bis zu 2,26 Dollar erhöht. Analysten gehen davon aus, dass die Ausschüttungsquote 2024 im Bereich von 70% der AFFO liegen wird, in der Branche sind 90% üblich. Analysten sehen die Dividende angesichts des hohen Puffers indes als sehr sicher an, für die Zukunft bestehe damit umso größeres Wachstumspotenzial – auch wenn John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr dann nicht mehr von einer der Flaggschiffimmobilien von Vici Properties auf den Strip hinablächeln.