Moskauer Börse setzt euphorisch auf den Frieden
Moskauer Börse setzt auf den Frieden
Leitindex schnellt am Donnerstag und Freitag deutlich nach oben
est Moskau
Von Eduard Steiner, Moskau/Wien
Man wusste von den Umfragen, dass die Russen den Krieg in der Ukraine immer mehr satthaben. Wie sehr sie aber auf Initiativen von US-Präsident Donald Trump hoffen und bauen, zeigt sich erst jetzt. Zwar sorgte das lange Telefonat von Trump mit Kremlchef Wladimir Putin vom Mittwoch weltweit an den Märkten für Aufatmen. Aber im Vergleich zu dem, was sich in Russland selbst abspielte, war das mickrig.
Der Leitindex der Moskauer Börse schnellte am Donnerstag um 6% hoch und stieg am Freitagvormittag um mehr als 2% weiter. Und auch der Rubel, der sich nach einer ölsanktionsbedingten Schwächephase seit Mitte Januar sukzessive erholte, sprang auf ein Hoch, das er seit Mitte September 2024 nicht mehr gesehen hatte. Waren für einen Dollar Mitte Januar noch 103,4 Rubel zu bezahlen und zu Beginn der laufenden Woche knapp 97, so am Freitag offiziell nur noch 91,03.
Rusal mit fast 25 Prozent Plus
Westliche Investoren, die früher das Geschehen an der russischen Börse wesentlich prägten, können aufgrund der Sanktionen nicht mehr dort handeln. Ausnahmen sind einige wenige Papiere wie der Aluminiumproduzent Rusal, der an der Börse in Hongkong notiert ist. Die Rusal-Aktien schnellten am Donnerstag um fast 25% in die Höhe.
In Moskau selbst zeigten die Papiere des Gasriesen Gazprom die stärksten Zuwächse – binnen zweier Tage um über 22%. Der Konzern, der infolge des Krieges den Großteil des wichtigen Europageschäfts verloren hat, wäre eines der Unternehmen, das bei einer Lockerung der Sanktionen partiell profitieren würde.
Insgesamt zeugt das Börsengeschehen in Russland von einer Spekulation auf den Frieden. „Im Mittelpunkt stehen die Telefongespräche zwischen den Präsidenten Russlands und der Vereinigten Staaten, da die Anleger zunehmend auf eine geopolitische Deeskalation hoffen“, schreiben etwa die Analysten der Sberbank.
Das Aufatmen fällt in eine Zeit, in der die russische Wirtschaft, die seit dem Krieg erstaunliche Resilienz gezeigt hat, gerade abbremst. Zwar hat das Statistikamt Rosstat erst dieser Tage ein wider Erwarten hohes Wirtschaftswachstum von 4,1% für 2024 ausgewiesen und den Wert für 2023 von zuvor 3,6% auf ebenfalls 4,1% nach oben korrigiert. Aber zum einen zweifeln Ökonomen die guten Zahlen gerade für das letzte Quartal 2024 an. Und zum anderen waren die Prognosen für 2025 sehr verhalten, da die Zentralbank als Reaktion auf die von den hohen Militärausgaben angeheizte Inflation den Leitzins im Oktober von 19 auf 21% erhöht hatte – wo sie ihn auf ihrer Sitzung diesen Freitag auch beließ, was neben der saisonal gesunkenen Importe zur Stärkung des Rubels beitrug.
Ein relativ guter Zeitraum für die russische Wirtschaft, der auf zuvor angehäuften Ressourcen gegründet habe, sei vorbei, sagte Oleg Wjugin, Ökonom und ehemaliger Vizechef der russischen Zentralbank, im Januar zur Börsen-Zeitung. „Wenn die Konfrontation weitergeht, sehe ich keine anderen Wachstumsquellen als den Verteidigungssektor“.
Nun jedoch setzt der Markt euphorisch auf das Ende der Konfrontation. Ob er hier nicht etwas voreilig einpreist, was keine ausgemachte Sache ist? Wjugin mahnt zur Vorsicht. „Meines Erachtens wird hier in den Erwartungen zum Teil übertrieben“, wird er am Freitag in einer Analyse des russischen Wirtschaftsmediums „RBC“ zitiert: „Der Markt wird sukzessive zur Einsicht kommen, dass das ungeachtet des positiven Schrittes nach vorn noch nicht die Lösung aller Probleme bedeutet.“ Vor allem die Erwartung, dass die Sanktionen schnell aufgehoben würden, seien überzogen.
Zu dieser Erwartung hatte auch beigetragen, dass US-Vizepräsident J. D. Vance für den Fall einer erfolgreichen Regulierung des Ukraine-Konfliktes soeben zu einem Reset der Beziehungen des Westens zu Russland aufrief, weil Russland durch die Isolierung vom Westen zum „Juniorpartner“ Chinas geworden sei.
Markt handelt Erwartungen
Derselbe Vance freilich drohte, dass die USA zu Sanktionen und militärischen Maßnahmen greifen würden, wenn Putin keinen Deal ermögliche, der der Ukraine langfristig die Unabhängigkeit sichere.
Ökonomen zufolge würde eine Entspannung für die russische Wirtschaft bedeuten, dass Arbeitskräfte aus dem Krieg, der Rüstungsindustrie und dem Ausland in die zivilen Sektoren zurückkommen. Dass außerdem die Reduzierung der Militärausgaben die Inflation dämpft. Und dass sich der sanktionsbedingt verteuerte Zahlungsverkehr normalisiert und ausländische Unternehmen wieder zurückkommen. Die Erfahrung freilich zeige, dass Sanktionen leichter eingeführt als aufgehoben würden.
Der Markt handle nun einmal Erwartungen und nicht Fakten, sagt Michail Wassiljew, Chefanalyst der russischen Sovcombank, gegenüber „RBC“.
Aber wenn es tatsächlich nur die leichtesten Anzeichen von Friedensvereinbarungen gebe, werde die Kapitalisierung auf dem russischen Aktienmarkt umgehend hochschnellen, schreibt Ex-Finanzminister Michail Sadornow in einer Analyse. Man könne in diesem Fall von einem Zuwachs der Aktienkurse um 30 bis 40% ausgehen.