Timo Busch

„Nachhaltiges Investieren ist ein Megatrend“

Worauf es bei einer nachhaltigen Ausrichtung eines breit gestreuten Investments ankommt und wie Anleger Greenwashing erkennen können, erklärt Timo Busch, Professor für BWL an der Universität Hamburg, im Interview.

„Nachhaltiges Investieren ist ein Megatrend“

Herr Professor Busch, Nachhaltigkeit wird gerade zum neuen Investmentstandard. Doch lässt sich nachhaltiges Investieren überhaupt genau definieren?

Ja, nachhaltiges Investieren lässt sich sehr wohl definieren. So hat eine Expertengruppe bereits 2004 die „Darmstädter Definition Nachhaltiger Geldanlagen“ verfasst. Doch ist nachhaltiges Investieren sehr vielschichtig, sprich es gibt unterschiedliche Ansätze und Methoden, um die Zieldimensionen der Nachhaltigkeit zu erreichen.

Können nachhaltige Investments überhaupt die Welt oder das Klima verbessern? Hätten strengere staatliche Reglementierungen hinsichtlich Umweltschutz nicht einen größeren Effekt?

Von nachhaltigen Investments und insbesondere von Impact-Strategien geht grundsätzlich schon eine Wirkung aus. Wenn der Gesetzgeber sehr streng reglementiert, hätte dies wahrscheinlich eine größere Wirkung. Doch wollen wir in so einer Welt leben, in der der Gesetzgeber rigide alles verbietet? Der bessere Weg ist es doch, über die Lenkungswirkung der Finanzmärkte zu mehr Umweltschutz zu gelangen.

Erzielen speziell Klimaschutzfonds Wirkung?

Diese Produkte investieren vor allem in Vorreiterunternehmen, die relativ wenig CO2 beanspruchen. Eine Investition in diese Fonds führt aber zu keiner zusätzlichen CO2-Reduktion. Doch tragen diese Produkte dazu bei, dass für Unternehmen Anreize bestehen, über Investitionen ihren CO2-Verbrauch zu reduzieren.

Manche Beobachter stufen eine nachhaltige Ausrichtung von Finanzprodukten als reine Marketingmaßnahme von Fondsanbietern ein. Wie sehen Sie das?

Nachhaltiges Investieren ist inzwischen ein Megatrend. Da gibt es natürlich auch Adressen, die dies allein schon aus Marketinggesichtspunkten nutzen. Aber gute Nachhaltigkeitsprodukte sind alles andere als Marketing. Man muss jedoch genau hinschauen: Welche Kriterien liegen einer Auswahl zugrunde, wo werden Schwellen gesetzt, sind die angewandten Strategien sinnvoll? Es gibt übrigens auch sehr viele Produkte, die unterschiedliche Strategien wie zum Beispiel Ausschlusslisten, Positivlisten (wie die UN-Prinzipien), Best in Class, Engagement oder die Wahrnehmung von Stimmrechten kombinieren.

Greenwashing ist doch eine große Gefahr. Wie können Investoren sicherstellen, in ein wirklich nachhaltiges Produkt zu investieren?

Das Problem des Greenwashings ist sicher da. Ich würde empfehlen, sich an spezialisierten Nachhaltigkeitssiegeln zu orientieren, also an Urteilen Dritter mit unabhängigem Audit. Aber nicht an von Produktanbietern selbst kreierten Siegeln. Auch die EU-Offenlegungsverordnung gibt wichtige Hinweise über die tatsächliche Nachhaltigkeit eines Fonds.

Die Offenlegungsverordnung, die ja inzwischen in Kraft ist, trägt also zur Transparenz bei?

Ja, auf jeden Fall. Im Markt herrscht allerdings noch sehr viel Unsicherheit, wie man sie anwendet. Das muss sich wahrscheinlich noch finden.

Mitunter stufen Agenturen, welche die Nachhaltigkeit von Unternehmen bewerten, einzelne Firmen höchst unterschiedlich ein. Ist das nicht ein Riesenproblem?

Auf den ersten Blick ist das sicherlich ein großes Problem, insbesondere für Privatanleger, die nicht so tief einsteigen können. Doch ist Nachhaltigkeit ein vielschichtiges Thema, und die Daten- und Ratinganbieter haben eine unterschiedliche Ausrichtung. Daher ist es logisch, dass sie zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Die Vielfalt hat letztendlich auch ihr Gutes. Wer Zeit hat, sich einzuarbeiten, kann die Ansätze für sich prüfen.

Die Divergenzen sind aber erheblich.

Gleichwohl gibt es zum einen gewisse Mindeststandards. Zum anderen dürften mit der zunehmenden Professionalisierung von Nachhaltigkeitsratings die Divergenzen auch kleiner werden. Die Datenanbieter selbst müssen aber noch sehr viel transparenter werden, wie sie arbeiten und was sie von anderen Anbietern unterscheidet.

Ist es für Fondsgesellschaften nicht sinnvoll, ein fundiertes eigenes ESG- und Nachhaltigkeitsresearch aufzubauen?

Ja, das ist es. Man muss allerdings nicht unbedingt Daten selbst erheben, man kann auch Rohdaten von Anbietern zukaufen. Es ist zudem natürlich sinnvoll, sich die Ratingergebnisse mehrerer Agenturen genau anzuschauen.

ESG und Nachhaltigkeit sind mit einer deutlich wachsenden Regulierung konfrontiert. Besteht da nicht die Gefahr einer teuren Überregulierung? Eine Bürokratisierung des Prozesses führt ja nicht unbedingt zu mehr Nachhaltigkeit. Auch sieht der Investor vielleicht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Dieses Problem sehe ich auch. Die einzelnen Regelwerke sind sehr durchdacht, doch ist die gesamte Taxonomie, und das, was noch ansteht, sehr erschlagend. Es gilt daher genau zu prüfen, wo eine weitere Regulatorik überhaupt praktikabel umsetzbar ist.

Wo besteht noch regulatorischer Handlungsbedarf?

Bei den Nachhaltigkeitsdaten, die von den Unternehmen kommen, herrscht keinerlei Einheitlichkeit. Hier bedarf es einer weiteren Standardisierung. Diese ist auch in der Novelle der CSR-Berichtspflicht der EU vorgesehen.

Private wie auch institutionelle Anleger setzen bei ihren Entscheidungen oft auf Berater. Bedarf es nicht in Sachen Nachhaltigkeit einer intensiven Schulung dieser Berater? Bestehen hier noch Defizite?

Ja, in der Tat besteht bei Beratern immenser Schulungsbedarf. Wir haben das vor Jahren einmal untersucht und dabei in Sachen Nachhaltigkeit erhebliche Defizite bei Beratern festgestellt. Das ist ein ganz großer Hebel, wo wir ansetzen müssen. Die EU-Regulatorik geht ja auch in diese Richtung.

Sie sind der Mitautor einer großen Metastudie zur Anwendung von ESG-Faktoren bei Investmentfonds. Lohnt sich denn eine nachhaltige Ausrichtung eines breit gestreuten Investments? Mindert eine nachhaltige Ausrichtung das Risiko eines Fonds?

Unsere umfassende Metastudie, die bereits 2015 erschienen ist, beruht auf mehr als 2000 wissenschaftliche Primärstudien und kommt zu dem klaren Ergebnis, dass ein positiver Zusammenhang zwischen finanzieller Performance und ESG-Performance besteht. Inzwischen haben Wissenschaftler mehr als 1000 weitere Studien untersucht, die zwischen 2015 und 2020 zu diesem Thema veröffentlicht wurden. Diese neue Metastudie unterstreicht unsere Ergebnisse.

Und diese sind konkret?

Mehr als 90 % der Studien kommen zu dem Ergebnis, dass nachhaltige Anlagen nicht mit finanziellen Nachteilen einhergehen, mehr als die Hälfte der Studien kommt zu dem Ergebnis einer positiven Korrelation zwischen Nachhaltigkeit und finanziellem Ergebnis. Zudem zeigt sich insbesondere am Anleihemarkt, dass nachhaltige Investments ein geringeres Risiko aufweisen.

Besteht bei Impact-Fonds nicht ein Performance-Malus?

Nein, gerade Vorreiterunternehmen, die sich in Sachen Nachhaltigkeit verbessern, dürften eine überdurchschnittlich hohe Performance erzielen. Impact und finanzieller Erfolg können durchaus Hand in Hand gehen.

Nachhaltige Geldanlagen boomen. Wird dieser Trend anhalten?

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der sich noch verstärken wird. Die Nachfrage ist groß, und es stehen immer mehr Produkte zur Verfügung. Erst wenn sich Finanzanlagen zum Großteil an Nachhaltigkeitskriterien orientieren, dürfte das Wachstum – allein schon rein mathematisch – abflauen.

Wie dürfte sich die nachhaltige Geldanlage weiter entwickeln?

Nachhaltigkeit wird zum Mainstream. Wir müssen aber klarer abgrenzen, was welche Produkte beinhalten und leisten. Es wird zu präziseren und neuen Klassifizierungen kommen.

Investieren Sie selbst in nachhaltige Produkte?

Ja, das tue ich.

Das Interview führte Werner Rüppel.

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