Bruno Poulin und Etienne Vincent

Nachhaltigkeit ist für Ossiam ein Risikofaktor

Der Smart-Beta-Spezialist Ossiam setzt verstärkt auf Nachhaltigkeit und integriert ESG u.a. in bestehende ETFs, sagt Ossiam-Gründer und CEO Bruno Poulin im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Nachhaltigkeit ist für Ossiam ein Risikofaktor

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Beim Pariser Assetmanager Ossiam, der zu Natixis Investment Managers gehört, entwickeln sich die Geschäfte in diesem Jahr besser als im Vorjahr. „Inzwischen haben wir 5,3 Mrd. Euro Assets under Management, und beschäftigen 42 Mitarbeiter“, erklärt Bruno Poulin, Gründer und CEO von Ossiam. Der Spezialist für ETFs auf alternativ gewichtete Indizes, sprich Alternative-Beta- oder Smart-Beta-Produkte, wolle in den kommenden Monaten ESG sukzessive in be­stehende ETFs integrieren und zum anderen neue innovative Strategien entwickeln, sagt Poulin.

Spezieller Food-ETF

„Nachhaltiges Investieren und ESG sind weltweit ein wirklich großes Thema“, erläutert Poulin. Nicht nur in Europa, auch in Japan und Asien sei dies ein Trend. Dabei gelte es auch, bei bestimmten Themen umfassend zu informieren und aufzuklären. Dies gelte zum Beispiel für den Anfang des Jahres aufgelegten quantitativen Ossiam Food for Biodiversity ETF. Das Produkt bietet ein Portfolio globaler Nahrungsunternehmen, das so optimiert sind, dass die Zerstörung von Lebensräumen und der Artenvielfalt minimiert wird. Denn die ökologischen Herausforderungen, die sich weltweit im gesamten Nahrungsmittel- und Landwirtschaftssektor stellten, seien wenig bekannt. Wenn sich die gegenwärtigen Methoden der Nahrungsmittelproduktion und die Ernährungsweise nicht drastisch veränderten, werde dies voraussichtlich katastrophale ökologische, soziale und politische Konsequenzen haben, so Ossiam.

„Insgesamt wachsen unsere nach ESG-Kriterien gemanagten Assets massiv, was auf neue Produkte wie auch die Integration von ESG in bestehende ETFs zurückzuführen ist“, erklärt Poulin. „Hinzu kommen institutionelle Mandate, sodass wir inzwischen etwa 1,7 Mrd. Euro an ESG-Assets verwalten.“ Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich und Italien sei das Interesse institutioneller Investoren an ESG groß. Dabei hätten verschiedene Institutionelle jeweils spezielle Ansätze mit bestimmten Ausschlüssen und Schwerpunkten. Speziell Ansätze zur Kohlendioxid-Reduktion (Carbon Reduction) seien sehr gefragt.

„Vollkommen systematisch“

„Bei der Integration von ESG sind wir vollkommen systematisch“, erläutert Etienne Vincent, Head of Quant Strategy und Marketing bei Ossiam. „Wir glauben an Quant und sind in der Lage, die Auswirkungen verschiedener Faktoren auch zu quantifizieren.“ Ossiam habe seine ETFs gemäß der EU-Offenlegungsverordnung nach den Artikeln 6, 8 und 9 klassifiziert. Rund ein Drittel der Assets entfallen derzeit auf den Artikel 8; Artikel-8-Fonds nutzen Nachhaltigkeitskriterien.

Wichtig für Ossiam sei ein quantitativer Ansatz. „ESG soll messbar sein und ESG soll zu einer Verbesserung führen“, erklärt Vincent. Dabei sei der Umweltaspekt (Environment) einfacher zu handhaben als Social, also soziale Aspekte, und Governance, sprich gute Unternehmensführung. So etwas wie der „Carbon Footprint“ sei relativ klar, da gebe es kaum einen Widerspruch. Insofern sei „Climate Change“ und die Wirkung eines Portfolios darauf relativ leicht zu messen.

Das Problem des Greenwashing sei komplex und abhängig von verschiedenen Faktoren. Man könne natürlich praktisch alles in einem Portfolio ausschließen, was keine sehr strengen Nachhaltigkeitskriterien erfülle. Dann würden aber bestimmte Branchen, die notwendig seien, gänzlich ausgeschlossen. Bei Ossiam arbeite man zum einen mit Ausschlusskriterien wie zum Beispiel bei Tabak, Kohle, Palmöl und bestimmte Waffen (Controversial Weapons), zum anderen wende man in anderen Branchen das Best-in-Class-Prinzip an, wähle also die Unternehmen aus, welche die Nachhaltigkeitskriterien am besten erfüllen. Auch Engagement und Stewardship gehörten bei dem Assetmanager dazu. Man spreche Unternehmen direkt zu spezifischen ESG-Themen an.

Als Smart-Beta-Spezialist hat Ossiam einen ganz speziellen Blick auf ESG. „ESG ist für uns ein Faktor“, erklärt Vincent. „Und zwar kein finanzieller Faktor, sondern ein Risikofaktor.“ Der Ansatz von Smart-Beta sei es, Risiken zu vermeiden be­ziehungsweise zu begrenzen. Viele Daten zeigten, dass ESG in der Lage sei, Alpha zu schaffen, bei vielen Produkte schaffe ESG damit zusätzlichen Wert.

Der größte ETF von Ossiam be­zieht sich auf das Shiller-KGV und ist ein Sektorrotationsansatz am US-Markt. „Dieser Ansatz entwickelt sich nach wie vor sehr gut“, sagt Poulin. „Auch hier bringt die Integration von ESG zusätzlichen Wert.“ Zudem hätten die vergangenen Monate mit dem Weg der Märkte aus der Krise gezeigt, dass Sektoren nicht komplett obsolet seien. Vielmehr habe es sich ausgezahlt, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf bestimmte Sektoren zu setzen.

Long-Short-Strategie geplant

Ossiam habe in den vergangenen Jahren verschiedene Smart-Beta- und Alternatives-ETFs entwickelt, beispielsweise die im ETF-Mantel begebene Food-for-Biodiversity-Strategie. Doch auch neue Produkte will Ossiam begeben. „Wir planen eine Long-Short-Strategie mit ESG-Fokus aufzulegen“, erklärt Poulin. „Gerade im aktuellen Umfeld mit sehr niedrigen Zinssätzen, die mittelfristig aller Wahrscheinlichkeit nach anziehen dürften, haben Investoren Interesse an solch einem Produkt.“ Dieses werde wiederum quantitativ gesteuert werden und baue auf dem bestehenden Maschine-Learning-ETF auf.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.