GASTBEITRAG ZUR SERIE ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (60)

Nachhaltigkeit macht das Rennen bei Schwellenländeranleihen

Börsen-Zeitung, 28.2.2018 Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Treiber langfristiger Renditen bei Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen. Aus diesem Grund sollten ESG(Environmental, Social und Governance)-Kriterien bei Anlagen in diesem Segment auch...

Nachhaltigkeit macht das Rennen bei Schwellenländeranleihen

Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Treiber langfristiger Renditen bei Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen. Aus diesem Grund sollten ESG(Environmental, Social und Governance)-Kriterien bei Anlagen in diesem Segment auch immer miteinbezogen werden. Denn es besteht ein Zusammenhang zwischen der Performance einer Staatsanleihe und der langfristigen Zahlungsfähigkeit des Schuldnerlandes, die wiederum durch die wirtschaftliche Gesundheit des Landes – oder zumindest seine Entwicklung dahin – bestimmt wird.Staatsanleihen sind im Grunde künftige Zahlungsversprechen. Im Gegenzug für einen anfänglichen Einmalbetrag verspricht der Staat, periodische Zins- und Tilgungszahlungen sowie eine finale Kapitalrückzahlung an den Anleger zu entrichten. Das Kapital wird unter der Prämisse eingesetzt, aus den realen Vermögenswerten eines Landes, die in der Gesamtheit natürliche Ressourcen, Sach- und Humankapital umfassen, reale Güter und Dienstleistungen zu erzeugen.Ob ein Staat allerdings sein Zahlungsversprechen an seine Gläubiger einhalten kann, hängt davon ab, wie effizient ein Land seine Ressourcen nutzt, um seine zukünftige Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Einfach ausgedrückt sollten sich Anleger in Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen folgende Frage stellen: Ist ein Land in der Lage und willens, das zu nutzen, was es hat, um eine gesunde Wirtschaft auf nachhaltige Weise zu fördern? Intensivere RohstoffnutzungEine gemeinsame Eigenschaft vieler der Vermögenswerte eines Landes ist deren laufende Verknappung, wenn auch aus teilweise unterschiedlichen Gründen und – je nach Land – in verschiedenen Ausmaßen. So führt das anhaltende globale Bevölkerungswachstum gepaart mit der kontinuierlichen Zunahme des Wohlstands zu einer immer intensiveren Nutzung aller natürlichen Ressourcen. Ferner dürfte beispielsweise die Verfügbarkeit von Wasser und fruchtbarem Boden infolge des Klimawandels in gewissen Regionen unter Druck kommen. Natur-, aber auch menschengemachte Katastrophen können die physische Infrastruktur schädigen. Die Zahl und der Anteil arbeitsfähiger Menschen wird infolge des demografischen Wandels in einzelnen Ländern – trotz des globalen Bevölkerungswachstums – zurückgehen.Gleichzeitig werden jedoch die Vermögenswerte eines Landes für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen benötigt mit dem Ziel, die Lebensqualität eines Landes zu steigern. Diese definiert sich neben dem materiellen Wohlstand durch Faktoren wie zum Beispiel Bildungsstand, Gesundheit und Zufriedenheit der Bevölkerung. Angesichts der oben erwähnten Verknappung vieler Ressourcen sollten diese jedoch möglichst sparsam und effizient im wirtschaftlichen Produktionszyklus verwendet werden. Dies wird neben technologischen Faktoren auch von den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen beeinflusst.Letztlich schließt sich der Zyklus der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sobald gewisse Aspekte der Lebensqualität, wie beispielsweise Bildung und Gesundheit oder auch gewisse physische Güter, wieder in den Produktionsprozess zurückfließen. Läuft dieser Kreislauf effizient und reibungslos, kann ein Land langfristige Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit erreichen. In solchen Fällen können Anleger damit rechnen, dass ein Land seinen Zahlungsversprechen nachkommen wird.Für den Anleger bedeutet dies, dass eine Investition in Schwellenländern mit hohem Ressourcenvermögen und effizienter Ressourcennutzung erhebliche Vorteile mit sich bringen kann.Die Grafik (vgl. rechts) zeigt die Ressourcenumwandlungseffizienz einer Reihe von aufstrebenden Volkswirtschaften gemessen an ihrem Grad des Ressourcenvermögens und Ressourcenproduktivität. Die attraktiveren Länder sind diejenigen, die über große und produktive Landflächen, stabile demografische Strukturen und niedrige Verschuldungsgrade verfügen. Gleichzeitig produzieren diese Länder Energie auf umweltfreundliche Weise, stellen ressourcenschonende Produktion und Konsum sicher und sind politisch stabil. Beispiele für Länder mit hohem Ressourcenreichtum und hoher Produktivität sind Indonesien, Chile und Argentinien. Institutionen stärkenIm Bestreben eines Landes, die oben genannten Qualitäten zu erreichen, spielen alle drei Elemente des ESG-Akronyms eine entscheidende Rolle. Trotzdem kommt dem Faktor “G”, der für die Nachhaltigkeit des institutionellen Grundgerüsts eines Landes steht, eine besondere Bedeutung zu, weil er die Grundlage für das Entwicklungspotenzial eines Landes bildet. Je mehr ein Land darum bemüht ist, seine Institutionen zu stärken, desto wahrscheinlicher ist es, dass es wirtschaftliche Gesundheit und hohe Produktionskapazität erreichen kann.Chile und Venezuela dienen als Beispiele für Länder, die zwar über ähnliche Ressourcenvermögen verfügen, die sich jedoch auf zwei sehr unterschiedliche Entwicklungspfade begeben haben. Während Chile seit seiner Rückkehr zur Zivilregierung im Jahr 1990 eine Ausweitung der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten erlebt hat und zu einer stabilen Demokratie avanciert ist, hat sich die Situation in Venezuela seit 1999 dramatisch eingetrübt. Aufgrund zunehmender Machtkonzentration und gewaltsamer Unterdrückung der politischen Opposition haben sich die demokratischen Institutionen des Landes qualitativ deutlich verschlechtert. Dies schlägt sich in einer im Vergleich zu Chile negativeren Nachhaltigkeitsbewertung für das Land nieder. Richtung muss stimmenObwohl die obige Analyse ein nützliches Rahmenwerk für Investoren darstellt, um das aktuelle Nachhaltigkeitsniveau eines Landes zu bewerten, erweist sie sich für Investitionsentscheidungen als zu einschränkend, da sie Länder ausschließt, die sich zwar auf einem niedrigen Niveau, aber auf einem vielversprechenden Weg befinden, wie beispielsweise Südafrika.ESG-Investitionen sollten innerhalb eines Portfoliokonzepts erfolgen, das flexibel genug ist, um das Entwicklungspotenzial eines Landes zu erkennen, damit Anleger dieses nicht verpassen. Das Ziel besteht darin, jene Länder zu identifizieren und auszuwählen, die zwar auf einem (unter-)durchschnittlichen Niveau beginnen, aber aktive Maßnahmen in die richtige Richtung ergreifen, und dann das Portfolio mit Schwellenländern auszubalancieren, die bereits ein angemessenes Nachhaltigkeitsniveau erreicht haben.—-Zuvor erschienen:Chinas Anleihemärkte öffnen sich – doch muss man als Erster durch die Tür? (59) DWSAnlegerbeitrag zum Klimaschutz (58) BNP Paribas Asset Management—-Thierry Larose, Senior Portfoliomanager Emerging Markets Fixed Income, Vontobel und Carl Vermassen, Senior Portfoliomanager Emerging Markets Fixed Income, Vontobel