Nachhaltigkeitsbonds vor dynamischem Jahr
Von Tobias Gruber und Torsten Hähn *)Der Markt für in Euro denominierten nachhaltigen Anleihen blickt auf ein ebenso rekordträchtiges wie wegweisendes Jahr 2020 zurück. Im Vergleich zu 2019 hat sich das Emissionsvolumen von Green, Social und Sustainability Bonds von 121 auf 235 Mrd. Euro fast verdoppelt. Hierzu trugen alle genannten Bondkategorien mit klaren Steigerungsraten bei. Die Entwicklung der Social Bonds stach dabei besonders ins Auge. Nachdem dieses Segment bislang eine eher untergeordnete Rolle spielte, änderte sich dies im vergangenen Jahr dramatisch. Nach nur 10 Mrd. Euro im Jahr 2019 stand für die Social Bonds Ende 2020 ein Emissionsvolumen von 92 Mrd. Euro zu Buche. Dies ist in erster Linie als Reaktion auf Covid-19 zu sehen. Zum einen kristallisierte sich durch die Krise die Notwendigkeit von Investitionen in die soziale Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften und Unternehmen heraus, zum anderen haben sich Social Bonds als ideales Instrument zur Beschaffung von Kapital erwiesen, um die Auswirkungen der Pandemie zu bekämpfen. Dies galt insbesondere für Supranationals und Agencies, die mit Emissionen von je gut 40 Mrd. Euro die treibenden Kräfte im Social-Bond-Segment waren. Während bei den Agencies die französischen Agenturen Cades und Unedic zusammen mit einem Volumen von über 30 Mrd. Euro besonders hervorzuheben sind, setzte bei den Supranationals die EU mit ihren Debüts bei Social Bonds neue Maßstäbe. Neue MaßstäbeNeue Maßstäbe wurden 2020 auch im Green-Bond-Segment gesetzt. Ein Emissionsvolumen von 120 Mrd. Euro kann sich sehen lassen und entspricht einem Zuwachs um 25 % im Vergleich zu 2019 (96 Mrd. Euro). Grüne Unternehmensanleihen belegten dabei mit Emissionen in Höhe von 37 Mrd. Euro unverändert die Pole Position. Die wichtigste Branche stellte hier weiter Versorger und Energie (16 Mrd. Euro) dar, gefolgt von Immobilien und Automobiles – wobei gerade Letztere 2019 noch kaum eine Rolle gespielt hatten. Mit gewissem Abstand schlugen bei Green Bonds die Staaten (28 Mrd. Euro) sowie die Agencies (25 Mrd. Euro) zu Buche. Lediglich bei den Financials war 2020 aufgrund eines schwachen ersten Halbjahres ein leichter Rückgang der Green Bond-Emissionen zu verzeichnen.Generell scheint aber das Feld für ein weiteres dynamisches Jahr bei nachhaltigen Anleihen bereitet zu sein. Das Marktsegment hat im vorigen Jahr nochmals an Reife gewonnen und sich endgültig etabliert. Ein Meilenstein war der Auftritt der Bundesrepublik Deutschland mit den ersten grünen Bundeswertpapieren im Herbst 2020. Deutschland ist zwar kein Pionier am Markt für grüne Staatsanleihen, aber letztlich der Benchmark-Emittent der Eurozone, welcher – auch durch das innovative Twin-Konzept – einen Ankerpunkt für das Marktsegment gesetzt hat. Der angekündigte Aufbau einer kompletten Laufzeitenkurve für Green Bunds wird 2021 weitere Impulse setzen. Eine 30-jährige sowie eine zehnjährige grüne Bundesanleihe sind bereits angekündigt. Andere Staaten werden folgen, und unter anderem hat Frankreich eine weitere grüne Staatsanleihe avisiert. Auch jenseits der Anleihen von Einzelstaaten dürfte der Markt durch liquide ESG-Anleihen von ratingseitig top eingestuften Emittenten zusätzlich an Trittsicherheit gewinnen.Eine zentrale Rolle wird hier (weiter) die EU spielen. Diese hatte 2020 im Rahmen des 100 Mrd. Euro schweren Arbeitsmarktstabilisierungsprogramms Sure bereits 39,5 Mrd. Euro an Social Bonds über fünf Titel emittiert. Diese Papiere stießen am Markt auf außergewöhnliches Interesse und lockten laut Bloomberg insgesamt ein Ordervolumen von über 500 Mrd. Euro an – eine Tatsache, die den Investorenappetit nach solchen Papieren unterstreicht und anderen Emittenten nicht verborgen geblieben sein dürfte.Zusätzlich plant Brüssel, 30 % der im Rahmen des Corona-Aufbauinstruments Next Generation EU veranschlagten 750 Mrd. Euro in Form von Green Bonds am Markt aufzunehmen. Wie sich die Unterbringung dieser rund 225 Mrd. Euro am Bondmarkt genau vollziehen wird, ist noch nicht klar zu beantworten. Dennoch wird die EU damit ein ungemein bedeutender Spieler am Markt für nachhaltige Titel werden.Die aktuelle Nachrichtenlage spricht dafür, dass Social Bonds auch 2021 nicht an Relevanz einbüßen. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass mit dem Thema globale Erwärmung und beispielsweise den überarbeiteten Klimazielen der EU ein weiteres Feld für enormen Investitionsbedarf existiert. Staaten, staatliche Agenturen oder europäische Institutionen dürften in der Bewältigung dieser Aufgaben als etablierte Emittenten auch den Markt für ESG-Bonds frequentieren und diesem so weiteres Gewicht und zusätzliche Akzeptanz verleihen. Hohes InteresseDas hohe Interesse an nachhaltigen Anleihen war nicht nur beim Bund oder den Anleihen aus dem Sure-Programm erkennbar. Auch im Unternehmenssektor hat sich die Bandbreite der vertretenen Emittenten erhöht. Dieser Trend zu mehr Auffächerung und Branchenvielfalt dürfte 2021 anhalten. Exemplarisch sei die für viele heimische Investoren wichtige Autoindustrie angeführt. Viel beachtet waren die Green-Bond-Premieren von Daimler und Volkswagen im Herbst 2020. Hier war zu sehen, dass die grünen Emissionen im Spread deutlich unter der konventionellen Bondkurve notierten, sprich die grünen Anleihen der Konzerne mit einem Renditeabschlag (“Greenium”) gegenüber vergleichbaren herkömmlichen Anleihen handelten. Diese erfolgreichen Platzierungen von Green Bonds sollten im Unternehmensbereich für Nachahmer und so für eine größere Auswahl an nachhaltigen Titeln sorgen.Der höhere Variantenreichtum sollte sich künftig nicht nur über klassische – sprich zweckgebundene – nachhaltige Anleihen zeigen, sondern auch über das Instrument der Sustainability Linked Bonds (SLBs) kommen. SLBs sind Anleihen, die mit einem Nachhaltigkeitsziel verknüpft sind und deren finanzielle Merkmale (beispielsweise der Kupon) variieren können, falls die ausgewählten Indikatoren (wie zum Beispiel der CO2-Ausstoß) die vordefinierten Zielmarken nicht erreichen. Eine kleine Welle solcher Anleihen konnten wir bereits im Herbst 2020 sehen, nachdem die ICMA einen Marktstandard für SLBs formuliert hatte. Seit Januar 2021 sind SLBs unter bestimmten Voraussetzungen von der EZB auch als Sicherheiten im Eurosystem sowie als grundsätzlich geeignete Titel im Rahmen der laufenden Ankaufprogramme akzeptiert. Auch diese Neuerung sollte dem Segment der SLBs Auftrieb geben.Das Jahr 2020 brachte nicht nur Volumenrekorde, sondern machte mit ehrgeizigen Zielen bei der Bekämpfung globaler Herausforderungen, mit neuen Emittenten, innovativen Konzepten und beispielgebenden Emissionen den Weg frei für weitere Dynamik am Markt für nachhaltige Anleihen. *) Tobias Gruber und Torsten Hähn sind Analysten im Fixed Income Research der DZ Bank.