Nasdaq 100 steht vor Richtungsentscheidung
Von Marc Kiewitz*)
Die großen Technologieaktien sind bei Anlegern sehr beliebt. Die Entwicklung des Nasdaq 100 bietet dabei eine gute Orientierung. Aktuell befindet er sich weiterhin in einem Abwärtstrend. Beginnen wollen wir jedoch mit einem Blick auf das große Bild. Da fällt beim Nasdaq 100 auf, dass es in den vergangenen 25 Jahren die typischen Rückläufer auf alte Hochs so nicht gegeben hat. Weder das im Frühjahr 2000 markierte Hoch noch das 2007er-Hoch wurden nach dem Durchbruch im Anschluss noch einmal angelaufen. Stattdessen entwickelten die Tech-Werte eine fast schon beispiellose Dynamik, die den Index von dem 2008er-Tief bei gut 1000 Punkten aus innerhalb von 13 Jahren auf fast 17000 Punkte steigen ließ. Ein Kursplus von durchschnittlich 24% pro Jahr und damit weit mehr, als man von breit gestreuten Aktieninvestments langfristig erwarten kann. Die Ende 2021 gestartete Korrektur war vor diesem Hintergrund eine logische (wenngleich vom Timing her nicht so einfach zu prognostizierende) Folge der übertrieben starken Kursrally.
Mit dem 38,2%-Retracement dieser Aufwärtsbewegung wurde Ende des zurückliegenden Jahres bei gut 10700 Punkten das erste Korrekturziel erreicht. In sehr dynamischen Trends reichen solche Rücksetzer oftmals schon aus, um eine Trendfortsetzung einzuleiten. Ganz klassisch sind jedoch 50%-Korrekturen, was im Fall des Nasdaq 100 noch mal eine zweite Abwärtswelle in Richtung 8900 Punkte bedeuten würde. Trotz der starken Erholung zu Jahresbeginn darf dieses Szenario aus charttechnischer Sicht keineswegs ausgeschlossen werden. Schließlich handelt es sich dabei bislang nur um eine klassische Gegenbewegung in einem unverändert intakten Abwärtstrend. Daran ändert auch der von vielen Marktbeobachtern bereits als Trendwende interpretierte Bruch der Abwärtstrendlinie aus unserer Sicht noch nichts, wenngleich das in Kombination mit dem vorherigen Dreifachtief ein klares Zeichen für eine kurzfristige Bodenbildung war und damit die Erholung weiter befeuert hat.
Altes Hoch gibt Trend vor
Für einen wirklich nachhaltigen Befreiungsschlag müsste der Nasdaq 100 das bislang letzte Erholungshoch der seit Ende 2021 laufenden Abwärtsbewegung überwinden. Das liegt bei gut 13720 Punkten und ist damit noch ein ganzes Stück entfernt. Passenderweise hätte der Index im Bereich dieser Kursmarke auch das 50%-Retracement der Abwärtsbewegung erreicht, das bei knapp über 13600 Punkten liegt. Die erste Erholungswelle endete Anfang Februar übrigens auch im Bereich einer klassischen Fibonacci-Marke (38,2%-Retracement). Bei dem anschließenden Rücksetzer wurde mehr als die Hälfte der erzielten Gewinne wieder abgegeben, so dass der Index nun vor einer entscheidenden Weichenstellung steht. Untermauert wird das noch dadurch, dass sich der Nasdaq 100 aktuell sowohl im Bereich seines 200-Wochen-Durchschnitts als auch seines 200-Tage-Durchschnitts bewegt.
Werfen wir vor diesem Hintergrund einen kurzen Blick auf die Fundamentaldaten, die auch Charttechnikern eine gewisse Orientierung bieten können. Die klassischen Bewertungskennzahlen wie das KGV oder das KBV deuten dabei – anders als zum Beispiel beim Dax – darauf hin, dass die im Nasdaq 100 gelisteten Unternehmen momentan trotz der schon recht deutlichen Korrektur immer noch etwas teurer bewertet sind als im Durchschnitt der vergangenen zwölf Jahre. Das ist bemerkenswert, weil sich das Umfeld insbesondere für Technologieaktien (aber auch den Gesamtmarkt) durch die deutlich gestiegenen Kapitalmarktzinsen eher nachteilig verändert hat. Zudem haben sich die Gewinnaussichten vieler Firmen zuletzt zumindest kurzfristig ein wenig eingetrübt. Eine Kombination, die eher für eine baldige Fortsetzung des laufenden Abwärtstrends spricht als für eine Wiederaufnahme des übergeordneten Aufwärtstrends.
Long- und Short-Chancen
Aber natürlich kann sich das alles ganz schnell auch wieder ändern. Und der große Vorteil der Charttechnik ist, dass man diese Entwicklungen in der Regel relativ schnell erkennt, da die Aktienkurse entscheidende Veränderungen der Rahmenbedingungen meist vorwegnehmen. Für Anleger, die mit einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont in den Nasdaq 100 investieren wollen, bieten sich Engagements insbesondere dann an, wenn der Index den beschriebenen Widerstand bei 13720 Punkten knacken sollte. Allerdings erscheint aufgrund der aktuellen Ausgangslage unwahrscheinlich, dass das Überwinden dieser Marke bereits im ersten Anlauf gelingen wird. Für kurzfristig agierende Marktteilnehmer könnten sich bei Erreichen dieses Niveaus daher auch Chancen auf der Short-Seite ergeben.
Sollte die mögliche zweite Erholungswelle indes ausbleiben und der Index fällt vom aktuellen Niveau aus weiter zurück, dann könnten Rücksetzer an die gebrochene Abwärtstrendlinie sowie das erwähnte Dreifachtief bei ca. 10500/10700 Punkten kurzfristige Chancen auf der Long-Seite ermöglichen. Sollte auch diese Unterstützungszone fallen, bieten das Vor-Corona-Hoch bei ca. 9740 Punkten sowie das erwähnte 50%-Retracement des großen Aufwärtstrends bei rund 8900 Punkten die nächsten potenziellen Haltemarken.
*) Marc Kiewitz ist Head of German Markets beim Brokerhaus ActivTrades Europe.