Nasdaq Composite technisch überkauft
Von Thorsten Grisse*)
Der Nasdaq Composite Index umfasst aktuell 2667 Titel, die an der Nasdaq notiert sind. Wegen seines hohen Anteils von Tech-Werten gilt er als weltweit führender Technologieindex. Im laufenden Hausse-Zyklus seit März 2009 hat der Index andere wichtige (US-)Blue-Chip-Indizes wie den S&P 500 in der Performance immer deutlich hinter sich gelassen. Nach den sehr ausgeprägten Kursgewinnen in wenigen amerikanischen Mega-Technologieaktien und dem starken Jahresauftakt 2021 gab es nun erste Take Profits. Ein Abgleich mit anderen Indizes wie beispielsweise dem Philadelphia Stock Exchange Semiconductor Index (kurz Sox), der im Regelfall die technische Hausse im US-Tech-Sektor mit anführt, zeigt, dass der Abbau von mittelfristig überkauften Situationen auch einige Zeit in Anspruch nehmen kann.
Fünfte Aufwärtsphase
Der Nasdaq Composite Index startete am 5. Februar 1971 bei 100,0 Punkten. Es handelt sich um einen Kursindex, bei dem Dividenden nicht in den Index zurückinvestiert werden. Mit seinem Fokus auf (US-)Technologiewerte zeichnete sich der Index immer schon durch den ausgeprägten Wechsel starker technischer Hausse- und Baisse-Zyklen aus. Im laufenden Hausse-Zyklus seit März 2009 (Start bei 1265,5) legte der Nasdaq Composite bisher ca. 946% zu (der S&P 500 erreichte im gleichen Zeitraum ca. 480%). Aus langfristiger technischer Sicht lassen sich im laufenden Hausse-Zyklus vier Aufwärtsphasen (von 2009 bis 2011, 2011 bis 2015, 2015 bis 2018 und 2018 bis 2020) erkennen, denen jeweils eine technische Korrektur von mindestens 20% folgte. Aktuell läuft die fünfte Aufwärtsphase, welche ausgehend vom „Corona-Tief“ bei 6631 (März 2020) startete.
An Dynamik verloren
Aus mittelfristiger technischer Sicht war der Index – unter der Führung von „Corona-Krisengewinnern“ z.B. aus den Bereichen E-Commerce und mobiles Arbeiten – in eine neue technische Hausse-Bewegung aufgebrochen. Dabei kam es zuerst zu einem „V“-Recovery, welches ab Mai 2020 direkt in den Anstieg auf neue All-Time Highs mündete. Erst im September 2020 verlangsamte sich das Aufwärtsmomentum. Aus kurzfristiger technischer Sicht bildete sich ab dem Zwischentief im November 2020 bei 10831 ein neuer mittelfristigen Aufwärtstrend heraus. Dieser führte den Nasdaq Composite ohne größere Konsolidierungspause bis zum 25. Januar 2021 auf ein neues All-Time High bei 13729 Punkten. Seitdem verliert der Nasdaq Composite an kurzfristiger Aufwärtsdynamik. Zuletzt ist er mit einem Trading-Take-Profit-Signal unter die 10-Tage-Linie gerutscht, so dass der Aufwärtstrend seit November 2020 getestet wird.
In Summe dürfte somit der Abbau der mittelfristig überkauften technischen Lage angelaufen sein. Ein Trading-Markt unterhalb der All-Time Highs bei 13729 sollte nicht überraschen. Da es der Nasdaq Composite Index mit Blick auf 2021 schwer haben dürfte, das hohe Aufwärtsmomentum (2019: +35%; 2020 +44%) zu wiederholen, bleibt es zunächst beim technischen Kursziel (aus dem vierten Quartal 2020) für das Jahr 2021 bei 14000 Punkten.
Der PHLX Semiconductor Sector ist ein Sektorindex der Philadelphia Stock Exchange, welcher 30 große Halbleiterunternehmen umfasst. Der Index wurde 1993 von der Philadelphia Stock Exchange gegründet und ist ein Kursindex. Er gehört zu den wenigen Indizes, die seit März 2009 gegenüber dem Nasdaq Composite eine deutliche Outperformance geschafft haben. Aus technischer Sicht hat dieser Index eine Indikatorfunktion. Dies gilt aber nicht nur für Auf- und Abwärtstrends, sondern aufgrund des höheren Auf- und Abwärtsmomentums auch für überkaufte und überverkaufte Situationen.
Seit dem Tief am 9. März 2009 liegt der Sox ungefähr 1443% im Plus. Aus langfristiger technischer Sicht war der Index nach dem Erreichen von 1988 Punkten im Umfeld der „Corona-Baisse“ bis auf 1234 gefallen. Hier startete der Index den aktuell gültigen, beschleunigten Hausse-Trend (Trendlinie zurzeit bei 2830 Zählern). In diesem Hausse-Trend setzte der Index seit Juni 2020 seine technische Neubewertung mit neuen All-Time Highs fort. Nach deutlichen Zugewinnen liegt mittlerweile eine überkaufte technische Lage vor, so dass technische (Zu-)Käufe einen stark prozyklischen Charakter aufweisen. Zum Jahresstart 2021 wurde – nach dem Anstieg auf 3141 – eine technische Konsolidierung zum Abbau der überkauften Lage gestartet. Als technische Konsequenz kommt jetzt der beschleunigte, mittelfristige Aufwärtstrend in den Fokus. Sollte dieser nachhaltig zur Seite verlassen werden, dürfte eine mittelfristige Konsolidierung (mit erhöhten Volatilitäten) in Richtung 2500 auf der technischen Agenda stehen.
*) Thorsten Grisse ist bei der Commerzbank im Bereich Technische Analyse & Index Research tätig.