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Neue Bewährungsprobe für Hongkonger IPO-Markt

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 3.9.2019 Es ist gefühlt eine halbe Ewigkeit her, dass an der Hongkonger Aktienbörse Hong Kong Exchanges (HKEX) ein Unternehmenschef zum Börsendebüt auf den zeremoniellen Gong geschlagen hat, um den...

Neue Bewährungsprobe für Hongkonger IPO-Markt

Von Norbert Hellmann, SchanghaiEs ist gefühlt eine halbe Ewigkeit her, dass an der Hongkonger Aktienbörse Hong Kong Exchanges (HKEX) ein Unternehmenschef zum Börsendebüt auf den zeremoniellen Gong geschlagen hat, um den Handelsstart einzuläuten. Normalerweise vergeht selten eine Woche, ohne dass am hyperaktiven Finanzplatz in der chinesischen Sonderverwaltungszone ein oder mehrere Initial Public Offerings (IPO) vom Stapel laufen. Nun aber hat man es bereits mit einer Durststrecke von über sechs Wochen zu tun. Seit Julimitte ist der Zustrom von Börsenneulingen auf Asiens wichtigster Aktienemissionsbühne völlig versiegt. Zahlreiche der bereits angemeldeten Listingkandidaten haben das Emissionsprozedere verzögert und legen erst einmal eine längere Beobachtungspause ein. Eingetrübtes SentimentDer Mangel an emissionswilligen neuen Kandidaten hat wenig mit einem klassischen Sommerloch und sehr viel mit einem extrem eingetrübten Anlegersentiment zu tun. Am Finanzplatz Hongkong steht man vor einer sorgenvollen Zukunft. Nach wochenlangen sozialen Unruhen und zuletzt weiter um sich greifenden Straßenprotesten färbt das angespannte politische und soziale Klima eindeutig auf den bislang für seine Stabilität gerühmten und von politischen Entwicklungen abgeschirmten Finanzplatz ab. Das Aktivitätsniveau ist erheblich gedämpft.Besonders deutlich wird dies beim Geschäft mit Börsengängen. Hier boxt der Hongkonger Markt in der obersten Gewichtsklasse. In der noch laufenden Dekade konnte sich Hongkong dank des laufenden Zustroms von chinesischen Unternehmen in sechs von zehn Jahren in den einschlägigen Rankings noch vor den New Yorker Börsen als weltweit führender Platz in Sachen Kapitalaufnahme von Börsenneulingen profilieren. Während man 2018 mit einer Kapitalaufnahme von insgesamt 36,7 Mrd. Dollar wieder einmal vor den New Yorker Börsen Spitzenreiter war, ist die HKEX nach den ersten acht Monaten des laufenden Jahres im Ranking deutlich hinter New York Stock Exchange (Nyse) und Nasdaq zurückgefallen und liegt nun sogar noch hinter der Börse Schanghai auf Platz vier (siehe Grafik).Insgesamt schwache Bewertungsrelationen haben bereits in der ersten Jahreshälfte ein gedrosseltes IPO-Geschäft nach sich gezogen. Der Markt leidet nicht zuletzt unter den immer neuen Eskalationsstufen im Handelsstreit zwischen China und den USA. Analysten verweisen auf niedrige Kurs-Gewinnverhältnisse (KGV) von gut 10 beim Blue-Chip-Index Hang Seng und nur etwa 8 für die China-Werte im Hang Seng China Enterprises Index (HSCEI). Im Vergleich dazu steht die US-Benchmark S&P 500 bei einem KGV von über 21.In einem Umfeld mit niedrigen Bewertungen ist es für Börsenkandidaten wesentlich schwieriger, das Interesse der Investoren zu wecken, heißt es im Markt. So sei für Gesellschaften außerhalb des Technologiesektors bei Neuemissionen nur noch ein durchschnittliches KGV von 12 bis 15 drin, während man im vergangenen Jahr mit Bewertungsrelationen zwischen 20 und 25 bei den Investoren landen konnte.Bestes Beispiel ist der gescheiterte Versuch, das Asiengeschäft des weltgrößten Brauereikonzerns Anbev an die HKEX zu bringen. Das mit einer geplanten Kapitalaufnahme von 9,8 Mrd. Dollar diesjährig weltweit größte IPO wurde in letzter Sekunde abgeblasen. Anbev trat in Hongkong in einer bereits von Protesten gezeichneten Phase mit zu ambitiösen Bewertungsrelationen an die Investoren heran. Warten auf AlibabaMit Anbev ist der HKEX ein echter Megadeal durch die Lappen gegangen. Das Hoffnungsmoment richtet sich nun auf den chinesischen E-Commerce- und Technologieriesen Alibaba. Ende Mai und damit noch im Vorfeld der Unruhen sickerten Pläne durch, Alibaba wolle nach dem weltgrößten IPO mit 25 Mrd. Dollar Volumen im September 2014 an der New York Stock Exchange (Nyse) nun ein Zweitlisting an der HKEX folgen lassen. Marktteilnehmer veranschlagen den Deal auf ein Mammutformat von 10 bis 15 Mrd. Dollar. Bislang hatte man den Alibaba-Deal für Anfang September erwartet, angesichts der laufenden Schwierigkeiten in Hongkong dürfte jetzt frühestens der Oktober angepeilt werden.In Hongkong muss also noch gebangt werden. Ein Alibaba-Listing würde die HKEX bei den Rankings in diesem Jahr wieder ganz nach vorne bringen und vor allem das Eis brechen für weitere bereits an der Wall Street gelisteten chinesischen Technologiefirmen. Ein solches Vertrauenssignal von festlandchinesischen Unternehmen zur Untermauerung der Bedeutung des Hongkonger Emissionsmarkt scheint derzeit besonders notwendig zu sein.Immerhin ist bereits Licht am Ende des Tunnels zu sehen: Zuletzt haben ein Hand voll chinesischer Adressen, darunter das vielversprechende Start-up Megvii für künstliche Intelligenz, die auch zur Gesichtserkennung eingesetzt wird, ihre IPO-Anträge eingereicht. Es handelt sich um kleinere Deals in einer Größenordnung bis 500 Mill. Dollar, für die es auch in einem schwächeren Markt keine Platzierungsschwierigkeiten geben sollte. Es gibt zwar noch keine Anzeichen dafür, dass die Unruhen in Hongkong wieder abklingen, dafür aber scheint sich bei den Marktteilnehmern ein gewisser Gewöhnungseffekt breitzumachen.