Neue Brücke zu Chinas Aktienwelt

Shenzhen Hongkong Stock Connect als Tech-Spielwiese für ausländische Investoren

Neue Brücke zu Chinas Aktienwelt

In Kürze startet Chinas neuestes Kapitalmarktöffnungsprojekt, das nun auch den Handel an der Festlandbörse Shenzhen mit dem für internationale Investoren zugänglichen Hongkonger Aktienmarkt verknüpft. Zwei Jahre nach der ersten Handelsbrücke zwischen Schanghai und Hongkong setzen die Marktteilnehmer auf einen neuen Liberalisierungsschub für Chinas Aktienmarkt, der vor allem in Shenzhen gelistete Privatfirmen mit Schwerpunkt bei Wachstums- und Tech-Werten in den Vordergrund rückt.Von Norbert Hellmann, SchanghaiNach langer Wartezeit ist es endlich so weit. Der im vergangenen Jahr vom chinesischen Börsencrash ausgehebelte Börsenprojekt Hongkong Shenzhen Stock Connect soll einer Ankündigung der chinesischen Regulatoren und der Hongkong Exchanges zufolge am 5. Dezember offiziell starten und “live gehen”.Mit der neuen Handelsverknüpfung, die nach dem Vorbild des im Herbst 2014 lancierten Shanghai Hongkong Stock Connect modelliert ist, werden Hongkonger Investoren und damit auch internationale Investorenkreise über die Systeme der Hongkong Exchanges einen breiten Ausschnitt der an der Börse Shenzhen gelisteten Aktienwerte handeln können. Im Gegenzug finden chinesische Anleger nun eine weitere Handelsschiene vor, um sich bei den im Hongkong-Dollar denominierten chinesischen Werten an der Hong Kong Exchanges (HKEx) engagieren zu können. Gute MarktbedingungenZwar waren die Marktteilnehmer fest davon ausgegangen, dass der Shenzhen-Hongkong Connect noch in diesem Jahr anlaufen würde, die über lange Strecken des Jahres hinweg schwache Verfassung des chinesischen Aktienmarktes hatte allerdings immer wieder Fragezeichen mit sich gebracht. Chinesische Regulatoren sind dafür bekannt, dass sie Kapitalmarktreformen nur in einem friedlichen Marktumfeld zu lancieren wagen. Seit Oktober allerdings haben Börsen sowohl auf dem chinesischen Festland, wie auch in Hongkong kräftiger aufgeholt und zeigen einen robusten Aufwärtstrend.In einer gemeinsamen Erklärung der Wertpapieraufsichtsbehörden in China und Hongkong heißt es nun, dass die technischen Vorbereitungen vollumfänglich abgeschlossen sind. Gleiches gilt für die Arrangements zur Transaktionsabwicklung, Clearing und Settlement sowie für das Management von bilateralen Investmentquoten, mit denen der Umfang der jeweiligen Aktienhandelsströme in beide Richtungen begrenzt werden kann.So gilt eine handelstägliche Handelsquote, die den Umfang der von Hongkong aus getätigten Engagements in Aktien der Börse Shenzhen auf 13 Mrd. Yuan (rd. 1,8 Mrd. Euro) begrenzt, während in umgekehrter Richtung chinesische Käufer täglich für zu 10,5 Mrd. Yuan in Hongkonger Werte gehen können. QuotenliberalisierungDie täglichen Quoten dürften allerdings keine allzu große Rolle spielen, denn insgesamt kommt es zu einer signifikanten Lockerung von Kapitalverkehrsbeschränkungen: mit dem neuen Börsenlink nämlich wird die vor zwei Jahren an den Shanghai-Hongkong Connect geknüpfte Gesamtquote für grenzüberschreitenden Aktienhandel zwischen dem Festland und Hongkong von bislang 550 Mrd. Yuan – das sind etwa 75 Mrd. Euro – gänzlich fallen gelassen.Damit dürften die Börsenbrücken aufs chinesische Festland zumindest in der langen Frist eine signifikante Kapitalverkehrsöffnung mit sich bringen, mit der Chinas bislang abgeschottete Börsenwelten auch von ausländischen Investoren sehr viel einfacher und umfangreicher frequentiert werden.Mit der Hongkong Exchanges und der Shenzhen Stock Exchange werden zwei Börsenplätze miteinander verknüpft, die sich nach der Marktkapitalisierung gemessen von der Größe her fast ebenbürtig sind (siehe Grafik). Zusammengenommen bringen es die auf den Börsenplätzen im Reich der Mitte gelisteten Unternehmen auf eine Marktkapitalisierung von rund 10,6 Bill. Dollar. Von wegen Big BangFreilich rechnen die Experten nicht mit einem Big Bang, sondern einer graduellen Entwicklung, zumal auch der erste Schritt der Anbindung des Schanghaier Marktes an Hongkong weniger stark frequentiert wurde, als man dies ursprünglich erwartet hatte. Während man in Schanghai aber vornehmlich große und staatskontrollierte Unternehmen aus traditionellen Industriesektoren sowie die großen Banken und Versicherungen vorfindet, tummelt sich an der Börse Shenzhen ein Sammelsurium von Wachstumswerten aus konsum- und technologieverwandten Branchen, mit denen ausländische Anleger bislang weniger in Berührung kommen konnten. Diese werden jetzt einen erleichterten Zugang zu rund 880 der in Shenzhen gehandelten Werte finden und sich dabei der Handelskanäle von über 150 in Hongkong ansässigen Brokern und Investmentbanken bedienen können. Tor zu Chinas New EconomyAnalysten gehen davon aus, dass der Zugang zur chinesischen “New Economy” über die Zeit ein erhebliches Interesse von Investoren generieren dürfte, die sich für den seit zwei Jahren erleichterten Zugang zur Schanghaier Börse angesichts des dort vorzufindenden Aktienspektrums weniger erwärmen konnten. Gleichwohl gehen die Experten gerade zu Beginn der neuen Handelsverknüpfung nicht von euphorischen Investmentschüben aus. Zum einen sieht man Bremseffekte, weil es bei ausländischen Institutionellen noch reichlich Anpassungen bei ihren Backoffice-Arrangements, Investmentrichtlinien und Compliance-Vorschriften mit Engagements auf dem chinesischen Festland abzustimmen gilt. Yuan als StörfaktorZum anderen aber erweist sich auch die gegenwärtige Devisenmarktsituation als ein potenzieller Störfaktor. Schließlich sieht man sich mit einer anhaltenden Abwertung des chinesischen Yuan gegenüber dem Dollar konfrontiert. Sie steht im krassen Gegensatz zur jahrelangen Aufwertungsfantasie des Yuan als einem begehrten “westlichen” Anlegermotiv und lässt entsprechende Vorsicht gebieten.Ein dritter aber vielleicht noch wichtigerer Aspekt ist die zum Teil anspruchsvolle Bewertung von Wachstumswerten an der Börse Shenzhen, für die sich eine Armada von chinesischen Kleininvestoren begeistert. Gerade die Werte an der Börse Shenzhen hatten sich während der vom Herbst 2014 bis zur Jahresmitte 2015 andauernden monumentalen Börsenhausse auf dem chinesischen Festland als besonders begehrte Spekulationsobjekte für chinesische Kleinanleger erwiesen. Trotz der erheblichen Kursnivellierung nach dem spektakulären chinesischen Börsencrash vom Sommer 2015 und einer weiteren schweren Delle gleich zum Jahresanfang 2016, sind die Relationen aus Sicht von vielen Experten noch immer nicht im Lot. Abschreckende KGVNimmt man beispielsweise das auf zwölf Monate vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als einen gängigen Bewertungsmaßstab, muss man feststellen, dass die Börse Shenzhen mit einem durchschnittlichen KGV von gut 50 und auch der Markt in Schanghai mit etwa 44 für Neueinsteiger reichlich teuer und ambitioniert wirken. Auf der anderen Seit der Weltkugel findet man nämlich auch bei der New Yorker Wachstums- und Tech-Börse Nasdaq oder beim Blue Chip Index S & P 500 mit vorwärtsgerichteten KGVs von etwa 28 und 23 wesentlich zahmere Bewertungsrelationen.