KLIMARISIKEN IM ANLAGEPORTFOLIO

Neue Indizes sollen zu weniger Treibhausgas-Ausstoß beitragen

Carbon Delta erkennt hohe Klimarisiken und viel Verbesserungspotenzial für Blue-Chip-Index Dax - Frankfurter Start-up Right Based on Science öffnet sein Modell

Neue Indizes sollen zu weniger Treibhausgas-Ausstoß beitragen

dm Frankfurt – Die Einsicht, dass gegen steigende Treibhausgasemissionen etwas getan werden muss, bringt die Politik dazu, auch eine klimaschonendere Art des Investierens durch Vorschriften und Anreize anzuregen. Nach welchen Benchmarks etwa sollen sich Vermögensverwalter ausrichten, wenn es um Klimaschutz geht? Die Europäischen Kommission und das Europaparlament haben sich im Februar beispielsweise darauf geeinigt, dass freiwillige Kennzeichnungen Investoren eine Orientierungshilfe geben sollen.So sollen Low-Carbon-Varianten von bestehenden Indizes – also CO2-arme Indizes – angeboten werden, sowie Referenzwerte, die nur Unternehmen einschließen, die “nachweislich das 1,5-Grad-Ziel verfolgen”, wie es heißt. Die neuen Referenzwerte sollen durch Garantien vor Greenwashing geschützt sein, so die Kommission. Eine Sachverständigengruppe berät nun die Kommission darüber, wie die Unternehmen auszuwählen sind, die in die neuen Referenzwerte einbezogen werden sollen. Zur Pflicht machenDarüber hinaus sollen auch Unternehmen mehr Rechenschaft über ihren CO2-Fußabdruck geben, wozu sich nach dem Klimagipfel in Paris die Task Force on Climate Related Financial Disclosure (TCFD) gebildet hat. Dahinter stehen verschiedene Unternehmen und Finanzdienstleister sowie der Finanzstabilitätsrat, das Financial Stability Board (FSB), dem Vertreter von Finanzministerien, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden aus den G20-Staaten angehören. Es laufen derzeit in Europa Anstrengungen, diese bisher freiwilligen Berichte in die gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegungspflichten zu integrieren.Sowohl die Carbon-Benchmark-Regulierung wie auch mögliche Anpassungen in den Berichtspflichten führen zu einem erhöhten Datenvolumen und der Notwendigkeit, messbare Daten zu erzeugen. Bisher ist dies jedoch noch weitgehend unerprobtes Gebiet. Es gibt zwar inzwischen verschiedene Anbieter. Diese arbeiten aber alle noch im Start-up-Modus (vgl. Übersicht).Dazu gehört auch die in Zürich angesiedelte Carbon Delta, die einen “Climate Value-at-Risk” berechnet, der Klimarisiken berücksichtigt. “Wir betrachten jedoch nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen”, sagt Andrew Black von Carbon Delta im Gespräch. Anhand von Big-Data-Methoden werde beispielsweise berücksichtigt, inwiefern die Unternehmen “aktiv an der Entwicklung von kohlenstoffarmen Technologien arbeiten, die einen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes leisten”.Die sogenannten Transitionsrisiken auf dem Weg zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft seien für enger gefasste Anlage-Benchmarks dabei nach Berechnung von Carbon Delta größer als bei breiteren Indizes wie S&P 500 und MSCI World. Für den Blue-Chip-Index Dax hat Carbon Delta demgegenüber ein überproportional hohes Klimarisiko errechnet, aber auch ein deutlich höheres Potenzial zur Klimaverbesserung durch neue, grüne Technologien.Das 2016 gegründete und in Frankfurt ansässige Start-up Right Based on Science untersucht wiederum wirtschaftliche Einheiten darauf, welchen Einfluss sie auf den Klimawandel nehmen. Der Online-Händler Zalando nutzt das von Right Based on Science entwickelte XDC-Modell, um die Fortschritte im Bereich Klimaschutz darzustellen. Das Start-up wird vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung unterstützt und kooperiert auch mit der Frankfurt School of Finance & Management zur Umsetzung eines Think Tanks der Task Force on Climate Related Financial Disclosures, der vom Green and Sustainable Finance Cluster Germany ins Leben gerufen wurde, hinter dem die Deutsche Börse und das hessische Wirtschaftsministerium stehen.Karsten Löffler, Co-Head des Unep Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance der Frankfurt School, sagt im Gespräch, dass die verschiedenen Ansätze, um den Einfluss von Unternehmen auf den Klimawandel zu messen, zwar noch in den Kinderschuhen stecken, ihre Bedeutung bei der Entwicklung eines Standards aber “nicht unterschätzt werden darf”. Ähnliches gelte für Methoden zur Messung des Einflusses des Klimawandels auf die langfristige Portfolioperformance. “Vielfach fehlt für Außenstehende die Transparenz, welche Daten und Annahmen in die Modelle einfließen und wie die Daten verwendet werden”.Löffler sitzt auch in der Technical Expert Group (TEG) on Sustainable Finance der EU-Kommission. Die Zwischenberichte der TEG zur Verbesserung der Unternehmenstransparenz in Bezug auf klimabezogene Informationen und zum EU Green Bond Standard sowie ein erster Bericht zur Klassifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig (gemäß einheitlichem Klassifikationsschema, der Taxonomie) sind bereits veröffentlicht. Das Gros der Arbeit der TEG inklusive zu Benchmarks wird laut Löffler voraussichtlich im Juni 2019 abgeschlossen sein. Einen genauen Zeitplan wird die EU-Kommission voraussichtlich bis Mai veröffentlichen. Mehr Transparenz in ModelleSebastian Müller von Right Based on Science sagt auf Anfrage, dass das XDC-Modell mit international anerkannten Klimaprojektionen und Transitionsszenarien arbeite, wie etwa den Annahmen der International Energy Agency (IEA), die ihre Szenarien für verschiedene Branchen vorgelegt hat. “Wir öffnen das Modell mit Right Open in einem ersten Schritt für die wissenschaftliche Forschung”, sagt Müller in Bezug auf die generelle Kritik fehlender Transparenz an derzeit verfügbaren Methoden zur Analyse klimarelevanter Chancen und Risiken von Unternehmen oder Portfolien. “Zudem sind für Auftraggeber alle Daten und Annahmen einsichtig.”Der Co-Gründer des Start-ups betont, dass das XDC-Modell nicht eine Extrapolation von Daten des CDP – ehemals Carbon Disclosure Project – darstellt. Müller sagt zudem, dass Right Based on Science in der Produktentwicklung stark darauf achte, dass das XDC-Modell auch für Regulatoren, wie beispielsweise Finanzaufsichtsbehörden, interessant ist. So hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin zumindest ihre Teilnahme als Panelist beim Kick-off-Event von Right Open, welches von Right Based on Science ausgerichtet wird, zugesagt.