Neue Risikofaktoren am Ölmarkt

Iran umgeht Sanktionen - Nun rückt auch Saudi-Arabien in den Fokus - Regime in Riad gilt als instabil

Neue Risikofaktoren am Ölmarkt

Während viele Marktbeobachter die Auswirkungen der US-Sanktionen auf die iranischen Ölexporte möglicherweise überschätzen, werden andere Risiken unterschätzt. So gilt das Regime in Riad als instabil. Unruhen oder Umsturzversuche würden Angst vor Lieferunterbrechungen des Opec-Schwergewichts wecken.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDer Brent-Ölpreis ist zwar in wenigen Handelstagen von rund 85 Dollar je Barrel auf nur wenig über 80 Dollar je Barrel gesunken, dennoch bleibt die Nervosität am globalen Ölmarkt hoch. Was die geopolitischen Risiken betrifft, stehen derzeit zwei Länder besonders im Fokus: Nach dem Iran rückt nun auch noch Saudi-Arabien in den Mittelpunkt. Mögliche Entwicklungen in den Ländern würden den Ölpreis deutlich beeinflussen.Was den Iran betrifft, so zeigen die neuesten Daten von Marktbeobachtern an, dass bereits jetzt – also vor dem offiziellen Inkrafttreten der US-Sanktionen per 4. November – die Ölexporte des Landes stark zurückgegangen sind. So schätzt Refinitiv Eikon, dass die Ausfuhren des Landes im bisherigen Monatsverlauf nur noch 1,33 Mill. pro Tag (bpd) betragen, gegenüber 2,5 Mill. bpd im April, also vor der Eskalation des Konflikts mit den USA. Das würde darauf hindeuten, dass die Sanktionen eine sehr starke Wirkung entfalten. Allerdings fällt auf, dass der Markt auf die am Montag veröffentlichten Zahlen verhalten reagiert hat, es kam zu keinerlei Preissprung. Es muss dabei nämlich berücksichtigt werden, dass der Iran erhebliche Anstrengungen unternimmt, um das Ausmaß seiner Exportbeziehungen zu verschleiern. Da die Bewegungen von Öltankern von vielen Analysten und Research-Firmen genau beobachtet werden, sind bei vielen iranischen Schiffen die Positionssender des Automatic Information System (AIS) mittlerweile abgeschaltet worden, so dass sich die iranischen Ölexporte deutlich schlechter verfolgen lassen. So sollen entgegen den Daten von Refinitiv Eikon auch immer noch Tanker nach Europa unterwegs sein. Es ist somit durchaus möglich, dass die Ausfälle iranischen Öls derzeit deutlich überschätzt werden. Dies könnte wiederum bedeuten, dass der Ölpreis entgegen den Befürchtungen vieler Analysten zum Jahresende doch nicht bis 90 oder 100 Dollar oder gar noch darüber klettert.Es gibt aber wohl noch weitere Mechanismen, die der Iran einsetzt, um sich Bewegungsfreiheit bei den Ölexporten zu erhalten. So verweisen israelische Medien unter Bezug auf Quellen im israelischen Außenministerium darauf, dass es Pläne gebe, iranisches Öl umzudeklarieren und als russisches Öl zu verkaufen.Einige Länder wie Indien haben angekündigt, sie werden sich nicht an die amerikanischen Sanktionen halten. Allerdings sind die Ölmengen, die Indien aus dem befreundeten Iran importiert, bereits zurückgegangen. Dabei spielt ohne Zweifel eine Rolle, dass derzeit große Probleme bei den Zahlungen gibt, die nicht mehr im Dollar erfolgen können. So sagte jetzt ein Staatssekretär aus dem indischen Finanzministerium, sein Land habe noch keinen Weg gefunden, auf dem die Zahlungen für das Öl fließen können. Zu erwarten ist, dass die sanktionserprobte iranische Regierung einen Weg finden wird, die Mittel ausgezahlt zu bekommen.Wenngleich es also möglich ist, dass die Folgen der US-Sanktionen für den Iran und damit auch für den Ölpreis derzeit deutlich überschätzt werden, so könnte ein anderes Risiko unterschätzt werden. Die skurrile Affäre um den vermuteten Mord an dem saudischen Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi macht deutlich, dass der als Hitzkopf geltende saudische Kronprinz Mohammed bin-Salman wohl bereits derart unter Druck steht, dass er selbst moderat vorgetragenen Kritik nicht mehr dulden will. Verhältnis zu USA belastetDie Folgen der Affäre reichen weit. So ist das Verhältnis zum überlebenswichtigen Partner USA belastet, auch wenn sich US-Präsident Donald Trump nach Kräften bemüht, die Angelegenheit nach anfänglich noch harscher Kritik herunterzuspielen. Allerdings gibt es in der US-Administration Kräfte, die den von bin-Salman abgesetzten bisherigen Kronprinzen Mohammed bin-Nayef für einen besonneneren und damit geeigneteren Machthaber und Nachfolger für die schwer erkrankten König Salman halten. Bin-Salman hat wegen seines raschen und aggressiven Aufstiegs zur Macht viele Feinde in der weit verzweigten saudischen Königsfamilie.Außerdem wird von erheblicher Unzufriedenheit in der Bevölkerung berichtet, die nicht mehr wie in früheren Zeiten umfangreiche Transferleistungen vom Staat erhält. Umstritten ist auch der brutal geführte Jemen-Krieg, wobei zuletzt jemenitischen Rebellen sogar Gegenangriffe auf saudisches Territorium gelangen. Nur oberflächlich unter Kontrolle ist die Situation in den mehrheitlich schiitischen Landesteilen, wo bin-Salman derzeit noch mit harter Hand durchgreift. Die vermutliche Ermordung Khashoggis im saudischen Konsulat in Istanbul hat das Verhältnis zur Türkei stark belastet, wobei die Türkei mit Katar verbündet ist, das derzeit unter einer saudischen Blockade steht. Zu erwarten ist, dass eine Bereinigung der Affäre den saudischen Staat milliardenschwere Zahlungen und Zugeständnisse an die Türkei kosten wird.Sollte sich Saudi-Arabien als instabil erweisen und es zu Umsturzversuchen kommen, dürfte der Ölpreis wegen der Angst vor Lieferausfällen stark steigen. Mit einer Ölproduktion von 10,5 Mill. bpd ist das Land der mit Abstand größte Produzent innerhalb der Opec. In der Größenordnung von Saudi-Arabien spielen sonst nur noch die USA und Russland. Da die freien Kapazitäten innerhalb der Opec – mit Ausnahme des Iran – gering sind, wären die Auswirkungen groß. Möglicherweise könnte ein solches Ereignis sogar die USA dazu zwingen, die Sanktionen gegen den Iran fallen zu lassen.