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Neuer EU-Standard soll ABS-Markt helfen

Von Ralf Raebel *) Börsen-Zeitung, 4.4.2019 Mehr als zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise startet der europäische Verbriefungsmarkt mit einem lang erwarteten neuen, erstmals gesetzlich definierten Qualitätsstandard und entsprechenden...

Neuer EU-Standard soll ABS-Markt helfen

Von Ralf Raebel *)Mehr als zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise startet der europäische Verbriefungsmarkt mit einem lang erwarteten neuen, erstmals gesetzlich definierten Qualitätsstandard und entsprechenden Emissionen, welche Vertrauen und Investoren wieder zurückbringen sollen. Die hierfür geschaffene EU-Verbriefungsverordnung (EUVO) gilt seit dem 1. Januar 2019 für alle Neuemissionen. Sie definiert erstmals unabhängig vom Investortypus übergreifend Kriterien für Verbriefungen im Allgemeinen, schafft aber auch einen Rahmen für simple, transparente und standardisierte (STS-)Verbriefungen. Zu den generellen Anforderungen gehören die Pflicht zur Investor-Due-Diligence, zum Risikoselbstbehalt des Originators sowie Transparenzerfordernisse. Für STS-Verbriefungen gelten darüber hinaus weitergehende Anforderungen (STS-Kriterien), die vollständig zu erfüllen sind. Externe ÜberprüfungDer Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der externen Überprüfung der Erfüllung der STS-Kriterien durch Einbindung eines sogenannten Drittpartei-Verifizierers in den Emissionsprozess vor. In die Verifizierung fließen sowohl transaktionsbezogene als auch unternehmensbezogene Dokumente ein. Zudem finden auch Vor-Ort-Prüfungen statt. Eine derartige Verifizierung unterstützt die Originatoren und Investoren in ihrer Bewertung und stiftet Vertrauen in den Märkten. Sie bildet einerseits eine wichtige Instanz zwischen den Marktteilnehmern und trägt andererseits gegenüber den Aufsichtsbehörden dazu bei, dass die STS-Kriterien sachgerecht interpretiert und konsistent angewendet werden.Aus diesen Gründen wollten namhafte europäische Originatoren ihre STS-Emissionen nicht an den Markt bringen, ohne einen solchen Drittpartei-Verfizierers einzubinden. Da deren formeller Zulassungsprozess jedoch erst am 2. Januar dieses Jahres gestartet werden konnte, kam in der Folge der Primärmarkt im Januar in ganz Europa nahezu vollständig zum Erliegen. Auch im Februar besserte sich die Lage nur unwesentlich durch einige Neuemissionen aus nicht-STS-fähigen Assetklassen. Aufgrund des ausbleibenden bzw. nur spärlichen Angebots am Primärmarkt kam es zu einem Nachfrageüberhang, der am Sekundärmarkt zu deutlichen Spread-Einengungen über nahezu alle Verbriefungssegmente führte. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Nettoneuzukäufe zum Jahresende 2018 eingestellt hat, konnte in diesem Umfeld sehr gut vom Markt verkraftet werden. Wende im März eingeleitetDer März leitete schließlich die Wende ein. Mit Wirkung zum 7. März wurde die STS Verification International GmbH (SVI), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der deutschen Verbriefungsplattform True Sale International GmbH, als erster unabhängiger Drittpartei-Verifizierer in Europa für STS-Emissionen im Sinne der EUVO zugelassen. Kurz darauf wurde am 13. März mit der Autoleasing-Verbriefung “VCL 28” aus dem Hause Volkswagen die erste öffentliche STS-Neuemission mit Einbindung der SVI in Europa überhaupt angekündigt. Am 19. März gab auch die britische PCS (Prime Collateralised Securities) eine Autorisierung als Drittpartei-Verifizierer durch die britische Finanzaufsicht FCA mit sofortiger Wirkung bekannt. Mit der niederländischen Hypotheken-Verbriefung (RMBS) “Storm 2019-1” des Originators Obvion kündigte dann auch PCS am 26. März seine erste verifizierte STS-Transaktion an. Am 22. März gab schließlich die EZB bekannt, perspektivisch die Transparenzanforderungen der EUVO für Verbriefungen in den Sicherheitenrahmen des Eurosystems aufzunehmen. Darüber hinaus wird die EZB ihr eigenes Verfahren zur Benennung von Registern für Daten auf Einzelkreditebene einstellen und stattdessen auf die Registrierung von Verbriefungsregistern durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) im Rahmen der EUVO zurückgreifen. Verbesserte QualitätVergleicht man die nun vorliegenden ersten STS-Emissionen mit den Vorgängertransaktionen ihrer Serien, so stimmen diese in weiten Teilen überein. So blieben die zugrunde liegende Transaktionsstruktur, die Tranchierung der Anleihen wie auch wesentliche Charakteristika des Collaterals letztlich “serienkonform” erhalten. Entsprechend gibt es auch keine systematischen Veränderungen beim Rating oder der Kreditbesicherung. Mit Einführung der EUVO mussten in der Dokumentation zwangsläufig der Wortlaut und die Verweise auf die aktuellen Bestimmungen angepasst werden. Korrespondierende alte Formulierungen wurden hinfällig. Die mit der EUVO neu eingeführten STS-Kriterien wurden neu in die Dokumentation aufgenommen. Viele STS-Kriterien haben die Transaktionen jedoch auch vorher schon erfüllt. Dennoch hat sich die Qualität des Collaterals ökonomisch durch die überarbeiteten Auswahlkriterien nochmals verbessert. Auch die vorher schon hohe Transparenz der Serien wird durch die EUVO-Bestimmungen weiter gesteigert. So ist zum Beispiel das “Investor Package” im Vergleich zu früher deutlich umfangreicher. Resümierend lässt sich im Bereich der Transparenz die größte Veränderung feststellen. Prozedere steht am AnfangDas gesamte STS-Zulassungsprozedere steht jedoch erst am Anfang, und auch die Regulierung über alle Ebenen (Level 1 bis 3) sowie deren Auslegung durch die Aufsichtsbehörden ist noch nicht formell abgeschlossen und geklärt. Hier wäre ein zügiger Abschluss wünschenswert, um dem Markt die noch latent bestehende Restunsicherheit zu nehmen. Zudem sollte es möglich sein, die Autorisierung eines Drittpartei-Verifizierers in einem zentralen EU-Register (wie bei Ratingagenturen) zu überprüfen, was so in der EUVO nicht vorgesehen ist.Die Zulassung von SVI und PCS sowie die bisherigen STS-Emissionen sind jedoch nur die ersten Schritte. Es wird noch eine geraume Zeit dauern, bis hinreichend Anlagealternativen in einem STS-Universum zur Verfügung stehen. Restriktiv dürfte dabei vor allem der Mangel entsprechender Fachkräfte wirken. Hieraus resultiert zunächst ein sinuskurvenartiger Verlauf des STS-Emissionsvolumens, bis eine Aufstockung der Kapazitäten für einen gleichmäßigen STS-Strom sorgt. Erst in diesem Umfeld könnte es zu einer sichtbaren Spreizung der Spreads von Non-STS und STS-Verbriefungen kommen, da für Banken und Versicherungen bei Letzteren eine günstigere Eigenkapitalunterlegung regulatorisch vorgesehen ist. Wir werten den drastischen Einbruch am Primärmarkt zum Jahresbeginn als positives Indiz dafür, dass das STS-Segment künftig einen deutlich breiteren Raum einnehmen dürfte als ursprünglich erwartet. So sollte sich der STS-Status für Auto-Verbriefungen und RMBS auf lange Sicht zum Standard entwickeln. Dies führt langfristig zu einer vertieften und stabilen Größe des Verbriefungsmarktes und kommt so letztlich einer günstigen Refinanzierung der Realwirtschaft zugute.—-*) Ralf Raebel ist ABS-Analyst bei der DZ Bank.