KREDITWÜRDIG

Neuer Platzhirsch unter Spaniens Banken

Von Abdoulaye Aboubakar *) Börsen-Zeitung, 1.10.2020 Der spanische Bankenmarkt bekommt einen neuen Marktführer. Mit ihrer jüngst angekündigten Fusion werden Caixabank, die drittgrößte Bank des Landes, und Bankia, die Rang vier belegt, die größte...

Neuer Platzhirsch unter Spaniens Banken

Von Abdoulaye Aboubakar *)Der spanische Bankenmarkt bekommt einen neuen Marktführer. Mit ihrer jüngst angekündigten Fusion werden Caixabank, die drittgrößte Bank des Landes, und Bankia, die Rang vier belegt, die größte Inlandsbank in Spanien bilden und damit die bisherigen Platzhirsche Santander und BBVA auf die Plätze verweisen. Die neue Einheit wird unter der Marke Caixabank operieren und über eine Bilanzsumme von mehr als 664 Mrd. Euro sowie eine Marktkapitalisierung von über 16 Mrd. Euro verfügen. Die neue Gruppe festigt damit ihre Führungsposition im spanischen Privat- und Firmenkundengeschäft mit mehr als 20 Millionen Kunden und den höchsten Marktanteilen bei Einlagen (24 %), Krediten (25 %), Hypothekendarlehen (28 %) und Unternehmenskrediten (24 %).Diese Elefantenhochzeit hat Konsolidierungsfantasien in Spanien beflügelt. Viele Marktbeobachter sehen sie angesichts der dauerhaft niedrigen Zinsen und der nach wie vor nicht vollständig abzuschätzenden Folgen der Corona-Pandemie als die Initialzündung für eine zweite Konsolidierungswelle im spanischen Bankenmarkt an. Die erste wurde vor über einer Dekade von der Finanz- und Immobilienkrise ausgelöst. Von 2008 bis Ende 2011 reduzierte sich die Zahl der Sparkassengruppen beispielsweise von 45 auf acht. Die Sparkassen wandelten sich im Zuge dessen in Geschäftsbanken um. Auch im Privatbankensektor fand eine Konsolidierung statt, wobei diese im Vergleich zum Sparkassensektor bescheiden ausfällt. Gerüchteküche brodeltDie Gerüchteküche darüber, wer mit wem fusionieren könnte, brodelt derzeit jedenfalls kräftig. Neben mittelgroßen Instituten wie Unicaja und Liberbank wird vor allem Banco Sabadell als heißeste Übernahmekandidatin gehandelt. Als potenzieller Käufer gilt BBVA. Die Bank betont zwar regelmäßig, dass sie die Augen offenhält und sich ergebende Kaufgelegenheiten prüfen würde. Doch angesichts der bescheidenen Kapitalisierung von BBVA ist es fraglich, ob die Großbank in der Lage ist, eine solche Transaktion zu stemmen.Neben dem spanischen ist auch der italienische Bankenmarkt in Bewegung geraten. Durch die mittlerweile abgeschlossene Übernahme der Ubi Banca hat Intesa Sanpaolo ihre Marktposition ausgebaut und belegt den Spitzenplatz bei Krediten, Einlagen, Vermögensverwaltung sowie Lebensversicherung. Dies setzt die Konkurrenz und vor allem die Rivalin Unicredit unter Zugzwang, die sich öffentlich allerdings zurückhaltend zeigt. Auch die vom italienischen Staat gewünschte Übernahme seiner Anteile an Banca Monte dei Paschi di Siena lehnt Unicredit bislang ab. Die französische Crédit Agricole, die Italien als zweiten Heimatmarkt betrachtet, soll ebenfalls Optionen prüfen, ihre Marktposition weiter auszubauen. Als Übernahmekandidaten soll Crédit Agricole dabei die Banco BPM sowie Creval auserkoren haben.Ein Blick auf die übrigen Bankenmärkte in Europa zeigt, dass die Corona-Pandemie zwar die Diskussionen über Marktbereinigungen sowohl seitens der Regulierungsbehörden als auch der Bankenvertreter verstärkt hat; konkrete Fusionen und Übernahmen bleiben allerdings Mangelware. In Deutschland vollzieht sich die Konsolidierung vor allem bei Sparkassen und Volksbanken auf regionaler Ebene und innerhalb der jeweiligen Sektoren. Nach dem gescheiterten Fusionsversuch zwischen Deutsche Bank und Commerzbank liegt der Fokus der Großbanken aktuell vor allem auf Restrukturierungsmaßnahmen. In der Schweiz ließen jüngst Meldungen, wonach UBS und Credit Suisse Gespräche über ein Zusammengehen führen würden, aufhorchen. Öffentliche Stellungnahmen dazu gab es von den betroffenen Instituten jedoch nicht. Die Schweizerische Nationalbank hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis darüber. Der UBS wurde aber auch ein Interesse an einer Übernahme von Deutsche Bank oder Barclays nachgesagt. In Frankreich dominieren wie in Deutschland vor allem Nachrichten über gruppeninterne Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Société Générale hat unlängst angekündigt, das eigene Retailnetzwerk mit dem der Tochter Crédit du Nord zusammenzulegen. Die seit dem vergangenen Jahr zum Verkauf stehenden Retailaktivitäten der HSBC haben jedoch bislang keinen Käufer gefunden. Ertragslage unter DruckDie Notwendigkeit einer Konsolidierung des Bankenmarktes in vielen europäischen Ländern besteht nicht erst seit dem Ausbruch der Coronakrise. Vielmehr haben die Folgen der Pandemie diese deutlicher werden lassen. Viele Institute haben lange Zeit mit den Altlasten der globalen Finanzkrise zu kämpfen gehabt. Eine EU-weite Sanierung der Bilanzen und eine rasche Rekapitalisierung der Institute, wie dies in den USA geschehen ist, konnte aufgrund nationaler Besonderheiten nicht durchgeführt werden. Das Niedrigzinsumfeld hat die Ertragslage des Bankensektors stark unter Druck gesetzt. Die fortschreitende Digitalisierung, die mit einem sich verändernden Kundenverhalten einhergeht und zudem enorme Investitionen erfordert, hat offengelegt, dass Geschäftsmodelle, die auf einem umfangreichen Filialnetz basieren, einer Runderneuerung bedürfen.Neu und möglicherweise auch bedingt durch die Coronakrise, hat die europäische Bankenaufsicht einen Sinneswandel in Bezug auf Bankenfusionen vollzogen. Nach der globalen Finanzkrise lag der Fokus der Regulatoren vor allem darauf, das Risiko von “too big to fail” und damit auch die Entstehung von systemrelevanten Großbanken, deren Schieflage die Finanzstabilität gefährden könnte, zu verringern. Vor diesem Hintergrund wurden regulatorische Hürden vor allem in Bezug auf die Eigenmittelausstattung aufgebaut, die den Zusammenschluss von Großbanken erschwerten.Die geänderte Haltung der Europäischen Zentralbank (EZB) lässt sich am neuen Leitfaden, den die Aufsichtsbehörde Anfang Juli 2020 veröffentlichte, festmachen. In diesem Leitfaden legt die EZB ihre Erwartungen an Fusionen dar. Darin erlaubt sie sogar die Nutzung eines negativen Firmenwerts, auch Badwill oder negativer Goodwill genannt, in der Erwartung, dass dieser verwendet wird, um zum Beispiel die Risikovorsorge aufzustocken oder Integrationskosten abzudecken und damit das Geschäftsmodell der fusionierten Einheit zu stärken. Badwill entsteht, wenn eine Übernahme unter Buchwert erfolgt. Aufgrund der stark gesunkenen Aktienkurse von Banken wird bei Übernahmen aktuell ein hoher Badwill generiert.Während nationale Fusionen, zumindest in Südeuropa, auf der Tagesordnung stehen, erscheinen grenzüberschreitende Transaktionen unverändert wenig attraktiv. Dies liegt zum einen an den fehlenden Kostensynergien, die im Inland bei Zusammenlegung der Filialnetze und der IT-Plattformen leichter zu erzielen sind. Zum anderen fehlen trotz Bankenunion einheitliche regulatorische Rahmenbedingungen. Die von der EU-Kommission angestrebte Schaffung einer Kapitalmarktunion wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. *) Abdoulaye Aboubakar ist Senior Bankanalyst bei der DZ Bank.