GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (95)

New York City - auf dem Weg zur smarten Metropole

Börsen-Zeitung, 16.11.2019 Vor etwa eineinhalb Jahren hat der Verfasser an dieser Stelle den Megatrend Urbanisierung und die aufkommende Entwicklung zu Smart Citys thematisiert Eine der Kernaussagen war, dass der Zuzug in die Metropolen weltweit...

New York City - auf dem Weg zur smarten Metropole

Vor etwa eineinhalb Jahren hat der Verfasser an dieser Stelle den Megatrend Urbanisierung und die aufkommende Entwicklung zu Smart Citys thematisiert Eine der Kernaussagen war, dass der Zuzug in die Metropolen weltweit weiter voranschreitet, sowohl in den Industrie- als auch den Entwicklungsländern. Das Ziel einer “Smart City” ist es, durch die Nutzung technologischer Innovationen die Umweltbelastungen, die mit hoher Bevölkerungsdichte einhergeht, zu reduzieren und vor allem die Lebensqualität der Bürger zu erhöhen. Es werden in zahlreichen Großstädten große Anstrengungen unternommen, dem Ziel einer intelligenten Stadt näher zu kommen. Vom Stand der Entwicklung in einer der größten Metropolen der Welt, New York City, konnte der Verfasser sich anlässlich eines Research Trips einen Eindruck verschaffen.Aber nicht nur der Megatrend Urbanisierung, den wir als Teilbereich der demografischen Entwicklung ansehen, kann in New York exemplarisch beobachtet werden, sondern noch eine Reihe weiterer Megatrends, die die Basis für ein thematisches Investment bilden. Vergangenheit trifft ZukunftEiner der kritischen Engpässe für das Funktionieren von Städten ist die Transportinfrastruktur. Urbane Räume sind ohne leistungsfähigen und effizienten öffentlichen Nahverkehr zum Kollaps verurteilt, da die innerstädtischen Verkehrsströme geleitet werden müssen. Die New Yorker Subway gilt mit ihren 380 Streckenkilometern und ihren täglich mehr als 5 Millionen Fahrgästen als eines der komplexesten und dichtesten U-Bahn-Netze der Welt – und ist doch Zeugnis einer längst vergangenen Epoche. Die meisten Linien wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gebaut und seither kaum erneuert, so dass der technische und optische Zustand der Subway angesichts verrotteter Stationen und altem Fuhrpark nicht zeitgemäß erscheint. Noch eindrücklicher ist die Qualität des Eisenbahnnetzes, das im Wesentlichen aus dem 19. Jahrhundert stammt. So dauert eine Zugfahrt von New York nach Boston mit dem “Hochgeschwindigkeitszug” knapp vier Stunden – für 350 Kilometer! Und dennoch sind zahlreiche Apps verfügbar, die eine Vernetzung verschiedener Transportsysteme unter und über der Erde ermöglichen.Der Innenstadtbereich von New York auf der Insel Manhattan ist demografisch gesehen ein Sonderfall. Wenngleich der Großraum New York mit mehr als 20 Millionen Einwohnern weiter ein Anziehungspunkt für neue Bewohner ist, geht die Einwohnerzahl Manhattans seit einigen Jahren leicht zurück. Dies ist nicht nur ein Resultat von teilweise aberwitzigen Immobilienpreisen, sondern spiegelt auch eine veränderte Präferenz der Bewohner für ihren Lebensraum wider. Jüngere Arbeitnehmer ohne Familien strömen weiter nach Manhattan, Familien ziehen aus der Stadt in den Speckgürtel von New Jersey und New York State.Gleichzeitig wird die Stadt massiv “nachverdichtet”. Besonders in Midtown Manhattan werden zahlreiche Gebäude abgerissen und durch Ensembles von Wolkenkratzern ersetzt. So stellt das Gebiet um die “Hudson Yards” im Westen Manhattans das aktuell größte Immobilienentwicklungsprojekt der USA dar – indem ein Gelände überbaut wird, das zuvor als Rangierbahnhof des Penn-Station-Bahnhofs diente. Stets werden bei diesen Projekten sowohl Büro- als auch Wohnraum geschaffen, zugegebenermaßen im Top-Preissegment, was unerwünschte soziale Nebeneffekte, für die weniger kaufkräftige Bevölkerung hat.Auch die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Lebensqualität spielen für die Stadtplanung eine zunehmend größere Rolle. Es wurden in der Stadt in den vergangenen Jahren zahlreiche Fahrradwege gebaut und vormalige Verkehrsadern zu urbanen Naherholungsräumen umgebaut. Der 2014 eröffnete High Line Park entwickelt sich zu einem Anziehungspunkt für die einheimische Bevölkerung und Touristen.Die Stadtverwaltung von New York möchte kein Wachstum der Stadt um jeden Preis, sondern ist bemüht, das soziale Gefüge der Bevölkerung nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. So hat sich die Stadt nach massivem Widerstand der Bevölkerung aus der Bewerbung für die Ansiedlung einer neuen Amazon-Zentrale im Stadtteil Queens zurückgezogen, die zwar Investitionen in Milliardenhöhe bis zu 25 000 neue Arbeitsplätze in die Stadt gebracht, die Wohnraumsituation aber weiter verschärft hätte.Entgegen der landläufigen Meinung ist die technologische Innovationskompetenz nicht ausschließlich im Silicon Valley konzentriert. New York City schließt mehr und mehr auf und besitzt eine aktive Community von Startups und Niederlassungen etablierter Technologiekonzerne. Gerade im Bereich künstliche Intelligenz sowie Blockchain-Technologien gibt es an der Ostküste der USA besondere Forschungsschwerpunkte. Ausgeprägte GründerkulturEiner der Gründe für den kommerziellen Erfolg von Technologiefirmen aus den USA ist die ausgeprägte Gründerkultur. Start-ups finden – im Gegensatz zu Deutschland – viel leichter Investoren. Während in Deutschland geschätzt 8 000 Gründungsfinanzierer (“Business Angels”) zur Verfügung stehen, sind es in den USA mehr als 400 000. Damit haben innovative Unternehmensgründer ungleich bessere Chancen, an dem größten Finanzplatz der Welt ihre Geschäftsidee bis zur Börsenreife weiterzuentwickeln. Dies gilt gleichermaßen für Finanzdienstleister, die Strategien für Kryptowährungen anbieten und somit in ein Zukunftsfeld investieren. Wie passend, dass genau am selben Tag, an dem wir die New York Stock Exchange (Nyse) besuchten, ein Vollblut-Innovator den Börsengang eines seiner Ventures zelebrierte: Richard Branson brachte seine Zukunftsvision namens Virgin Galactic an die Börse – ein Unternehmen, dass in der Zukunft Weltraumflüge für Touristen anbieten möchte!Walter Liebe, Pictet Asset Management Zuletzt erschienen: Die Energiewende erreicht immer mehr Industriezweige (94), Metzler Capital Markets Schwellenländer-Corporates besser als ihr Ruf (93), Vontobel Asset Management Bei Wandelanleihen wird die Konvexität zur Fleißarbeit (92), DWS