Nicht alle Fintechs überzeugen

Berenberg empfiehlt nur Worldpay, Paysafe, Safecharge und Wirecard zum Kauf

Nicht alle Fintechs überzeugen

Es sind rosige Zeiten für Zahlungsabwickler: Der Trend hin zu Online-Einkäufen sorgt für klingelnde Kassen, dazu kommt Potenzial durch das kontaktlose Zahlen. In den Aktienkursen hat sich das zuletzt aber nicht niedergeschlagen. Berenberg rät zum Differenzieren.amb Frankfurt – Nicht alle im Zahlungsverkehr tätigen Fintechs werden nach Ansicht der Berenberg Bank vom Boom in der Branche profitieren. Analyst Jean Beaubois, der die börsennotierten europäischen Fintechs in einer Studie untersucht hat, rät nur bei Worldpay, Paysafe, Safecharge und Wirecard zum Einstieg. Bei Gemalto und Ingenico wird der Verkauf empfohlen, Tememos und Worldline werden auf “Hold” gestuft.Die Branche habe weiter enormes Wachstumspotenzial, heißt es, denn immer noch würden 70 % der Zahlungen in Europa bar abgewickelt. Ein Pluspunkt für die Unternehmen sei zudem der extrem hohe Gewinnhebel. Worldpay zufolge lägen die Kosten für neue Transaktionen bei nahezu null. Dazu komme die Kundentreue: Liefen die Systeme, blieben die Nutzer den anbietenden Unternehmen in der Regel treu, so werde der Großteil der Umsätze mit langjährigen Kunden gemacht. Kein StandardproduktDoch es gebe auch Herausforderungen: Die Bank zitiert eine Analyse des dänischen Research-Hauses Baymard Institute, nach der 69 % der Online-Kauftransaktionen vor der tatsächlichen Zahlung abgebrochen werden. Sorgen bezüglich der Sicherheit oder verwirrende Erklärungen – das seien die Hauptgründe für den Ausstieg. Für Berenberg heißt das: Anbieter elektronischen Zahlungsverkehrs könnten noch einen Menge tun, um die sogenannte Conversion Rate – die Rate derer, die dann auch tatsächlich kaufen, – zu erhöhen. Möglichkeiten lägen in kürzeren Ladezeiten für die Bezahlseite oder der Akzeptanz möglichst vieler Zahlungsmöglichkeiten. Wem dies gelinge, der könne auch seine Preisvorstellungen durchsetzen.Favorisiert werden in jedem Fall Online-Zahlungsverkehrsabwickler, da das Wachstum wegen des boomenden Online-Geschäfts in diesem Bereich höher ausfallen werde als im herkömmlichen elektronischen Zahlungsverkehr. Diese Unternehmen arbeiteten auch profitabler, die “Abwanderungsraten” seien geringer. Besonders gut gefallen dem Analysten Adressen mit großem Produktportfolio, hier gebe es viele Chancen durch Cross Selling. Doch auch Erfahrungen im Offline-Zahlungsverkehr werden begrüßt. Wachstum on- und offlineIn einer Erstbeurteilung wird der Zahlungsverkehrsabwickler Worldpay auf “Buy” gestuft mit einem Kursziel von 327 Pence (aktuell 264 Pence). Das britische Unternehmen, das Bezahldienste vorwiegend für den Onlinehandel anbietet und 2010 aus der Royal Bank of Scotland hervorgegangen war, werde stärker wachsen als vom Markt erwartet. Worldpay verfüge über hohe Preissetzungsmacht und profitiere sehr von steigenden Transaktionen. Auch für den Offline-Bereich wird Wachstum prognostiziert, vor allem wegen der steigenden Bedeutung des kontaktlosen Bezahlens, das den Trend weg von der Bezahlung in bar noch verstärken werde. Gut kommt auch der Unternehmensbereich Worldpay Global eCom an, in dem große und schnell wachsende internetbasierte Unternehmen betreut werden. Für den Gewinn je Aktie bis 2018 werden 4,96, 10,15 und 14,90 Pfund erwartet. Worldpay war erst im Oktober 2015 an die Börse gegangen, zu einem Kurs von 240 Pence. Pfund-Anleger kommen somit auf ein kleines Plus, Euro-Anleger wegen der Pfund-Schwäche allerdings auf ein kleines Minus.Ebenfalls zum Kauf empfohlen werden die beiden britischen Unternehmen Paysafe (Kursziel 477 Pence, aktuell 370 Pence) und Safecharge (Kursziel 324 Pence, aktuell 238 Pence) sowie Wirecard (Kursziel 53,40 Euro, aktuell 40,92 Euro) aus Aschheim bei München. Die Gewinnschätzungen für Paysafe werden für die Jahre 2016 bis 2018 um 2,1 %, 2,7 % und 2,4 % erhöht auf jetzt 0,39, 0,44 und 0,50 Dollar je Aktie, für Safecharge aber um 0,2 %, 1,6 % und 3 % reduziert auf 19,04, 24,17 und 30,17 Dollar.Bei Wirecard sieht die Berenberg Bank nach den Kursverlusten Anfang des Jahres eine interessante Einstiegsgelegenheit. Das Unternehmen sei einer der am besten positionierten Zahlungsverkehrsabwickler, werde vom Marktwachstum profitieren und Anteile dazugewinnen. Vorteile seien die große Produktpalette, der Schwerpunkt auf E-Commerce und die internationale Aufstellung. Angesichts der Dynamik des Geschäftsmodells sei die Prognose bezüglich der Nutzungsgebühren wohl zu konservativ. Die Gewinnschätzungen je Aktie bleiben bei 1,76, 2,13 und 2,54 Euro für 2016 bis 2018. Im Februar waren im Internet Betrugs- und Geldwäschevorwürfe gegen Wirecard erhoben worden, die Aktie brach um ein Viertel ein. Wirecard hat die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen. Die Finanzaufsicht BaFin sieht nun Anzeichen dafür, dass die Aktien manipuliert wurden. Schon angemessen bewertetWorldline aus Frankreich wird unterdessen von “Sell” auf “Hold” hochgestuft und das Kursziel von 19,40 auf 24,40 Euro (aktuell 26,09 Euro) erhöht. Der Analyst rechnet damit, dass sich die Beschleunigung des Umsatzwachstums wegen des erwarteten Booms beim kontaktlosen Bezahlen fortsetzen wird. Nicht zuletzt wird die Übernahme des niederländischen Zahlungsverkehrsdienstleisters Equens begrüßt. Das auf Bankensoftware spezialisierte Schweizer Softwareunternehmen Tememos wird hingegen von “Buy” auf “Hold” zurückgestuft, das Kursziel bleibt bei 51 sfr (aktuell 52,30 sfr). Zwar wird das Unternehmen weiterhin positiv beurteilt, das Kursziel sei aber schon erreicht. Zudem würden die Vergleichszahlen nun schwieriger, und die Bankenbranche befinde sich in keiner guten Verfassung.Der niederländische Chip- und Magnetstreifenkartenhersteller Gemalto wird weiter auf “Sell” gestuft, das Kursziel wird leicht von 59 auf 58 (aktuell 55,14) Euro gesenkt. Kritisiert wird vor allem die fehlende Diversifikation, die Ebit-Schätzungen des Managements für 2017 seien unrealistisch. Ebenfalls abgeraten wird vom französischen Anbieter von elektronischen Terminals und Zahlungsverkehrslösungen Ingenico (“Sell”). Als Kursziel werden 84,50 Euro genannt, deutlich unter der aktuellen Notierung von 101,65 Euro. Ingenico sei ein Qualitätsunternehmen, die Zahlen verschlechterten sich aber. Liebling der AnalystenDie Wirecard-Aktie, die seit März um 30 % gestiegen ist und damit einen Teil der Verluste bereits wieder wettmachen konnte, wird von vielen Analysten empfohlen: Allein im Mai rieten das Bankhaus Lampe, Hauck & Aufhäuser, Oddo Seydler, Commerzbank, Baader Bank und BNP Paribas zum Einstieg, Goldman Sachs setzt die Aktie sogar auf ihre “Conviction Buy”-Liste. Lampe (Kursziel 54 statt 52 Euro) zufolge ist der Zahlungsabwickler gut ins neue Jahr gestartet, das Wachstum werde sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt beschleunigen. Hauck & Aufhäuser hat am Mittwoch die Einstufung “Buy” mit einem Kursziel von 62,50 Euro bestätigt, vor allem wegen der Unternehmensziele für 2020.Die Commerzbank votiert ebenfalls mit “Buy” (Kursziel 55 Euro). Der Zahlungsabwickler verfüge dank seiner starken Produktpipeline über einen intakten Fahrplan hin zu weiterem Wachstum, die mittelfristigen Markterwartungen könnten steigen. Laut Baader Bank (“Buy” mit Kursziel 53 Euro) verdeutlichen die für 2020 gesteckten Unternehmensziele die soliden strukturellen Wachstumstreiber. Oddo Seydler (“Buy”, Kursziel 45 Euro) spricht von “imposanten” Unternehmenszielen, die Analysten sehen sich in ihrer positiven Einschätzung bestätigt.