LEITARTIKEL

Niedrige Bondrenditen voraus

Für dieses Jahr hatte sich so mancher Akteur an den europäischen Märkten für Staatsanleihen, allen voran bei den Bundespapieren, auf einen Gezeitenwechsel hin zu höheren Renditen eingestellt. Ohne Frage hat sich der Markt von den Renditetiefständen,...

Niedrige Bondrenditen voraus

Für dieses Jahr hatte sich so mancher Akteur an den europäischen Märkten für Staatsanleihen, allen voran bei den Bundespapieren, auf einen Gezeitenwechsel hin zu höheren Renditen eingestellt. Ohne Frage hat sich der Markt von den Renditetiefständen, die er im Vorjahr markiert hatte, mittlerweile abgesetzt. Aber die kühnen Prognosen, die im zehnjährigen Laufzeitenbereich der Bundestitel schon wieder die Eins vor dem Komma sahen, haben sich beileibe noch nicht bewahrheitet, und der Markt ist davon auch noch ein gutes Stück weit entfernt. Im historischen Kontext muss darüber hinaus festgehalten werden, dass die Renditen der Staatspapiere derzeit immer noch sehr, sehr niedrig sind. Im Wesentlichen sind es momentan vier Faktoren, die den Markt weiterhin unter Druck halten, also dafür sorgen, dass ein Aufwärtsdruck bei den Renditen immer wieder abgebremst wird bzw. letzten Endes ausbleibt.Erstens: Die Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Viele hatten sich auf eine sehr viel restriktivere Gangart in diesem Jahr eingestellt, nicht zuletzt wegen des US-Präsidenten Donald Trump, das heißt seiner vollmundigen Ankündigungen in Sachen Wirtschaftspolitik. Vom großen Reflation Trade nicht zuletzt aufgrund der Infrastrukturprogramme und der Steuererleichterungen für Unternehmen und private Haushalte war über Monate die Rede. Doch davon ist derzeit nicht mehr viel übrig. Deshalb muss die Fed auch nicht mehr mit geldpolitischen Maßnahmen wie Leitzinserhöhungen gegensteuern. Im Gegenteil: Was zum Jahresanfang kaum einer für möglich gehalten hätte, ist seit Mitte Juli Realität. Die Fed nimmt das Tempo aus den Zinsanpassungen. Fed-Chefin Janet Yellen hat den Märkten klar signalisiert, dass der Leitzins “nicht mehr allzu weit” steigen müsste, damit eine neutrale Rate erreicht wird, die die Volkswirtschaft der USA im Gleichgewicht hält. In diesem Jahr wird der US-Leitzins vielleicht noch einmal angehoben – das ist die gängige Marktmeinung. Gegen Jahresende dürfte es wohl so weit sein, wenn die Inflation mitspielt, das heißt die Teuerung in den USA anspringt. Ansonsten könnte die Fed noch weiter abwarten. Für eine solche Vorsicht ist die Fed bekannt. Diese langsamere Gangart der amerikanischen Währungshüter mildert auch den Anpassungsdruck bei den Bondrenditen nach oben ab. Das wirkt über den US-Anleihemarkt auch hierzulande.Zweitens: Die Anleihekaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigen weiterhin Wirkung. Die EZB und die nationalen Notenbanken aus dem gemeinsamen Währungsraum sind weiterhin mit Käufen aktiv. Das hält die Renditen der betreffenden Bonds in Schach. Zu sehen ist das etwa bei den Kurzläufern. Zweijährige Bundesschatzanweisungen liegen tief im negativen Bereich. Da die EZB mindestens bis zum Ende dieses Jahres kaufen wird und sich auch danach nur sehr, sehr langsam aus den betreffenden Märkten zurückziehen wird, dürfte das Quantitative Easing der europäischen Währungshüter noch sehr lange an den Märkten Nachwirkungen in Form niedriger Renditen zeigen.Drittens: Ein neuer Aspekt ist jüngst über die Bank of Japan am Anleihemarkt hinzugekommen. Viele Marktteilnehmer waren davon ausgegangen, dass es bei einem Rückzug der Notenbank zu sprunghaften Anstiegen der Renditen kommen könnte. Und es könnte genau dieser Renditeanstieg sein, der letzten Endes Kursverluste der jeweiligen Anleihen bedeutet, der den Marktteilnehmern dann kräftig zu schaffen macht. Das haben nun auch die japanischen Zentralbanker verstärkt im Blick. Sie setzen die Käufe an den Bondmärkten fort, um genau diese Renditeanstiege abzufedern bzw. im Keim zu ersticken. Die Bank of Japan betreibt an den Märkten eine klare Feinsteuerung der Renditen. Und es gibt die ersten Stimmen in Europa, die so etwas auch an den europäischen Rentenmärkten durchaus für realistisch halten. Mit anderen Worten: Die EZB muss mit Käufen von Anleihen ihren eigenen Ausstieg aus den Anleihekäufen schonend gestalten. Mal sehen, was daraus wird.Viertens: Die meisten Akteure haben sie nicht auf dem Zettel – die sogenannten Real Money Accounts wie Versicherer und Pensionsfonds. Sie leben nun seit vielen Jahren mit historisch niedrigen Renditen und Minuszinsen mit entsprechenden Folgen. Dazu gehört etwa, dass sie Garantiezinsen nicht mehr halten konnten. Sollten sie wirklich einmal wieder höhere Renditen im risikolosen Bereich einstreichen können, werden sie zweifelsohne kräftig zugreifen. Diese Käufe werden dazu führen, dass die Renditeanstiege spürbar abgebremst werden. Alles in allem bedeutet das: Ein drastischer Anstieg der Renditen zeichnet sich nicht ab.——–Von Kai JohannsenDeutlich höhere Bondrenditen sind nicht in Sicht. EZB-Käufe, eine langsamere Gangart bei der Fed und Käufe von Versicherern und Pensionsfonds bremsen ab.——-