VOLATILITÄTS-CHECK - GASTBEITRAG

Niedrige Volatilitäten Folge des "Zentralbank-Puts"?

Börsen-Zeitung, 9.6.2016 Die Notenbanken standen in den vergangenen Monaten im besonderen Fokus der Börsen. Die Europäische Zentralbank senkte im März ihren Leitzins auf ein Rekordtief von 0,0 % und erhöhte den Strafzins für Einlagen von...

Niedrige Volatilitäten Folge des "Zentralbank-Puts"?

Die Notenbanken standen in den vergangenen Monaten im besonderen Fokus der Börsen. Die Europäische Zentralbank senkte im März ihren Leitzins auf ein Rekordtief von 0,0 % und erhöhte den Strafzins für Einlagen von Geschäftsbanken auf minus 0,4 %. Zudem weitete sie ihr Anleihenkaufprogramm – sowohl vom Volumen als auch vom Emittenten-Universum – aus und kündigte ein neues Kreditprogramm für Banken mit einem Zins von 0,0 % an. Die Federal Reserve ließ ihre Geldpolitik im bisherigen Jahresverlauf unverändert, korrigierte jedoch ihre Prognose für das erwartete Tempo zukünftiger Zinsschritte nach unten. Die People’s Bank of China senkte im März den Mindestreservesatz für Geschäftsbanken.In der unmittelbaren Folge dieser Entscheidungen tendierten die impliziten Volatilitäten, also die vom Markt erwarteten Preisschwankungen der Basiswerte von Optionen, in den meisten Märkten deutlich unterhalb ihrer historischen Durchschnittswerte. Am geringsten fällt dieser Abstand in Europa aus: Hier beträgt die Differenz zwischen dem Zehnjahresmittelwert des VDax New, der die implizite Volatilität von Optionen auf den Dax widerspiegelt, und seinem aktuellen Kurs gut einen Volatilitätspunkt. Deutlich stärker fallen die Abweichungen bei den amerikanischen Indizes aus. Der VIX, der die implizite Volatilität von Optionen auf den S & P 500 misst, notiert derzeit Zeit sechs Punkte unter seinem Zehnjahresdurchschnitt (von rund 20 Volatilitätspunkten). Beim Volatilitätsindex des Nasdaq 100 beträgt diese Differenz fünf Volatilitätspunkte. In Asien wird der VHSI, der die zukünftigen Schwankungen des Hang Seng Index prognostiziert, immerhin drei Volatilitätspunkte niedriger gehandelt als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.Die aktuellen Volatilitätsniveaus suggerieren in allen Regionen, dass die Notenbanken mit dauerhaft niedrigen oder sogar negativen Zinsen sowie noch mehr billigem Geld für weiterhin geringe Schwankungen an den Aktienmärkten sorgen werden. Bedeutet dies auch, dass Anleger ihre Portfolien weniger mit Put-Optionen absichern, da sie fest davon ausgehen, den kostenlosen “Zentralbank-Put”, früher auch als Greenspan-Put oder Bernanke-Put bekannt, im Depot zu haben? Ist die Nachfrage nach Put-Optionen an den Derivatebörsen daher gegenwärtig so gering? Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Volatilität in Zukunft bei jeder Straffung der Geldpolitik einer der großen Notenbanken zwingend ansteigen muss?Zumindest aktuell sorgen die Zentralbanken mit ihrer Politik des billigen Geldes tatsächlich für verringerte Schwankungen. Ob die aktuellen Volatilitätsniveaus dabei die tatsächliche Situation oder eine “trügerische” Sicherheit widerspiegeln, wird erst die Zukunft zeigen. Ebenso ob die ultralockere Geldpolitik auch künftig für eine stabile Kursentwicklung an den Aktienmärkten sorgt, Anleger vor Verlusten bewahrt und damit tatsächlich etwaige Portfolioabsicherungen überflüssig macht. Begrenzte WirkungsdauerWomöglich ist diese Gemengelage aus Niedrigzinspolitik und niedrigen Volatilitäten nur die Ruhe vor dem Sturm. Hinterfragen sollten Anleger, welche Instrumente den Zentralbanken nun bleiben, um ihre Geldpolitik bei Bedarf noch expansiver zu gestalten. Trotz geldpolitischer Maßnahmen der Namensgeber des Greenspan- und Bernanke-Puts haben sich die Volatilitätsindizes in der Vergangenheit nach unterschiedlich langen Zeiträumen immer wieder ihren langfristigen Durchschnittswerten angenähert. Dass sich diese langfristigen Durchschnittswerte in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert haben, legt nahe, dass sämtliche “künstliche Eingriffe” – wie etwa eine expansive Geldpolitik – nur eine begrenzte Wirkungsdauer haben.—-Mit diesem Artikel startet die Börsen-Zeitung eine Gastbeitragsserie, in der Experten Volatilitätsthemen kommentieren. —-Thomas Altmann, CFA, Leiter des Portfolio-Managements von QC Partners