GELD ODER BRIEF

Nikola setzt auf die Technologie von anderen

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 25.9.2020 Tesla Motors hat den Markt für Elektromobilität praktisch erschaffen. Der von der Marktkapitalisierung - wenn auch nicht von der Produktion - her größte Automobilkonzern der Welt bedient...

Nikola setzt auf die Technologie von anderen

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtTesla Motors hat den Markt für Elektromobilität praktisch erschaffen. Der von der Marktkapitalisierung – wenn auch nicht von der Produktion – her größte Automobilkonzern der Welt bedient aber praktisch nur ein Segment des Automobilmarktes, nämlich dasjenige für Pkw. Dafür gibt es gute Gründe: Pkw sind vergleichsweise leicht und benötigen daher deutlich weniger Energie zur Fortbewegung als beispielsweise Lastkraftwagen.Dies lässt Raum für Wettbewerber, die darauf hoffen, dass ihnen dasselbe gelingen könnte wie Tesla, nämlich in ganz kurzer Zeit auf eine enorme Marktkapitalisierung zu kommen. Einer dieser Wettbewerber ist das US-Unternehmen Nikola, das die Automobilwelt mit umweltfreundlichen Lastkraftwagen erobern will. Ersteres, also die Erzeugung einer hohen Marktkapitalisierung von bis zu 29 Mrd. Dollar, ist Nikola ohne Zweifel gelungen. Zeitweilig kam Nikola sogar auf eine höhere Marktkapitalisierung als der Autoriese Ford. Marktfähige Produkte hat das 2015 gegründete Unternehmen im Gegensatz zu Tesla und Ford allerdings noch nicht angeboten, obwohl das Unternehmen seit 2016 bereits fünf Modelle ankündigte: den Kleinlaster Nikola NZT, die schweren Lastkraftwagen Nikola One, Nikola Two und Nikola Tre sowie den Nikola Reckless als leichtes Militärfahrzeug. Die mit Elektromotoren ausgerüsteten Fahrzeuge sollen entweder mit Batterien oder über Wasserstoff-Brennstoffzellen mit Energie versorgt werden. Zur Versorgung mit Treibstoff soll es dann noch ein unternehmenseigenes landesweites Netz an Wasserstoff-Tankstellen geben. Prototypen für die Fahrzeuge gibt es bereits, auch wohl bereits “Pre-orders” für die Fahrzeuge, die aber für die Kunden nicht bindend sind.Das auffällige Missverhältnis zwischen Marktkapitalisierung und der nicht vorhandenen Präsenz auf dem Automobilmarkt macht das Unternehmen natürlich angreifbar. Am 10. September hat der bekannte Aktienleerverkäufer Hindenburg Research schwere Vorwürfe gegen Nikola erhoben und damit einen Kursrutsch ausgelöst. Der Zeitpunkt für die Attacke war gut gewählt, denn nur zwei Tage vorher konnte Nikola bekannt geben, dass General Motors (GM) bei dem Unternehmen einsteigen will. Hindenburg behauptet, dass vom Unternehmen präsentierte Prototypen nicht mit einem von Nikola selbst entwickelten vollständigen und funktionsfähigen Antriebsstrang ausgestattet waren, was Hindenburg für Anlegerbetrug hält. Während Nikola den größten Teil der Vorwürfe umgehend in einer mit großer Sorgfalt formulierten Stellungnahme zurückwies, hat das Unternehmen jedoch einen Teil davon bestätigt, so etwa, dass der im Januar 2018 in einem Youtube-Video gezeigte Prototyp des Nikola One nicht aus eigener Kraft unterwegs war und dass entscheidende Komponenten wie Brennstoffzelle und Elektromotoren fehlten. Inzwischen gibt es eine Untersuchung der Wertpapieraufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC), und der Unternehmensgründer und Executive Chairman Trevor Milton ist zurückgetreten.An die Börse gekommen ist Nikola durch die Hintertür. Im März dieses Jahres wurde die Fusion mit dem notierten Börsenmantel VectoIQ Akquisition Corporation bekannt gegeben, die zu einem Reverse Merger mit Beginn des Handels per 4. Juni wurde. Es ging ein enormer Hype los, der die Aktie binnen weniger Tage in der Spitze auf ein Intraday-Hoch von 93,99 Dollar trieb. Dazu trug bei, dass Nikola nicht nur mit dem Modethema Elektromobilität glänzen, sondern auch die Begeisterung der Anleger am Thema Wasserstoff als umweltfreundlicher Energiequelle bedienen konnte. Inzwischen wird der Titel nur noch zu rund 19 Dollar gehandelt, die Marktkapitalisierung hat sich auf immerhin noch rund 8 Mrd. Dollar reduziert.Hindenburg behauptet letztlich, dass Nikola über praktisch keine eigenen Technologien verfügt. Anleger hatten hingegen darauf gesetzt, dass das Unternehmen eigene Schlüsseltechnologien bei Batterien und Brennstoffzellen zur Verfügung hat. In diesem Zusammenhang ist die “strategische Partnerschaft” mit General Motors interessant, die Nikola ein GM-Investment von 2 Mrd. Dollar bringen soll. Nikola selbst schreibt in der am 8. September veröffentlichten Mitteilung, dass General Motors die “Entwicklung, Validierung, Homologisierung und Produktion” des geplanten gemeinsamen Pick-up-Trucks Nikola Badger übernehme, und zwar sowohl für die elektrische Variante als auch das mit einer Brennstoffzelle ausgestattete Modell. Nikola werde das Ultium-Batteriesystem und die Hydrotec-Brennstoffzellentechnologie von GM nutzen, und GM werde der “exklusive” Lieferant von Nikola für Brennstoffzellen für alle Märkte außerhalb Europas. Damit sieht es danach aus, dass General Motors keine Nikola-Technologien, sondern im Wesentlichen nur der Markenname von Nikola interessiert. Viele KooperationenAuch bei anderen Teilen des geplanten Nikola-Ökosystems kooperiert das Unternehmen mit anderen Unternehmen, die über technologisches Know-how verfügen. So sollen die Wasserstoff-Tankstellen in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Wasserstoffspezialisten Nel entwickelt und in Kooperation mit dem amerikanischen Logistikspezialisten Ryder betrieben werden, der Nikola Tre basiert auf einem Iveco-Lastwagen und erste Prototypen sollen von Bosch gebaut werden.Für das zweite Quartal 2020 kam Nikola auf einen Verlust von 86,6 Mill. Dollar, der im Wesentlichen aus Kosten für Forschung und Entwicklung von 42,5 Mill. Dollar und sonstigen und administrativen Kosten von 44,1 Mill. Dollar stammt. Die Erlöse betrugen 36 000 Dollar und stammten aus dem Verkauf von Solarenergie.Es gibt nur fünf Analysten, die die Aktie auf dem Radarschirm haben. J.P. Morgan und Cowen stufen mit “Overweight” bzw. “Outperform” ein, Deutsche Bank mit “Halten”, RBC Capital Markets mit “Sector Perform”, während Wedbush den Titel jetzt auf “Underperform” heruntergestuft hat.