KREDITWÜRDIG

Noch keine Trendwende bei Unternehmensbonds

Von Michael Klawitter *) Börsen-Zeitung, 16.1.2020 Skeptiker verweisen schon seit längerem darauf, dass die äußerst niedrigen Credit Spreads bei Unternehmensanleihen in der Eurozone und den USA keine adäquate Prämie für die mit einer solchen...

Noch keine Trendwende bei Unternehmensbonds

Von Michael Klawitter *)Skeptiker verweisen schon seit längerem darauf, dass die äußerst niedrigen Credit Spreads bei Unternehmensanleihen in der Eurozone und den USA keine adäquate Prämie für die mit einer solchen Investition einhergehenden Risiken mehr bieten. Trotzdem ist die Stimmung bei Unternehmensanleihen zum Jahresanfang unverändert robust, und die äußerst hohe Emissionstätigkeit in den ersten Wochen des neuen Jahres wurde problemlos absorbiert. Die Bücher in den verschiedenen Segmenten des Creditmarkts sind deutlich überzeichnet, anfängliche leichte Spreadausweitungen wie z. B. bei Senior-Bankanleihen aufgrund deutlicher Neuemissionsprämien werden schnell wieder als Kaufgelegenheiten wahrgenommen, und Sekundärmarktspreads engen sich erneut ein. Offensichtlich ist der Anlagebedarf bei Investoren zum Jahresstart äußerst hoch. Der leichte Anstieg des Zinsniveaus seit Ende Dezember schürt die Nachfrage zusätzlich. Denn nach dem massiven Renditerückgang ab Juni vorigen Jahres bietet sich nun zum ersten Mal seit langem für Investoren wieder die Möglichkeit, ihre (positiven) Zielrenditen zu erreichen. Nur kurze BremsspurenWie stabil die Marktstimmung bei Credit aktuell ist, unterstreicht auch, dass die Zunahme der geopolitischen Spannungen in der Golfregion zum Jahresanfang nur bei Aktien und nicht bei Unternehmensbonds zeitweilige Bremsspuren hinterlassen hat. Offensichtlich wird der Konflikt zwischen den USA und dem Iran vor allem als politisches Thema wahrgenommen, ohne direkte Auswirkungen auf die Weltkonjunktur und Kreditrisiken. Solange es nicht zu einem offenen und anhaltenden militärischen Konflikt kommt, der über steigende Ölpreise die Weltwirtschaft belasten würde, dürfte diese Wahrnehmung weiter Bestand haben.Auch jenseits des Persischen Golfs bleibt zwar die Geopolitik mit Themen wie Nordkorea, Hongkong, den US-Wahlen oder auch den Verhandlungen der EU mit Großbritannien über ein Freihandelsabkommen ein Minenfeld, doch sollte die Risikowahrnehmung allenfalls nur temporär ansteigen, solange das Grundbild einer nach der Abschwächung 2018/2019 stabilisierten und sich nun zögerlich verbessernden Weltkonjunktur in den kommenden Monaten Bestand hat. Die Unterzeichnung des Phase-1-Handelsabkommens zwischen den USA und China in dieser Woche am 15. Januar ist dafür ein wichtiger Schritt. Vor den US-Präsidentschaftswahlen im November dürfte selbst Trump zögern, den Burgfrieden zu brechen, denn in dem Fall könnten erneute Konjunktursorgen seine Wiederwahl gefährden. Fehlender InflationsdruckZusammen mit einer leicht expansiven Fiskalpolitik in den USA und der Eurozone scheinen damit die Konjunkturrisiken begrenzt, auch weil die Weltkonjunktur von den mit Verzögerung wirkenden expansiven geldpolitischen Impulsen etwas Rückenwind erhält. Angesichts des fehlenden Inflationsdrucks auf beiden Seiten des Atlantiks bleibt eine Wende der Geldpolitik auf lange Sicht unwahrscheinlich, und vorteilhafte Refinanzierungskosten sollten zusätzlich helfen, die Ausfallquoten bei Unternehmensanleihen weiter auf historisch niedrigen Niveaus zu halten. Dies gilt vor allem für die Eurozone, wo sich zwar die Verschuldungskennzahlen von Unternehmen in der Kernunion begonnen haben etwas zu verschlechtern, doch weiterhin keinen Grund zu ernsthafter Sorge geben.Die Hauptschlussfolgerung daraus ist, dass es trotz der niedrigen Spreads bei Unternehmensanleihen für eine Abkehr von diesem Marktsegment weiterhin zu früh ist. Nachdem sich Investoren 2019 vor allem auf die defensiven Sektoren im Markt konzentrierten, erscheint angesichts der verringerten Makrorisiken nun ein Fokus auf Zykliker wie Automobilhersteller, aber auch Senior-Bankanleihen ratsam, die vergleichsweise noch höhere Spreadaufschläge bieten. Stabiles MarktumfeldJenseits von Konjunktur und Ausfallquoten spricht auch die im Vergleich zu 2019 voraussichtlich rückläufige Neuemissionstätigkeit bei Unternehmensanleihen für ein stabiles Marktumfeld. Laut Schätzungen sollten die Euro-Nettoneuemissionen (Investment Grade ex Banken) dieses Jahr um bis zu 30 % zurückgehen, auch wenn die Schätzungen volatil sind. Zwar wäre auch nach einem solchen Rückgang das Volumen im historischen Vergleich weiterhin recht hoch, es muss aber in Bezug zu den erneuten Nettokäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) gesetzt werden. Von den gesamten Nettokäufen der EZB in Höhe von 240 Mrd. Euro in diesem Jahr sollten etwa 40 bis 50 Mrd. Euro auf Unternehmensanleihen entfallen, was die Nettoemissionen, die von klassischen Investoren absorbiert werden müssen, nochmals erheblich drückt.Ein Stimmungsumschwung bei Credits in den kommenden Monaten erscheint damit unwahrscheinlich, solange sich das Makroumfeld nicht deutlich zum Schlechteren wendet. Es spricht sogar einiges dafür, dass die Nachfrage nach Investment-Grade-Unternehmensanleihen jenseits der EZB zunehmen wird. Denn bei fast allen Investoren setzt sich der Trend fallender ordentlicher Zinserträge angesichts der Fälligkeiten der alten Hochkuponanleihen in den Portfolios fort. Lagen zum Beispiel die Kupons von zehnjährigen deutschen Länderanleihen, die 2010 begeben wurden, im Durchschnitt noch bei 3,5 %, reduzierte sich der Kupon in den Folgejahren deutlich (1 % 2015) und steht aktuell eher bei knapp 0,25 %. Zwar ist diese Entwicklung nichts Neues, doch wurde sie in einer Phase fallender Renditen von deutlichen Kursgewinnen bei Anleihen abgefedert. Nachfrage sollte steigenEin solches Szenario erscheint 2020 unwahrscheinlich, so dass die Notwendigkeit bei vielen Investoren, ihr Investitionsuniversum zu verbreitern, um die Ertragskraft des Anleiheportfolios zu stärken, zugenommen hat. Die Nachfrage nach Unternehmensanleihen sollte also selbst ohne Berücksichtigung der Nettokäufe der EZB eher zunehmen. Das Bild für dieses Marktsegment bleibt konstruktiv. Jenseits einer deutlichen Verschlechterung des Wachstumsumfelds dürfte damit das Hauptrisiko vor allem ein schneller Renditeanstieg sein. Dieser würde angesichts der niedrigen Spreads und der in den vorigen Jahren gestiegenen Duration der Anleihen schnell zu Verlusten führen. Gerade Investoren, die erst in der Spätphase der Rally den Creditmarkt für sich “entdeckt” haben, könnten recht schnell ausgestoppt werden und verkaufen müssen. Hohe Longpositionen bei Unternehmensbonds im stark expandierten ETF-Markt könnten den Verkaufsdruck noch verstärken. Angesichts der hohen Bruttoanleihekäufe der EZB und des moderaten Wachstums- und Inflationsbilds sollten Sorgen vor höheren Renditen aber nicht überbewertet werden. Als Hauptgrund, dem Unternehmensanleihemarkt schon jetzt den Rücken zuzuwenden, taugt das Argument zumindest kaum. *) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.