Noch mehr Pharma im Index
Der Schweizer Pharmariese Novartis prüft laut der Schweizer Presse einen Verkauf der Beteiligung an Wettbewerber Roche. Dies hätte auch für die Indexzusammensetzung am Schweizer Aktienmarkt erhebliche Folgen.Von Daniel Zulauf, ZürichManchmal sind ausrangierte Klamotten hochmodern, wenn sie nach Jahren im Schrank wieder ans Tageslicht kommen. So geht es bisweilen auch auf dem Markt der Finanznachrichten. Nach einem bislang unwidersprochenen Bericht des Schweizer Blatts “Sonntagszeitung” soll der Verwaltungsrat des Pharmariesen Novartis mit höchster Priorität den Verkauf seiner Roche-Beteiligung prüfen.Dass Novartis den 33,3 %-Anteil am Lokalrivalen irgendwann wieder loswerden möchte, war eigentlich schon ab dem Tag zu erwarten gewesen, als der ehemalige Novartis-Chef Daniel Vasella dieses Aktienpaket vor über 15 Jahren erworben hatte. Schließlich hatte Roche seinen Plänen für eine große Pharmahochzeit am Rheinknie unverzüglich und unmissverständlich eine Absage erteilt. Bewegung in InhaberaktienJetzt könnte das längst fällige Verkaufsszenario also endlich wahr werden, obschon darüber vorerst nur spekuliert wird. Die Frage stellt sich, für wen es welche Konsequenzen hätte. Für Roche selber würde ein Wechsel der Paket-Eigentümer vermutlich nicht allzu viel Veränderung bedeuten. Die Mehrheit der stimmberechtigten Inhaberaktien scheint bei den Erben der Gründerfamilien gut aufgehoben zu sein. Das letzte Wort an der Aktionärsversammlung gehört deshalb immer den Roche-Erben, egal, wo die übrigen Titel liegen. Hingegen könnte sich das Gesicht der Schweizer Börse verändern, wenn ein Drittel der Roche-Inhaberaktien im aktuellen Wert von über 13 Mrd. sfr plötzlich aus dem Gefrierschrank wieder zurück in den Handel finden.Ob es so weit kommt, ist zwar eine offene Frage, denn noch weiß man viel zu wenig darüber, wie und wann Novartis ihre über 50 Millionen Roche-Titel placieren will. “Einfach wäre eine Aktienplacierung in dieser Größenordnung sicher nicht”, sagt Marc Hänni, Leiter des Aktiengeschäftes bei der Zürcher Bank Vontobel. Um die nötige Anzahl Investoren zu finden, müsste Novartis weite Wege gehen, und wahrscheinlich wäre eine breit angelegte Aktienplatzierung auch nur unter Inkaufnahme eines Preisabschlages zum aktuellen Marktwert möglich, glaubt Hänni. In diese Richtung deutete gestern auch die Marktreaktion. Die Roche-Papiere notierten in Kenntnis der Spekulation um 0,4 % (Inhaber) und um 1,2 % (Genussschein) tiefer. Umfeld weniger attraktivDas Stimmrecht auf der Aktionärsversammlung, für das die Investoren vor 15 Jahren noch bereit waren, eine Prämie zu zahlen, hat im aktuellen Marktumfeld nur noch einen geringen Stellenwert, sagt Hänni unter Verweis auf das weniger attraktive Umfeld der Branche.Eine breite Streuung der Roche-Titel hätte aber auch für die Schweizer Börse als Ganzes potenziell große Auswirkungen. So sind die Inhaberpapiere von Roche bislang vom Gesamtmarkt-Index, dem sogenannten Swiss Performance Index (SPI), ausgeschlossen – anders als die Roche-Genussscheine. Als Bedingung für die Aufnahme eines Titels in den SPI stipuliert die Indexkommission der Schweizer Börse einen minimalen Streubesitz von 20 %. Im Fall der Inhaberpapiere von Roche beläuft sich der sogenannte Free Float derzeit nur auf 16,5 %. Unter Annahme einer breiten Streuung der Anteile würde der Free Float auf 49,8 % steigen, und die Titel hätten das Aufnahmekriterium erfüllt und könnten in den SPI einziehen. Bei einem Marktwert von rund 40 Mrd. sfr würden die Roche-Inhaberpapiere mit einem Schlag rund 3 % des Gesamtmarktes repräsentieren und das Gewicht der Pharmabranchen in den einschlägigen Schweizer Aktienindizes entsprechend erhöhen. Zurzeit repräsentieren Nestlé, Novartis und Roche, gemessen an der Marktkapitalisierung die drei größten Titel an der Schweizer Börsen, fast exakt 50 % des Marktwertes aller 209 im SPI gelisteten Aktien. Neuaufnahmen in den SPI gibt es viermal jährlich – die nächste wäre im Juni fällig.Noch extremer wäre der Effekt im Swiss Market Index (SMI), der die 20 größten Titel der Schweizer Börse repräsentiert. In diesem Index haben drei Schwergewichte schon heute ein Gewicht von 60 %, und dieser Vorsprung könnte auf bis zu zwei Drittel steigen, wenn zusätzlich zu den Roche-Genussscheinen auch noch die Inhaberpapiere aufgenommen würden. So schnell wird es freilich nicht so weit kommen, denn die Auswahlrunde für den SMI findet nur einmal jährlich statt. SMI liegt weit zurückDer Basler Finanzmarktprofessor Heinz Zimmermann plädiert dafür, sich mit dem Szenario einer weiteren Konzentration des Index auf die Pharmabranche schon heute zu beschäftigen. “Institutionelle Investoren sind mit der Zusammensetzung des SMI wirklich nicht zufrieden”, weiß Zimmermann. Der Index vermöge zwar die effektiven Größenverhältnisse am Schweizer Aktienmarkt zu spiegeln, aber als Benchmark für ein strategisches Aktienportefeuille, das diversifiziert sein will, sei der Index denkbar ungeeignet. Damit der SMI aber überhaupt ernstzunehmende Konkurrenz erhalte, seien neue Absicherungsprodukte an den Derivatemärkten nötig. Der am besten diversifizierte Schweizer Aktienindex, der SPI-Extra, hat in den vergangenen zehn Jahren rund 74 % an Wert zugelegt, während der SMI in der gleichen Zeit stagniert hat.