TECHNISCHE ANALYSE

Nochmals negative Bundrenditen?

Von Jörg Scherer *) Börsen-Zeitung, 9.1.2019 Im letzten Quartal des Jahres 2018 kam es bei der zehnjährigen Rendite in den USA zu einer dramatischen 180-Grad-Wende. Diese Entwicklung ließ zum Ende des vergangenen Jahres Diskussionen um eine...

Nochmals negative Bundrenditen?

Von Jörg Scherer *)Im letzten Quartal des Jahres 2018 kam es bei der zehnjährigen Rendite in den USA zu einer dramatischen 180-Grad-Wende. Diese Entwicklung ließ zum Ende des vergangenen Jahres Diskussionen um eine “inverse Zinsstrukturkurve” aufflammen. Beide Einflussfaktoren dürften 2019 für einen gleichermaßen spannenden wie herausfordernden (Renten-)Jahrgang sorgen.Das ganze Dilemma bringt der Monatschart der zehnjährigen US-Rendite auf den Punkt. Im September 2018 gelang der Sprung über den Kreuzwiderstand aus den Hochs vom Jahresultimo 2012/13 bei 3,04 % und dem seit Anfang der 1980er Jahre bestehenden Baisse-Trend (aktuell ebenfalls bei 3,04 %). Nicht nur, dass damit der langfristige Abwärtstrend zu den Akten gelegt wurde, gleichzeitig lag – definiert durch die historischen Zinstiefs vom Juli 2012 (1,38 %) und vom Juli 2016 (1,32 %) – ein großer Doppelboden vor. Fehlausbruch mit FolgenIm Fußball ist diese Ausgangslage am ehestens vergleichbar mit einer Situation, in welcher der Stürmer allein auf das leere Tor zuläuft, den Ball aber dennoch danebenschießt. Für den ausbleibenden Torjubel sorgte im charttechnischen Sinn, dass die 200-Monats-Linie (aktuell bei 3,18 %) den Zinsanstieg in der Folge bereits ausbremste. In Schlagdistanz zu dieser Hürde wurden ein “Tweezer Top” mit deckungsgleichen Monatshochs sowie ein “Bearish Engulfing” ausgeprägt. Die beiden negativen Candlestick-Muster waren dann der Wegbereiter für das Rebreak der Nackenzone des Doppelbodens sowie den Rückfall in den langfristigen Abwärtstrend. 2,4 Prozent als Ziel?Technische Analysten wissen solche versagenden Kursmuster besonders zu schätzen. Als Konsequenz aus einem solchen Fehlausbruch ergeben sich häufig Positionsschieflagen, deren Bereinigung oftmals dynamische Bewegungsimpulse in die entgegengesetzte Richtung nach sich ziehen. Dieses Verhaltensmuster schlägt sich sogar in einer eigenen Tradingweisheit nieder: “False breaks are followed by fast moves!” Begünstigt wird ein Zinsrückgang in den USA durch den Bruch des steilen Aufwärtstrends seit Sommer 2016. Für ein Ausrufezeichen hinter unserem Szenario eines “erneuten Zinsrutsches” sorgt der inzwischen realisierte Rutsch unter die Jahreshochs von 2016 und 2017 bei 2,64/ 2,63 %. Damit rücken die verschiedenen Hoch- und Tiefpunkte der letzten zehn Jahre bei rund 2,40 % als nächster wichtiger Rückzugsbereich wieder auf die Agenda. Als Worst Case sehen wir ein Wiedersehen mit dem zyklischen Tief vom September 2017 (2,02 %) an. Klare BotschaftWas bedeutet die Entwicklung jenseits des Atlantiks für unseren heimischen Rentenmarkt? Um diese Frage zu beantworten, möchten wir zunächst den Halbjahreschart des Euro-Bund-Future auf den Prüfstand stellen. Diese gleichermaßen hohe wie selten analysierte Zeitebene macht den Blick für das Wesentliche frei. So tritt unser heimisches Rentenbarometer seit Jahren per saldo auf der Stelle. Die letzten Sechsmonatskerzen weisen allesamt kleine Kerzenkörper auf, womit eine gewisse Richtungslosigkeit dokumentiert ist. Während dieses Verhaltensmuster 2016/17 eher auf eine Konsolidierung hindeutete, messen wir den kleinen Kerzenkörpern aktuell einen “bullishen” Charakter bei. Schließlich verfügt die Kerze des ersten Halbjahres 2018 über eine markante Lunte, während die jüngste Sechsmonatskerze ein lehrbuchmäßiges Hammer-Umkehrmuster darstellt (siehe Chart). Gleichzeitig verblieb die jüngste Schwankungsbreite innerhalb des Pendants der Vorperiode, so dass eine “Inside Candle” entsteht. Ferner bestätigt der beschriebene “Hammer” den seit 2008 bestehenden Haussetrend. Im Sinne des klassischen Leitsatzes “The trend is your friend” entsteht bei nachhaltigen Notierungen oberhalb der Marke von 164,15 nochmals ein prozyklisches Einstiegssignal, denn damit wären die jüngsten beiden Hochs übersprungen und beide Kerzenmuster nach oben aufgelöst. Dazu passt, dass im Erfolgsfall im Monatsbereich gleichzeitig ein Doppelboden – definiert durch die Tiefs vom März und Oktober 2018 bei 156,88/157,33 – sowie eine klassische Korrekturflagge komplettiert wären. Sowohl aus dem Konsolidierungsmuster als auch aus der W-Formation lassen sich Kursziele auf der Oberseite jenseits des bisherigen Allzeithochs bei 168,86 rechtfertigen. So ergibt sich aus der Höhe der unteren Umkehr beispielsweise ein kalkulatorisches (Mindest-)Anschlusspotenzial bis rund 170. Signalgeber nach SüdenSpiegelbildlich muss mit einer rückläufigen Zehnjahresrendite in Deutschland gerechnet werden. Einen Fingerzeig in diese Richtung liefern das “Bearish Engulfing” der Kerze vom vierten Quartal bzw. die markanten Dochte der letzten vier Quartalskerzen. Als Signalgeber nach Süden definieren wir ein nachhaltiges Abgleiten unter die Schlüsselunterstützung aus den letzten Verlaufstiefs bei rund 0,20 %. Dadurch würde eine Schulter-Kopf-Schulter-Formation vervollständigt, deren Abschlagspotenzial sich auf rund 60 Stellen taxieren lässt. Das bisherige Zinstief vom Juli 2016 bei -0,20 % muss demnach keineswegs das Ende der negativen Fahnenstange bedeuten.—-*) Jörg Scherer, Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.