LEITARTIKEL

Not so Sterling

Mit den herkömmlichen Erklärungsmustern für das Geschehen am Devisenmarkt hat sich die Abwertung des britischen Pfunds in den zurückliegenden Wochen nicht zufriedenstellend erklären lassen. Not so Sterling: Auf handelsgewichteter Basis ist die...

Not so Sterling

Mit den herkömmlichen Erklärungsmustern für das Geschehen am Devisenmarkt hat sich die Abwertung des britischen Pfunds in den zurückliegenden Wochen nicht zufriedenstellend erklären lassen. Not so Sterling: Auf handelsgewichteter Basis ist die Währung so stark gefallen wie bislang nur einmal, seitdem das geldpolitische Komitee der Bank of England im Jahr 1997 die Verantwortung für die Geldpolitik übernahm: Ende 2008, als die britische Wirtschaft in Folge der Finanzkrise stärker schrumpfte als andere entwickelte Volkswirtschaften. Damals war der Hintergrund jedem klar. Zuletzt gab es aber keine verheerenden Konjunkturindikationen von der Insel. Auch die Erwartungen an die künftige Zinsentwicklung, die sonst eine große Rolle für die Wechselkursentwicklung spielen, haben sich in dieser Zeit nicht nennenswert verändert – weder auf der Insel noch in der Eurozone oder den Vereinigten Staaten.Mag sein, dass die von Mark Carney, dem Gouverneur der Bank of England, im Sommer geschürten Zinserhöhungsfantasien in den Handelsräumen erst jetzt vollends verpufft sind. Damals hatte es ja noch den Anschein, als würde sich die Lohnentwicklung – und damit der Preisauftrieb – deutlich beschleunigen. Das Pfund galt zum einen als sicherer Hafen, zum anderen wurde angesichts des starken Wirtschaftswachstums ein baldiger Ausstieg aus den geldpolitischen Notstandsmaßnahmen der Finanzkrise erwartet. Die Arbeitsmarktdaten deuteten jedoch schon bald auf eine weit langsamere Gangart hin. Im neuesten Inflationsbericht musste die Zentralbank ihre Prognose für die Teuerungsrate erneut zurücknehmen. Es herrscht zwar Vollbeschäftigung, aber es will und will sich einfach kein Lohnerhöhungsdruck am Arbeitsmarkt einstellen.Vieles spricht dafür, dass Anleger um die Jahreswende bereits damit angefangen haben, einen möglichen Austritt des Landes aus der EU einzupreisen. Premierminister David Cameron hatte im vergangenen Jahr im Wahlkampf versprochen, bis Ende 2017 ein Referendum über die Zukunft des Landes in Europa abzuhalten. Mittlerweile liegen Befürworter und Gegner der Mitgliedschaft in der Staatengemeinschaft in Umfragen gleichauf. Die Unsicherheit ist groß, auch weil die meisten Meinungsforscher sowohl beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum als auch bei den Wahlen im Mai 2015 danebengelegen hatten. Cameron setzt auf eine Einigung auf Reformen beim EU-Gipfel, der am 19. Februar zu Ende geht, und will die britische Bevölkerung offenbar bereits im Juni abstimmen lassen. Mit einem möglichen Termin im Blick lässt sich am Derivatemarkt bereits munter spekulieren. Im Falle eines Votums für einen Austritt dürfte das Pfund unter Druck geraten, vor allem wegen der damit verbundenen Unsicherheit über die künftigen Beziehungen zum größten Handelspartner des Landes.Der Devisenmarkt könnte der Hauptschauplatz der mit einem Brexit verbundenen Volatilität werden. Die Risiken sind schnell umrissen: Seit 1984 hat Großbritannien jedes Jahr mit einem Leistungsbilanzdefizit abgeschlossen. Seitdem es nicht mehr zu den Öl exportierenden Ländern gehört, sind schwache Ausfuhren ein chronisches Problem. Die Regierung hat wenig Möglichkeiten, daran etwas zu ändern.Schwindet erst einmal das Vertrauen der internationalen Anleger in das Vereinigte Königreich, wird es Schatzkanzler George Osborne nicht mehr ganz so leicht fallen, Geld auf den globalen Finanzmärkten aufzunehmen. Allerdings werden Staatsanleihen meist nicht von Daytradern erworben, sondern von langfristig ausgerichteten institutionellen Anlegern wie Lebensversicherern oder Versorgungswerken, die Verbindlichkeiten zu bedienen haben. Mit einem plötzlichen Abverkauf ist hier also nicht zu rechnen.Der britische Aktienmarkt ist für Brexit-Spekulationen aufgrund der globalen Natur der im Blue-Chip-Index FTSE 100 enthaltenen Unternehmen ebenfalls ziemlich ungeeignet. Er spiegelt wegen der internationalen Ausrichtung seiner Unternehmen die Weltwirtschaft besser wieder als das Geschehen auf den britischen Inseln. Und in den kleineren Werten, die auf den britischen Heimatmarkt fokussiert sind, findet nicht viel Börsenhandel statt. Wer im Falle eines Austritts aus der EU gegen die Briten wetten will, wird sich also auf die Landeswährung konzentrieren – wie im Jahr 1992 George Soros, der sich aber derzeit mehr auf Ostasien zu konzentrieren scheint.——–Von Andreas HippinWer im Falle eines Brexit gegen die Briten wetten will, wird sich auf das Pfund konzentrieren.——-