Notenbanken heizen Bondrally an
Dieter Kuckelkorn, FrankfurtErst die Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB), im Nachgang dann Bemerkungen von EZB-Präsident Mario Draghi, die es in sich hatten. Für die Bondmarktakteure war der Donnerstag ein bemerkenswerter Tag. Draghi hat zum einen zu erkennen gegeben, dass weitere Zinsschritte im Bereich des Möglichen liegen. Dann sagte er sogar, man sei technisch bereit, den Einlagensatz, der aktuell bei 0 % belassen wurde, ins Negative zu ziehen. Man sehe sich diese Möglichkeit unvoreingenommen (“with an open mind”) an. Einen Tag zuvor hatte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) erstmals durchblicken lassen, dass sie die quantitativen Maßnahmen der Flutung der Märkte mit Liquidität (“Quantitative Easing 3”) durchaus noch ausweiten könnte. Allzeithoch des Bund-FutureDie von der EZB und der Fed damit klar vorgegebene Richtung nach unten weisender Leitzinsen hat am Donnerstag und Freitag zu einer Rally bei europäischen Staatsanleihen geführt. Der Bund-Future kletterte am Donnerstag auf ein Rekordhoch von 147,20 %, bevor Gewinnmitnahmen und Zurückhaltung vor der Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktzahlen den Bund-Future zum Rückzug zwangen. Am Freitagabend notierte er bei 146,41 %. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stand am Freitag zunächst bei rund 1,19 % – damit ganz knapp über ihrem Allzeittief vom Juli 2012 von 1,126 %. Die besser als erwartet ausgefallenen Arbeitsmarktzahlen haben dann jedoch für Verluste am Bondmarkt geführt. Am Abend stand die Bundrendite bei 1,22 %.Zuvor hatten am Freitag die Renditen zehnjähriger Staatstitel anderer europäischer Länder Rekordtiefs markiert. So rentierten zehnjährige französische Titel zeitweise mit nur noch 1,647 %, österreichische Papiere mit 1,435 % und belgische Bonds mit 1,903 %. Die Verzinsung spanischer Zehnjähriger lag erstmals seit November 2010 unter 4 %.Analysten rechnen mit weiter sinkenden Renditen. So betont Rainer Guntermann von der Commerzbank, die Notenbanken sicherten die Rally bei Renten ab. “Die globalen Konjunktursorgen lassen die Renditen von Bundesanleihen und US-Treasuries weiter fallen, und angesichts der weiterhin sehr expansiven Geldpolitik der Notenbanken ist eine baldige Trendwende nicht absehbar”, betont er. Gute KaufgelegenheitBei den Peripherieländern würden die Risikoaufschläge wohl weiter nachgeben, während aber bei Bundesanleihen eine Konsolidierung wahrscheinlich sei. Rückschläge dürften sich aber weiterhin als Kaufgelegenheiten erweisen, ist er überzeugt. Nach Einschätzung der Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) hat sich beim Bund-Future mit Erreichen seines neuen Allzeithochs das charttechnische Bild etwas aufgehellt. Die freundliche Indikatorlage im Wochenchart stehe weiteren Kursgewinnen nicht entgegen.Anderer Meinung sind allerdings die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Sie werten die Zinssenkung angesichts eines offenbar gestörten Transmissionskanals der Geldpolitik eher als eine “Verzweiflungstat” im Kampf gegen die Rezession. Es handele sich wohl um die letzte Zinsänderung der EZB für lange Zeit, so Oliver Niklasch von der LBBW.Hendrik Lodde, Analyst bei der DZ Bank, erwartet indes, dass die EZB trotz des Wissens um eine nur spärliche Wirkung einer Leitzinssenkung auf die Realwirtschaft in den kommenden drei Monaten ein weiteres Mal auf einen Leitzins von dann 0,25 % senken wird. Trotz Konjunktursorgen und sich verflüchtigender Inflationsängste seien die Renditen am langen Ende jüngst deutlich gefallen. Dieser Trend werde sich in den kommenden Monaten fortsetzen. Lodde glaubt, dass die zehnjährige Bundrendite auf ein Allzeittief von 1 % fallen wird. Für den kommenden Mittwoch wird bereits bei einer Auktion fünfjähriger Bundesobligationen erstmals mit einem Kupon von nur noch 0,25 % gerechnet.