DEVISENWOCHE

Notenbanken im Zielkonflikt

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 10.11.2015 Der am vergangenen Freitag mit Spannung erwartete US-Arbeitsmarktbericht für Oktober hat ein weiteres Mal für eine Neubewertung fast aller Assetklassen gesorgt: Nach der den Konsensus deutlich...

Notenbanken im Zielkonflikt

Von Holger Achnitz *)Der am vergangenen Freitag mit Spannung erwartete US-Arbeitsmarktbericht für Oktober hat ein weiteres Mal für eine Neubewertung fast aller Assetklassen gesorgt: Nach der den Konsensus deutlich übersteigenden Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze sowie der ebenso bedeutenden Revision des Vormonats stellt sich die Frage, ob die Marktteilnehmer dieses monatlich wiederkehrende Ereignis nicht als zu relevant erachten – die Folge des zuerst schwach bewerteten September waren teilweise erratische Kursbewegungen mit ernsthaften Folgen für Vermögenswerte. Der eine oder andere mag sich gewundert haben, ob angesichts der Bedeutung dieses Berichts verlässlichere Statistik nicht ein Bestandteil der Finanzmarktreformen der vergangenen Jahre sein sollte.Ungeachtet dieser (persönlichen) Beobachtung scheint aufgrund des Berichts – der im Übrigen auf andere eher positiv überraschende US-Konjunkturindikatoren folgte – eine Zinserhöhung durch die US-amerikanische Notenbank am 16. Dezember nunmehr so gut wie garantiert. Die Erwartung hierfür liegt gemessen an den Fed Fund Futures nunmehr bei fast 70 %, nachdem sie Mitte Oktober – basierend auf mittlerweile sich als falsch erwiesen habender Daten – auf fast 25 % gefallen war. Mindestens ebenso wesentlich wie die volatile Zahl der neuen Arbeitsplätze ist hierfür die stabilere und nach oben weisende Entwicklung der durchschnittlichen Stundenlöhne. Fed vor ZinsanhebungDie Wochen bis zur nächsten Sitzung des Offenmarktausschusses der Federal Reserve werden durch zwei Fragen bestimmt werden. Ersten: Die bis Freitag eher in Frage gestellte Zinserhöhung hatte in den letzten Wochen zu einer Erholung vieler in diesem Jahr stark gefallener Sektoren geführt. So haben sich die zwischenzeitlich für 2015 im Minus notierenden US-Aktienmärkte erholt, und auch stark in Mitleidenschaft gezogene Währungen von Schwellenländern konnten zuletzt wieder einen Teil des verlorenen Bodens gutmachen. Sollten sich diese kurzfristigen Trends wieder umkehren, weil jetzt eine Zinserhöhung wieder so gut wie feststeht, mag auch dies zu einer nochmaligen Neueinschätzung führen. Seit der Rede von Stanley Fischer, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Fed, in Jackson Hole im August sollte klar sein, dass die US-Notenbank die Wirkung auf andere Volkswirtschaften und die Rückkopplung auf die USA bei ihren Entscheidungen bedenkt. Alle großen Zentralbanken haben einen signifikanten Anstieg der Volatilität als Reaktion auf die Kommunikation ihrer Politik erleben müssen, was die Zielsetzung einer angesichts praktisch nicht vorhandener Inflation in der westlichen Welt nach wie vor notwendigen leichten Geldpolitik konterkariert. EZB vor weiterer LockerungZweitens: Auf dieser Seite des Atlantiks hat die EZB bei ihrer jüngsten Pressekonferenz die Erwartung an eine Ausweitung ihres QE-Programms entfacht. Mit Interesse darf man daher den nächsten öffentlichen Auftritten von Präsident Mario Draghi am Mittwoch in London und anderer führender Vertreter entgegensehen. Spätestens bei der nächsten EZB-Sitzung am 3. Dezember sollten wir mehr erfahren. Die EZB hat inzwischen den Ruf, die Erwartung von Analysten und Händlern zu übertreffen, daher wäre es wenig überraschend, im Vorfeld bereits die gewohnten Marktreaktionen zu sehen: schwächerer Euro, niedrigere kurz- und mittelfristige Renditen sowie steigende Aktien. Die Erfahrung anderer Notenbanken zeigt allerdings, dass die Marktreaktionen auf die Intensivierung einer quantitativen Lockerung bei weitem nicht so stark ausfallen wie bei der Premiere. Nach dem bisher mäßigen Erfolg, die Inflationserwartung in der Eurozone wiederherzustellen, wird es an Kritik nicht fehlen – die Historie lehrt aber auch, dass eine Positionierung gegen die Interessen einer großen Zentralbank nicht ratsam ist.Die Kombination aus Ereignis (US-Arbeitsmarktdaten) und Erwartung weiter divergierender Aktionen der Zentralbanken hat zunächst zu wenig überraschenden Reaktionen geführt: Die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihen stieg auf das höchste Niveau seit dem Frühjahr 2010, in der Folge steht der Spread zu deutschen Titeln mit gleicher Laufzeit nun bei rund 120 Basispunkten und damit auf dem höchsten Stand seit dem Beginn der globalen Finanzmarktkrise 2007. Daran gemessen fiel der Rückgang des Euro zum US-Dollar auf das zuletzt im April gesehene Tief von 1,07 bisher relativ gering aus. Trotz vieler Auf- und Abwärtsbewegungen in diesem Jahr ist die maximale Schwankungsbreite des Wechselkurses 2015 verglichen mit den letzten Jahren mit knapp 17 Cent eher durchschnittlich, aber zwei Monate verbleiben ja noch. Entscheidend für die weitere Richtung in diesem Zeitraum wird neben den anstehenden Entscheidungen der EZB und der Entwicklung internationaler Märkte, insbesondere Chinas, dann auch wieder ein Ereignis sein: der US-Arbeitsmarktbericht für November am 4. Dezember.—-*) Holger Achnitz ist Leiter des Devisenhandels bei Citi Deutschland.