Novo Nordisk ist ein Opfer des eigenen Erfolgs
Geld oder Brief
Ein Opfer des eigenen Erfolgs
Von Tobias Möllers, Frankfurt
Satte 25% mehr Umsatz verkündete der dänische Pharma-Riese Novo Nordisk jüngst bei der Vorstellung der Bilanz für das zweite Quartal. Zu wenig für die erfolgsverwöhnten Anleger. Die Aktie ging in die Knie und sackte zeitweise um knapp 8% ab. Wachstumsschmerzen und eine zunehmende Konkurrenz im Bereich der Abnehmprodukte sorgten dafür, dass Novo Nordisk leicht unter den hochgesteckten Erwartungen der Analysten blieb.
Wegovy, eine 2022 zugelassene Abnehmspritze und Ozempic, ein bereits 2018 auf den Markt gekommenes Diabetes-Medikament, sind die Gewinnbringer des Konzerns. Dem Markt für Abnehmprodukte trauen Analysten ein Umsatzpotenzial von gewaltigen 130 Mrd. – 150 Mrd. Dollar bis zum Ende der Dekade zu. Entsprechend stark hat sich in der Vergangenheit auch der Aktienkurs von Novo Nordisk entwickelt. Seit 2021 legten die Papiere um 230% zu. Mit einem Börsenwert von mehr als 500 Mrd. Dollar überflügelte der Konzern den Luxus-Giganten LVMH und ist inzwischen der wertvollste Konzern Europas.
Kein Grund zur Unzufriedenheit
Die Zahlen zum zweiten Quartal und mit ihnen die knapp verfehlten Analystenprognosen beendeten dann eine lange Reihe positiver Gewinnmeldungen des europäischen Vorkämpfers im Einsatz gegen Fettleibigkeit. Dabei zeigte sich Konzernchef Lars Fruergaard Jørgensen weiter mit dem Umsatzwachstum in der ersten Jahreshälfte 2024 zufrieden. Novo erwartet beim Umsatz für das Gesamtjahr nun noch ein Plus von 22 bis 28% nach zuvor 19 bis 27%. Bei der Entwicklung des operativen Gewinns ist das Unternehmen skeptischer und rechnet nun nur noch mit einer Steigerung von 20 bis 28% nach zuvor 22 bis 30%.
Für Jørgensen ist das kein Grund zur Unzufriedenheit. Auch Finanzvorstand Karsten Munk Knudsen sagte, dass nur eine Anpassung der Rabatte den Nettoumsatz von Wegovy im zweiten Quartal beeinträchtigt hätte. Knudsen nannte dies einen „vierteljährlichen Ausrutscher“. Doch auch die Verkäufe von Ozempic blieben knapp hinter den Erwartungen zurück. Entsprechend zeigte sich Markus Manns, Portfoliomanager beim Novo-Aktionär Union Investment in Deutschland enttäuscht. Die schwachen Ergebnisse des zweiten Quartals stünden „in scharfem Kontrast zu den massiven Umsatz- und Gewinnsteigerungen, die wir im letzten Jahr gesehen haben“, kommentierte er. Im ersten Halbjahr 2023 sprang der Umsatz von Novo im Adipositas-Geschäft um 158% in die Höhe.
Der Grund für die aktuelle Schwäche liegt zum einen in den massiven Produktionserweiterungen von Novo Nordisk. Diese lassen sich die Dänen Milliarden kosten. Einerseits, um die rasante Nachfrage nach Wegovy und Ozempic zu befriedigen, andererseits aber auch um Eli Lilly abzuwehren, den zweiten großen Player im Markt für Abnehmprodukte und gleichzeitig der zweite Grund für das leichte Schwächeln der Dänen. Eli Lilly aus Indianapolis hatte im vergangenen Dezember sein Konkurrenzprodukt Zepbound auf den Markt gebracht und hat gerade auf dem wichtigen US-Markt Standortvorteile. Zuletzt lieferten sich die beiden Unternehmen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Adipositas-Behandlungen in einer ganzen Reihe von Märkten, darunter auch Großbritannien und Deutschland. Lukrativster Markt bleiben gleichwohl die USA, wo über 70% der Erwachsenen fettleibig oder übergewichtig sind.
Schärfster Konkurrent Eli Lilly
Die Sorge, dass die Amerikaner von Eli Lilly die Dänen hier ausbremsen könnten, umtrieb dann auch die Anleger nach den Quartalszahlen von Novo Nordisk. Das Unternehmen versucht, dem durch hohe Rabatte oder Preiszugeständnisse an US-Apothekenverwalter entgegenzuwirken. Konzernchef Jørgensen macht sich um die Konkurrenzsituation und künftige Umsätze dennoch wenig Sorgen: „Ich glaube nicht, dass die Wettbewerbsdynamik, zumindest auf absehbare Zeit, wirklich einen großen Einfluss darauf haben wird, wie wir den Umsatz steigern“, sagte er im Gespräch mit Journalisten. Nicht ganz zu Unrecht, übersteigt doch die Nachfrage nach den Abnehmpräparaten noch immer bei weitem das Angebot.
Ein paar Tage nach den Zahlen von Novo Nordisk legte auch das Unternehmen aus Indianapolis seine Bilanz offen. Die Amerikaner hoben ihre Umsatz- und Gewinnprognose für 2024 an – nicht zuletzt aufgrund höherer Produktionskapazitäten für das begehrte Medikament Zepbound. Christian Greiner, Aktienportfoliomanager bei F/m Investments, sagte, die Ergebnisse von Lilly seien „eine Art Erleichterung“ nach dem Fehlschlag von Novo. Doch nicht nur die Eli-Aktie zog daraufhin massiv an, auch für Novo Nordisk ging es wieder aufwärts.
Denn der Markt ist groß genug, damit beide Konzerne ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben können. Entsprechend eindeutig fallen die Einschätzungen von Analysten für Novo Nordisk aus: 18 votieren derzeit für „Kaufen“, neun für „Halten“ und lediglich zwei Analysten raten zum Verkauf. Das Median-Preisziel für den dänischen Pharma-Konzern sehen sie bei 1.021 dänischen Kronen. Trotz des Bodens, den Novo Nordisk in den vergangenen Wochen bereits gut gemacht hat, ist bis dahin noch ein bisschen Luft.