Rohstoffe

Am Ölmarkt ist Realismus zurückgekehrt

Der Brent-Ölpreis hat sich von deutlich unter 80 Dollar vor einigen Wochen wieder auf mehr als 85 Dollar erholt. Dies ist auf inzwischen wieder realistischere Einschätzungen der Marktteilnehmer hinsichtlich Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Geopolitische Konflikte sind ein weiterer preistreibender Faktor.

Am Ölmarkt ist Realismus zurückgekehrt

Am Ölmarkt ist Realismus zurückgekehrt

Notierungen haben sich signifikant erholt – Geopolitik bleibt ein wichtiger preistreibender Faktor

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Brent-Ölpreis hat in den vergangenen Wochen eine recht volatile Entwicklung hinter sich. Unmittelbar nach den Beschlüssen des Kartells Opec plus zur Verlängerung des Großteils seiner Förderkürzungen war der Preis stark unter Druck geraten und deutlich unter die Marke von 80 Dollar je Barrel gerutscht, weil an den Märkten zunächst fälschlicherweise von einer deutlichen Anhebung des Angebots ausgegangen worden war – wobei am Markt auch Eindruck machte, dass die Internationale Energieagentur IEA von einer relativ schwachen Nachfrage ausgeht. Inzwischen hat es eine beeindruckende Erholung des Ölpreises auf über 85 Dollar gegeben, womit die übertriebene Abschwächung des Ölpreises korrigiert worden ist.

Konstantes Angebot

Zu der Erholung trug bei, dass die Opec großen Akteuren am Ölmarkt hinter den Kulissen deutlich gemacht hat, dass der avisierte Abbau einiger freiwilliger Kürzungen selbstverständlich nur erfolge, wenn der Markt dies hergebe und kein deutlicher Preisverfall zu erwarten sei. Darüber hinaus hat sich inzwischen am Markt die Überzeugung festgesetzt, dass die einsetzende Urlaubssaison in den USA mit ihrem hohen Benzinverbrauch die Nachfrage antreiben wird. Zudem hat der Marktbeobachter Rystad Energy in einer Studie betont, dass es im laufenden Jahr wegen der Opec-Kürzungen zu keiner nennenswerten Ausweitung des globalen Ölangebots kommen werde. Damit handele es sich um das erste Jahr ohne Angebotssteigerung seit dem von der Pandemie geprägten Jahrgang 2020. Zwar blicken Marktteilnehmer wegen möglicher Produktionsausweitungen auf Länder wie die USA, Guayana und Brasilien. Allerdings schreibt Rystad, dass das Angebot der amerikanischen Schieferölindustrie unter anderem wegen der laufenden Konsolidierung der Branche inzwischen eine geringere Preiselastizität aufweise, was die Wahrscheinlichkeit für eine kurzfristige Angebotsausweitung verkleinere. Dies deckt sich auch mit der jüngsten Prognose der Energy Information Administration (EIA) der US-Regierung, die für das laufende Jahr einen Anstieg der amerikanischen Ölproduktion um gerade einmal 2% auf 13,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) erwartet. Rystad geht nicht auf die gegenwärtig recht hohen freien Kapazitäten der Opec ein, erwartet damit aber offensichtlich nicht, dass das Kartell diese nutzt und die Produktion entgegen den Absprachen nach oben fährt. Nach Berechnungen von Rystad hält die Opec 2024 rund 830.000 bpd vom Markt fern, im kommenden Jahr sollen es 1,04 Mill. bpd sein.

Pessimistische Prognose

Inzwischen werden auch die zuletzt auffällig pessimistischen Marktprognosen der Energieagentur zunehmend kritisch hinterfragt. Die IEA geht für 2024 von einem weltweiten Nachfragewachstum von gerade einmal 1,1 Mill. bpd aus. Die Ökonomen der Opec veranschlagen hingegen rund 2 Mill. bpd – eine solch hohe Diskrepanz der Erwartungen ist gelinde gesagt ungewöhnlich. Erklärbar ist sie wohl damit, dass die Energieagentur unter dem Einfluss der Regierungen der westlichen Industrieländer und insbesondere der USA steht, denen mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in den USA und die Belastungen aus den Sanktionen gegen Russland an niedrigen Energiepreisen gelegen ist.

Was die weitere Entwicklung des Ölmarktes betrifft, so gehen die Analysten der Commerzbank davon aus, dass die Erholung am Ölmarkt abgeschlossen ist und die Preise zunächst auf der Stelle treten werden. Grundsätzlich, so merkt Analystin Barbara Lambrecht an, sei der globale Ölmarkt aufgrund der freiwilligen Produktionskürzungen der Opec plus wohl im zweiten und dritten Quartal unterversorgt. Die Entwicklung der US-Lagerdaten habe diese Knappheit allerdings nur begrenzt widergespiegelt. Sofern hier die Tendenz drehe, werde das die Preise eher unterstützen.

Ein wesentlicher Faktor der Erholung des Ölpreises sind die wieder stark gestiegenen geopolitischen Spannungen. So haben einerseits die Angriffe der Huthis genannten jemenitischen Miliz Ansar Allah auf Handelsschiffe mit Bezug zu Israel trotz der laufenden westlichen Militäroperation „Prosperity Guardian“ deutlich zugenommen. Mittlerweile ziehen die USA das führende Schiff der Operation, den Flugzeugträger USS Dwight D. Eisenhower, aus der Region zurück.

Steigende Kriegsgefahr

Andererseits droht nun ein Krieg zwischen Israel und dem Libanon. So haben nach Angaben der israelischen Armee deren Generäle den Plan für eine Offensive im Libanon bereits genehmigt. US-Außenminister Antony Blinken hat arabische Regierungen jetzt bereits über die Angriffspläne informiert, während das Pentagon vor einem größeren regionalen Krieg gewarnt hat, den niemand sehen wolle. Der israelische Angriff würde sich primär gegen die schiitische Hisbollah-Miliz richten, die ihre Raketenangriffe gegen Nordisrael stark ausgeweitet hat. Hisbollah ist eng mit dem wichtigen Ölproduzenten Iran verbündet, was diesen in den Krieg mit einbeziehen könnte. Zudem könnte der israelischen Armee gemäß einer Studie der Defense Intelligence Agency der US-Regierung in einem solchen Krieg eine Niederlage drohen, wie die „Washington Post“ schreibt. Der letzte Waffengang zwischen Israel und der Hisbollah im Jahr 2006 endete bereits mit einer Niederlage der israelischen Armee, wie einer Analyse des U.S. Army Combined Arms Center zu entnehmen ist. Seither hat die Hisbollah stark aufgerüstet. Eine in diesem Fall wohl deutlich gravierendere militärische Niederlage könnte wiederum die USA zum Kriegseintritt zwingen.

Sollten diese Szenarien eintreten, wird es nicht bei dem bisherigen Anstieg des Ölpreises auf rund 85 Dollar bleiben. Ölpreise deutlich jenseits der 100 Dollar dürften dann Realität werden.

Der Brent-Ölpreis hat sich von deutlich unter 80 Dollar vor einigen Wochen wieder auf mehr als 85 Dollar erholt. Dies ist auf inzwischen wieder realistischere Einschätzungen der Marktteilnehmer hinsichtlich Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Geopolitische Konflikte sind ein weiterer preistreibender Faktor.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.