Ölpreis von bis zu 110 Dollar erwartet
Dieter Kuckelkorn.
Herr Khoman, wie beurteilen Sie den aktuellen Beschluss der Opec plus, die Produktionsmenge gegenüber dem Vormonat konstant zu halten?
Die Opec plus hat Anfang Oktober ihre Fördermenge aggressiv um rund 2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gekürzt, sie ist nun bei diesem Niveau geblieben. Damit will sie einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren begegnen. Zu nennen sind die Preisobergrenze auf russisches Öl von 60 Dollar, die erwarteten Lockerungen bei den Anti-Covid-Maßnahmen in China und viele andere Einflüsse auf Angebot und Nachfrage, die für eine hohe Preisvolatilität auf dem Ölmarkt sorgen. Mit ihrer Entscheidung, keine Änderungen vorzunehmen, demonstriert die Opec plus, dass es aktuell mehr offene Fragen als Antworten gibt. Was sich grundsätzlich bei der Opec gegenüber früheren Jahren geändert hat, ist die Tatsache, dass sie nun schneller auf Veränderungen im Markt reagiert. Die Opec benötigt aktuell aber etwas mehr Gewissheit, bevor sie agieren kann.
Wie wird sich der Ölpreis in nächster Zeit entwickeln?
Wir erwarten, dass der Brent-Ölpreis auf Sicht von zwölf Monaten zwischen 85 und 110 Dollar liegen wird. Das liegt daran, dass wir eine Reihe sehr starke und gegenwärtig besonders wichtige Einflussfaktoren auf mikroökonomischer Ebene haben, bei einer lediglich zeitweise schwachen Entwicklung auf makroökonomischer Ebene. Als mikroökonomische Faktoren zu nennen sind die Backwardation in der Terminkurve der Ölkontrakte, das niedrige Niveau der Lagerbestände, die kaum noch vorhandenen freien Produktionskapazitäten und die geringen Investitionen in die Branche, die letztlich in einem knappen Ölangebot resultieren und uns bullish für den Ölpreis stimmen. Dem stehen die schwachen Makrofaktoren wie die Rezession und die Situation in China gegenüber. 2023 werden wir ein schwaches erstes Halbjahr sehen, aber eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte.
Wie beurteilen Sie die von G7 und EU eingeführte Preisobergrenze für russisches Öl?
Nun, das Ziel ist klar: Die russischen Öleinnahmen sollen reduziert werden, gleichzeitig soll dem Markt aber das russische Öl erhalten bleiben. Die Umsetzung dieser Preisobergrenze wird allerdings zur Herausforderung, weil drei besonders wichtige Länder, nämlich China, Indien und die Türkei, sich den Maßnahmen nicht anschließen. Ich glaube, dass die Preisobergrenze für den Ölpreis bullish ist. Einem bereits knapp versorgten Markt werden weitere Mengen entzogen. Fraglich ist auch, inwieweit sich die großen Handelshäuser an die Preisobergrenze halten werden. Und bisher wurden 95% der Öltanker in London versichert. Nun kommt es darauf an, ob und inwieweit andere Versicherungen zu bekommen sind. Damit stellt sich also die Frage, inwieweit diese Preisobergrenze überhaupt durchzusetzen ist.
Das Interview führte