Ökonomischer Riese ist ein IPO-Zwerg
Von Stefan Schaaf, FrankfurtTrotz einiger größerer Transaktionen ist der globale Boom bei Börsengängen im abgelaufenen Jahr weitgehend an Deutschland vorbeigegangen. Sowohl die Zahl der Deals als auch die Volumina von Initial Public Offerings (IPO), also Börsengängen mit Kapitalerhöhung, liegen noch weit unter dem Niveau von vor der Finanzkrise. Im neuen Jahr könnte sich das Geschäft jedoch weiter beleben – wenn das Aktienumfeld positiv bleibt.Elf richtige IPOs von deutschen Emittenten flossen 2014 in die Statistik des Datenanbieters Dealogic ein. Hinzu kommen noch einige Notierungsaufnahmen im schwach regulierten Entry Standard. Im Jahr zuvor waren es nur sechs Firmen. Auch das Volumen stieg an und lag 2014 mit 5,2 Mrd. Dollar (4,2 Mrd. Euro) um rund 25 % über dem Vorjahreswert, ist aber noch weit von der Aktivität des letzten Vorkrisenjahres 2007 entfernt. Damit entfallen auf die global viertgrößte Volkswirtschaft gerade einmal 2 % des globalen IPO-Volumens von 257,7 Mrd. Dollar. “Das deutsche IPO-Geschäft verlief 2014 eher enttäuschend”, bilanziert Manuel Lorenz, Kapitalmarktexperte Rechtsanwaltssozietät Baker & McKenzie. “Es gab keinen richtigen Eisbrecher, aber die Internetbranche lief mit Rocket Internet und Zalando gut. Hier sehen wir durchaus Wachstumspotenzial.”Die beiden Berliner Unternehmen dominierten das deutsche IPO-Geschäft und verschafften dem Thema Börsengang auch eine breitere öffentliche Wahrnehmung. Allerdings auch negative Schlagzeilen: Beide Aktien stürzten in den Tagen nach dem Börsengang ähnlich wie Facebook ab. Inzwischen haben sich Rocket und Zalando gefangen und liegen schlossen sogar 22,3 bzw. 18,6 % über ihrem Emissionspreis.Auch bei Börsengängen zeigen sich die zunehmende Globalisierung der Finanzmärkte und die Konzentration des Geschäfts in London und New York. Von den elf IPOs deutscher Firmen fanden vier im Ausland statt. Zugleich verbuchte Frankfurt drei Börsengänge chinesischer Unternehmen. “Deutsche Unternehmen sind internationaler geworden, zudem spielt die Musik immer häufiger in London”, beobachtet Lorenz. Insbesondere im Technologie- und Biotech-Bereich locken Börsenplätze jenseits der Landesgrenzen, weil dort oft höhere Firmenbewertungen in diesen Segmenten zu erzielen sind. So zog es Probiodrug aus Halle zum IPO nach Amsterdam.Im neuen Jahr dürften sich die wesentlichen Trends von 2014 fortsetzen. Dazu gehört, dass zahlreiche Börsenneulinge aus dem Portfolio von Finanzinvestoren stammen. Deren Anteil am Transaktionsvolumen beträgt laut der Beratungsgesellschaft Accenture gut die Hälfte. “Viele Finanzinvestoren vollziehen den Ausstieg, den sie schon seit längerem geplant haben”, sagte Sven Wahle, Strategie-Geschäftsführer bei Accenture. “Wir haben schon 2013 in diesem Segment eine deutliche Steigerung gesehen.” In Deutschland waren unter anderem Braas Monier, TLG Immobilien und Stabilus von Finanzinvestoren über die Börse verkauft worden. Trend zur FirmenabspaltungSchwung könnte in das IPO-Geschäft auch durch den Trend zur Abspaltung von Firmenteilen kommen. “Wir sehen hier ein gutes Volumen an den Markt kommen”, sagt Wahle. Als Kandidaten gelten bei Bayer die Sparte Material Science und gegebenenfalls das Atom- und Kohlegeschäft von Eon. Schließlich könnte der Markt neue Transaktionsstrukturen sehen. “Die Vorabplatzierung wie bei Hella und Evonik könnte künftig von den Emissionsbanken zur Absicherung von Transaktionen in Erwägung gezogen werden”, erwartet Wahle.