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Öl- und Gas-Bonds auf Achterbahnfahrt

Von Monica Fernandez *) Börsen-Zeitung, 4.2.2016 Die Sorgen über die Rohölpreisentwicklung und die Spekulationen über die Ursache des Preisverfalls sind seit Jahresbeginn treibender Faktor am Corporate-Bond-Markt. Mit rund 30 Dollar pro Barrel...

Öl- und Gas-Bonds auf Achterbahnfahrt

Von Monica Fernandez *)Die Sorgen über die Rohölpreisentwicklung und die Spekulationen über die Ursache des Preisverfalls sind seit Jahresbeginn treibender Faktor am Corporate-Bond-Markt. Mit rund 30 Dollar pro Barrel Rohöl der Sorte West Texas Intermediate ist der Rohölpreis auf Jahressicht um rund 50 % eingebrochen. Dieser Schock dürfte sich wie schon 2015 auch in diesem Jahr wie ein roter Faden durch sämtliche Wirtschaftsdaten ziehen. Wir erwarten, dass der Rohölpreis unter stärkeren Schwankungen vorerst auf einem Niveau von rund 30 Dollar/Barrel bleiben wird.Wie unsicher die Aussichten sind, zeigt die Streuung der Prognosen: Die Rohölpreisprognosen für Ende 2016 liegen im Markt derzeit zwischen 10 und 75 Dollar/Barrel, je nachdem, welches Szenario hinsichtlich einer Produktionsdrosselung durch die Opec-Staaten, der möglichen Produktionskapazitäten des Irans und der daraus folgenden Handlungsmuster für die anderen Förderländer unterstellt wird. Die Internationale Energie Agentur geht in ihrem jüngsten Bericht davon aus, dass die Rohölpreise noch etwas weiter fallen werden. In ihrem unterstellten Szenario wird das Überangebot an Rohöl auch bei einer Reduzierung der Fördermenge durch die Opec bestehen bleiben. Allerdings warnen sie auch davor, dass die Rohölpreise auf mittlere Sicht unerwartet schnell wieder ansteigen könnten. Kaum InvestitionenAufgrund des niedrigen Rohölpreises werden momentan kaum Investitionen in Produktionsanlagen getätigt. Sollte diese Situation anhalten, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass die notwendigen Produktionskapazitäten dann nicht vorhanden sind, wenn die Rohölnachfrage wieder anzieht. Ein gigantischer Schweinezyklus würde sich damit am Rohölmarkt abzeichnen. Für einen ersten leichten Preisanstieg an den Ölmärkten sorgte der russische Energieminister, Alexander Nowak, mit seiner Aussage, er plane ein Treffen mit Vertretern der Opec-Staaten, um mögliche Maßnahmen zur Drosselung der Fördermenge von Rohöl zu diskutieren.Die Unternehmensanleihen konnten sich von den Turbulenzen an den Rohstoffmärkten nicht abkoppeln, obwohl man gemeinhin niedrige Ölpreise als konjunkturbelebenden Faktor ansieht. Der Corporate-Bond-Markt setzte den seit Frühjahr 2015 bestehenden Abwärtstrend auch in den ersten Wochen des neuen Jahres fort. Überraschenderweise hat sich die Ausweitungstendenz bei den Risikoprämien seit Jahresanfang noch beschleunigt. Dabei kamen schwächere Bonitäten stärker unter Druck als die höheren Ratingklassen. Dies ist für uns ein klares Zeichen, dass sich das steigende Risikobewusstsein der Marktteilnehmer weiter fortsetzen wird. Anleger in Corporate-Bonds haben nach dem Abflauen der Staatsschuldenkrise, währenddessen Corporates als sicherer Hafen wahrgenommen wurden, wieder zurück zur Normalität gefunden. Gemeinhin werden vor allem der niedrige Ölpreis sowie die Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt als Ursachen für die schlechte Stimmung an den Corporate-Bond-Märkten angesehen. Angesichts der nachlassenden Wirtschaftsdynamik hat China als bedeutendes Ölimporteurland derzeit eine geringere Nachfrage. Auch in anderen Schwellenländern befindet sich das Wachstum auf einem niedrigen Niveau. Hier zeigen sich allerdings Stabilisierungstendenzen. In den Industrieländern ging die Konjunkturdynamik bislang nicht spürbar zurück. Unter der Ölpreisentwicklung leiden vor allem die Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche. Preise von unter 30 Dollar/Barrel machen die Förderung für viele Öl- und Gas-Unternehmen nicht mehr rentabel.Moody’s hat die Prognosen für den Ölpreis am 22. Januar nach unten angepasst. Die nominalen Preise am Ölmarkt hatten zu diesem Zeitpunkt Werte erreicht, die man seit mehr als einer Dekade nicht mehr gesehen hatte. Die Agentur geht daher davon aus, dass die Erholung der Preise langsamer vonstattengehen wird, als dies von vielen Unternehmen erwartet wurde. Auch unter einem Szenario eines leichten Anstiegs vom gegenwärtigen Preisniveau würden die ölproduzierenden Unternehmen, Driller und Ölfeldservice-Unternehmen 2016 unter finanziellen Stress geraten und deutlich niedrigere Cashflows ausweisen als im Vorjahr. Die Agentur erwartet eine Welle von Umschuldungen und Insolvenzen, insbesondere bonitätsschwächerer Unternehmen der Branche und hat die Ratings von 32 Unternehmen der Ölbranche auf die Überprüfungsliste für eine mögliche Rating-Herabstufung gesetzt. Schlechtere KennzahlenBetroffen von dieser Rating-Aktion waren neben den schwächeren Unternehmen auch die großen integrierten Öl- und Gaskonzerne, denn laut Moody’s werden auch sie mit ihren Finanzprofilen unter Druck geraten. Niedrigere Cash-flows führen zu schlechteren Schuldendeckungskennzahlen. Das Raffinerie- und Tankstellengeschäft kann die Gewinneinbrüche aus dem Fördergeschäft nicht mehr abfedern. Trotz Investitionszurückhaltung und Asset-Verkauf: Die Ratings auch der Großen der Branche werden unter Druck geraten, wenngleich weniger stark.Die Ratingagentur Fitch hat jüngst in einem Report mittelfristige Herabstufungen auch bei den Ölmultis nicht ausgeschlossen. Standard & Poor’s stufte als letzte der drei Agenturen am vergangenen Montag Royal Dutch Shell um eine Rating-Stufe herab und setzte außerdem die Ratings der sechs größten europäischen Ölmultis auf den Prüfstand. Auch wenn die Ölpreise wieder leicht anziehen sollten, bedeutet dies dennoch, dass sich die von sehr hohen Ölpreisen verwöhnten Ölunternehmen auf eine längere Niedrigpreisphase einstellen müssen. Herabstufung eingepreistIm Gegensatz zu den kleineren Playern können die großen europäischen Konzerne noch einige Zeit von ihren Reserven zehren, Assets verkaufen und Investitionen zurückfahren. Die Volatilität der Corporate Bonds sollte 2016 hoch bleiben und sich danach allmählich beruhigen. Potenzial für eine Erholung sehen wir bei einigen großen europäischen integrierten Öl- und Gaskonzernen, speziell im sehr liquiden Segment der Credit Default Swaps (CDS). Im Zuge des Ölpreisverfalls und der damit verbundenen negativen Nachrichtenlage in den vergangenen Wochen haben sich die CDS im gesamten Öl- und Gassektor stark verteuert. Trotz der vergleichsweise hohen Ratings der Ölmultis liegen die fünfjährigen CDS von BP, Shell und Total auch nach der Erholung der vorigen Tage noch immer über dem Niveau des Marktindex iTraxx Europe, der ein etwas geringeres Durchschnittsrating ausweist. Die CDS preisen damit bei den genannten Ölmultis eine Herabstufung um mehr als eine Ratingstufe ein. Das mag übertrieben sein, reflektiert jedoch die Besorgnis der Märkte über die weitere Ölpreisentwicklung. Wir sehen für diese drei Ölmultis auf diesem Niveau bei tendenziell hoher Volatilität ein freundlicheres Bild als für den übrigen Öl- und Gassektor.—-*) Monica Fernandez leitet das Corporate Bond Research der DZ Bank.