Ölpreis-Baisse dürfte anhalten

US-Stratege: Iran-Prämie ist entwichen - CME verlangt höhere Sicherheitsleistungen

Ölpreis-Baisse dürfte anhalten

Nach dem rasanten Preisverfall beim Ölpreis gehen nun immer mehr Analysten davon aus, dass der Ölpreis sein Jahreshoch bereits gesehen hat. Der nachlassende Iran-Streit und die hohe Förderung sind die Hauptgründe für den sinkenden Preis.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtSeit seinem Hoch Anfang März hat der Ölpreis inzwischen kräftig nachgegeben – was kaum ein Rohstoffanalyst erwartet hatte. Die Experten hatten teilweise, mit Blick auf den Atomstreit mit dem Iran, Preise von 200 Dollar durchaus für möglich gehalten. Brent Crude als die führende europäische Nordseesorte hat gegenüber ihrem bisherigen Jahreshoch von 127,04 Dollar je Barrel, das am 1. März erreicht worden war, inzwischen mehr als 11 % eingebüßt. Am Donnerstag war die Sorte dann für 112,35 Dollar zu haben, womit sie gegenüber Vortag einen halben US-Cent einbüßte. Immerhin hat sich damit die rasante Talfahrt der vergangenen Tage zumindest abgeschwächt. Eine Korrektur gleichen Ausmaßes hat die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) hinter sich: Gegenüber ihrem Jahreshoch vom 24. Februar von 109,66 Dollar hat sie sich mittlerweile um 11 % auf 97,12 Dollar verbilligt.Inzwischen mehren sich die Stimmen unter den Analysten, die davon ausgehen, dass der Ölpreis im laufenden Jahr bereits seinen höchsten Stand gesehen hat und dass mit einer Seitwärtsbewegung oder weiteren Preisrückgängen zu rechnen ist. So sagt jetzt beispielsweise der prominente US-Stratege Byron Wien erstmals in seiner langen Karriere einen Rückgang des Ölpreises im laufenden Turnus voraus. Der 79-jährige Wien ist derzeit Leiter des Research-Teams bei Blackstone. Vorher war er viele Jahre lang Chefstratege bei Morgan Stanley. “Die Iran-Prämie ist aus dem Ölpreis entwichen”, kommentiert Wien die aktuelle Lage. Mit seiner Erwartung fallender Preise steht Wien nicht allein da: Gemäß einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg unter 30 Analysten gehen inzwischen sechs Experten sogar noch für das laufende Quartal von einem Brent-Ölpreis von 100 Dollar oder darunter aus. Im Mittel rechnen die Analysten mit rund 115 Dollar – also mit wenig mehr als einer Seitwärtsbewegung. Alle Hähne aufgedrehtNeben der Entspannung im Iran-Streit ist es die derzeit hohe Förderung, die auf die Preise drückt. So produziert das Förderkartell Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) inzwischen mehr als 31,6 Mill. Barrel pro Tag (bpd). Bis in den Herbst vergangenen Jahres hatte die Menge noch unter 30 Mill. bpd gelegen. Aber auch außerhalb der Opec werden die Hähne weit aufgedreht. So ist die Produktion in Russland und Brasilien, aber auch in den USA gestiegen.Hinter der Opec-Anhebung steht im Wesentlichen der weltweit größte Förderer Saudi-Arabien. Das Land produziert aktuell rund 10 Mill. bpd – so viel wie im November vergangenen Jahres, was damals der höchste Stand seit mehreren Dekaden gewesen war. Im vergangenen Monat hat der saudische Ölminister Ali Al-Naimi betont, dass sein Land auch noch mehr fördern könnte. Zudem hat er einen Preis von 100 Dollar als ideal für Produzenten und Konsumenten identifiziert.Ein weiterer Grund für die zuletzt recht rasanten Verluste ist die am 2. Mai erklärte und am 7. Mai wirksam gewordene Anhebung der verlangten Sicherheitsleistungen durch den US-Terminbörsenbetreiber CME Group. Gemäß einer neuen Vorschrift der US-Terminbörsenaufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC) werden von spekulativen Marktteilnehmern um 35 % höhere Sicherheitsleistungen verlangt als von branchennahen Akteuren, die die Terminbörse zur Absicherung benutzen. Auf die Preise gedrückt haben auch die wieder zunehmenden Sorgen der Anleger wegen der EU-Schuldenkrise nach den Wahlen in Griechenland und Frankreich. Zudem hat China im April 2,3 % weniger Öl importiert als im Vormonat.Allerdings rechnen längst nicht alle Analysten mit weiteren Preisrückgängen. So geht Barbara Lambrecht von der Commerzbank zwar davon aus, dass die derzeitige Phase der Bodenbildung noch einige Tage anhalten dürfte. Eine baldige Rückkehr zu den Preisen von vergangener Woche sei angesichts der angeschlagenen Marktstimmung nicht zu erwarten. Allerdings sei damit zu rechnen, dass WTI mit dem einsetzenden Lageraufbau bald wieder mehr als 100 Dollar koste.