Ölpreis erreicht Talsohle

Angesichts des Überangebots aber wohl keine weitergehende Erholung der Brent-Notierung

Ölpreis erreicht Talsohle

Die Coronavirus-Epidemie hat für einen deutlichen Rückgang des Ölpreises gesorgt. Analysten gehen aber davon aus, dass nun eine Bodenbildung erfolgt ist. Andererseits ist jedoch eine Erholung des Ölpreises angesichts des Überangebots auf dem Weltmarkt unwahrscheinlich, selbst bei einer Opec-Förderkürzung.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDie von dem neuartigen Coronavirus ausgelöste Epidemie in China und ihre Auswirkungen auf die weltweite Konjunktur haben am globalen Ölmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Am Montag dieser Woche war die Notierung der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude mit 53,11 Dollar je Barrel (159 Liter) auf den niedrigsten Stand seit 13 Monaten gefallen. Seither hat sie sich der Preis des wichtigsten Energieträgers aber wieder spürbar erholt. Am Mittwoch ergab sich eine Anstieg um weitere 2 % auf inzwischen fast 56 Dollar.Dahinter steht die Erwartung, dass die chinesischen Behörden die Epidemie allmählich in den Griff bekommen. So ist die Zahl der Neuerkrankungen im Reich der Mitte bereits seit mehreren Tagen rückläufig. Daher ist ein gewisser Optimismus durchaus angebracht – zumindest was den Verlauf der Epidemie betrifft. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die chinesische und die weltweite Konjunktur dürfte das Schlimmste allerdings noch nicht vorüber sein, da in China nach wie vor eine große Zahl von Fabriken eine Zwangspause einlegt. Da China nach Schätzung des Analysehauses IHS Markit inzwischen rund 16 % zum globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt, gehen die Analysten davon aus, dass die Epidemie das globale BIP im laufenden Jahr um 0,4 Prozentpunkte belasten würde, sofern die Behörden die Restriktionen noch bis Ende Februar aufrechterhalten. Sollte sich der Sieg der chinesischen Behörden über die Krankheit noch länger hinziehen, wären die Folgen für das globale Wirtschaftswachstum ohne Zweifel noch höher. Daher ist es zunächst nur ein geringer Trost, dass es sich lediglich um verschobenes Wachstum handeln dürfte, weil man bei IHS Markit davon ausgeht, dass es im Jahr 2021 dann entsprechende Nachholeffekte geben würde.Dies würde auch die weltweite Nachfrage nach Rohöl als die wichtigsten Energieträger in Mitleidenschaft ziehen. So geht die Energy Information Administration (EIA) der US-Regierung in einer jetzt vorgelegten Prognose davon aus, dass die weltweite Nachfrage nach Rohöl im ersten Quartal um 900 000 Barrel pro Tag (bpd) niedriger ausfallen wird als bislang geschätzt. Davon sollen 320 000 bpd auf China entfallen und rund 500 000 bpd auf die OECD-Industrieländer. Auf das Gesamtjahr hochgerechnet soll die Ölnachfrage 2020 lediglich um 1 Mill. bpd auf dann 101,74 Mill. bpd zunehmen. Vor dem Ausbruch der Epidemie hatte die EIA das Wachstum des Verbrauchs um immerhin 310 000 bpd höher angesetzt. Dementsprechend gibt es zuviel Rohöl auf dem Markt. Die Nachfrageschwäche bzw. das Überangebot lässt sich auch bereits an den Lagerdaten ablesen. In der vergangenen Woche sind die Lagerbestände an Rohöl in den USA im Wochenvergleich um immerhin 6 Mill. Barrel gestiegen, wie der Branchenverband American Petroleum Institute (API) meldet. Nach Einschätzung der Analysten der Commerzbank lässt sich diese Zahl nicht allein mit niedrigeren Importen und einer geringeren Auslastung der Raffinerien erklären. Zudem gebe es auch Meldungen über einen starken Anstieg der Lagerbestände in Tankern auf hoher See. “Überverkaufte Situation”Allerdings ist daraus nicht zu schließen, dass es nun noch kurzfristig zu einem weiteren Rückgang des Ölpreises kommen müsste. “Dass sich der Ölpreis in den letzten Tagen trotz einer solch belastenden Nachrichtenlage fangen konnte, deutet auf eine zuletzt überverkaufte Situation und eine mögliche Bodenbildung beim Preis hin”, betonen die Analysten der Commerzbank.Damit könnte der Ölpreis nach unten unterstützt sein. Allerdings gibt es eine Unsicherheit: Das mit der Opec verbündete Russland hat sich noch nicht zu den Plänen des Kartells geäußert, die Ölproduktion der erweiterten “Opec plus”, die auch das Schwergewicht Russland umfasst, angesichts der schwierigen Lage um weitere 600 000 bpd zu kürzen. Offensichtlich gibt es im Kreml Bedenken, zumal Igor Sechin, Chef des staatlich kontrollierten russischen Ölkonzerns Rosneft, kürzlich in einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin darauf hingewiesen hat, dass die Förderung des führenden russischen Ölkonzerns bereits spürbar zurückgegangen sei.Aber selbst wenn Russland einer solchen Kürzung zustimmt, dürften ihre Auswirkungen begrenzt sein. So hat beispielsweise die EIA in ihrer jetzt vorgelegten Prognose bereits zusätzliche Reduzierungen der “Opec plus” um 500 000 bpd von März bis Mai eingerechnet. Angesichts des trotzdem vorhandenen deutlichen Überangebots auf dem Weltmarkt erscheint der Ölpreis daher gedeckelt, mit einem Anstieg ist auch für den Fall nicht zu rechnen, dass die Opec eine darüber hinausgehende Kürzung bekannt gibt. Somit deutet vieles auf eine Seitwärtsbewegung des Ölpreises hin.