Ölpreis leidet unter Machtkampf

Saudis wollen mit Preissenkung für China und seine Nachbarländer Marktanteile zurückgewinnen

Ölpreis leidet unter Machtkampf

Der Ölpreis befindet sich derzeit auf Talfahrt. Dazu trägt der feste Dollar bei sowie das weltweite Überangebot bei dem Energieträger. Zuletzt hat den Markt aber auch verunsichert, dass Saudi-Arabien die Preise für asiatische Kunden gesenkt hat. Dahinter steckt ein Machtkampf um Marktanteile in dem zunehmend wichtigeren Asiengeschäft.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDer Ölpreis befindet sich aktuell entgegen den Erwartungen der meisten Analysten auf Talfahrt. Am Montag ist die Notierung der weltweit führenden Rohölsorte Brent Crude bis auf 91,46 Dollar je Barrel (159 Liter) gesunken. Dies ist der niedrigste Stand seit Juni 2012. Allein in der vergangenen Woche hat der Brent-Ölpreis um fast 5 % nachgegeben.Die meisten Analysten hatten damit gerechnet, dass sich der Brent-Ölpreis bei ungefähr 100 Dollar stabilisiert, nachdem er im Frühjahr noch sein bisheriges Jahreshoch von rund 115 Dollar je Barrel markiert hatte. Bislang hatten Vertreter des Kartells Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) und des wichtigsten Ölförderlands Saudi-Arabien stets betont, dass sie einen Ölpreis zwischen 100 und 110 Dollar als ihre Wohlfühlzone betrachten. Auf den Ausbruch des Ölpreises aus dieser Zone hatte die Opec jedoch nicht reagiert. Den Ölpreis hat zum einen der feste Dollar unter Druck gesetzt. Zum anderen nimmt aber auch das Angebot weltweit stark zu. So ist das libysche Öl nach den bürgerkriegsbedingten Ausfällen in den Markt zurückgekehrt, und die Förderung außerhalb der Opec – vor allem in Nordamerika – steigt sprunghaft.Vor wenigen Tagen hat eine Entscheidung Saudi-Arabiens dafür gesorgt, dass der Ölpreis nun sogar Kurs auf die Marke von 90 Dollar je Barrel nimmt. Das Land hat den offiziellen Lieferpreis für asiatische Kunden gesenkt. Für ihre Benchmark-Sorte Arab Light beträgt die Preisreduzierung 1 Dollar je Barrel. Aktuell gewährt das Königreich damit einen Nachlass von 1,05 Dollar gegenüber dem Oman/Dubai-Durchschnittspreis. Diese Preissenkung hat den Markt auf dem falschen Fuß erwischt, da eigentlich davon ausgegangen worden war, dass Saudi-Arabien eher Maßnahmen befürwortet, die den Preis stabilisieren. Folge davon war der beobachtete starke Preiseinbruch auf dem Ölmarkt. Reaktion übertriebenDiese Reaktion war aber möglicherweise übertrieben. Wie die Analysten der britischen Großbank Barclays herausgefunden haben (vgl. Grafik), ist in der Vergangenheit häufig auf einen Preisnachlass eine Senkung der Produktion des Landes erfolgt. Damit erscheint aktuell ein weiterer kräftiger Preisrückgang als eher unwahrscheinlich, weil die Saudis mit einer Produktionskürzung, die Signalwirkung hätte, gegensteuern könnten. Ein weiterer Rückgang erscheint nur dann wahrscheinlich, wenn der Dollar noch fester wird oder wenn eine ausgeprägte Flucht der Finanzinvestoren zu beobachten ist.Am Markt wird derzeit diskutiert, was die Saudis zu ihrem Schritt bewegt. Von einer mit der US-Regierung abgestimmten Maßnahme ist die Rede, um die auf Öleinnahmen setzende islamistische Miliz “Islamischer Staat” (IS) im Irak und in Syrien zu schwächen. Alternativ heißt es auch, dass der russische Präsident Wladimir Putin in die Knie gezwungen werden soll, was Aussicht auf Erfolg habe, weil vor allem der russische Staatsapparat stark von den Ölexporten abhängig sei. In einem solchen Fall – wenn die Preisgestaltung politisch wäre – könnte Saudi-Arabien weitere Preisnachlässe erwägen.Dass derartige Vermutungen stichhaltig sind, darf allerdings bezweifelt werden. Zwar hat es in der Vergangenheit schon des Öfteren den Verdacht des Zusammenwirkens mit der amerikanischen Außenpolitik gegeben – etwa 1986 mit Blick auf den danach erfolgten Zusammenbruch der Sowjetunion. Konkrete Hinweise hat es aber nie gegeben.Auch im aktuellen Fall gibt es eine andere, plausiblere Erklärung: Es gibt aktuell am Ölmarkt einen Kampf um Marktanteile, was die als zukunftsträchtig geltenden Geschäftsbeziehungen mit den aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften wie China betrifft. China hatte sich zuletzt mehr Öl aus dem Iran und dem Irak liefern lassen und die Bestellungen bei der staatlichen saudischen Ölgesellschaft Aramco zurückgefahren. Anfang 2012 hat sich das Reich der Mitte noch 22,1 % seines Öls von den Saudis liefern lassen. Im August dieses Jahres waren es gerade noch 15,6 %, wobei auch die absoluten Mengen zurückgehen: In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres sanken die Saudi-Exporte nach China um 11,6 %.