Ölpreis rutscht immer weiter ab

Brent Crude zeitweise für weniger als 59 Dollar zu haben

Ölpreis rutscht immer weiter ab

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDer Niedergang des Ölpreises wird immer dramatischer. Am Dienstag hat die Nordseesorte Brent Crude erstmals seit fünfeinhalb Jahren die Marke von 59 Dollar je Barrel unterschritten. Der Preis gab bis auf 58,50 Dollar nach. Am Abend war die Sorte dann für 60,76 Dollar zu haben, was gegenüber dem Stand vom Vorabend immer noch ein Minus von 0,5 % bedeutete. Zum Vergleich: Das Anfang Januar verzeichnete Jahreshoch betrug etwas mehr als 115 Dollar. Die Notierung der führenden US-Sorte West Texas Intermediate rutschte ebenfalls ab. Sie erreichte mit nur noch 53,80 Dollar ebenfalls ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief.Händlern zufolge haben Konjunkturdaten aus China enttäuscht. Im Reich der Mitte ist der HSBC/Markit-Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie für den Dezember auf 49,5 Punkte gefallen, nach 50 Zählern im November. Das Unterschreiten der Marke von 50 Punkten zeigt Kontraktion in dem Sektor an. Kürzung ausgeschlossenZur weiteren Verschlechterung der Stimmung am Ölmarkt hat am Dienstag beigetragen, dass der russische Energieminister bekräftigt hat, sein Land werde die Ölförderung nicht zurückfahren. Vor der Sitzung des Förderkartells Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), in der Russland allerdings kein Mitglied ist, hatte die russische Regierung noch durchblicken lassen, man sei im Gleichschritt mit anderen Anbietern zu Kürzungen bereit. Zudem erklärte der Ölminister der Vereinigten Arabischen Emirate, er sehe keine Notwendigkeit für eine Sondersitzung der Opec. Das nächste offizielle Treffen der Ölminister der Opec ist erst für den 5. Juni 2015 vorgesehen. Nach den jüngsten Daten hat die Opec im November 30,56 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gefördert. Sie hat damit den sechsten Monat in Folge ihr offizielles Produktionsziel von 30 Mill. bpd übertroffen.Händlern zufolge belastet auch die aktuelle Schwäche bei Emerging-Markets-Währungen den Ölpreis. Das Gros des Nachfrageanstiegs bei Öl stammt aktuell aus den Schwellenländern, für die sich bei einer Schwächung ihrer Währungen die Ölimporte verteuern. Das dürfte tendenziell zusätzlich auf die Ölnachfrage drücken, hieß es. So hat bereits die indische Notenbank Reserve Bank of India interveniert, um den Kurs der Rupie zu verteidigen. Die indonesische Rupiah ist gegenüber dem Dollar auf den tiefsten Stand seit 16 Jahren gefallen.Nach Einschätzung der Rohstoffanalysten der Commerzbank bedeutet auch die kräftige Leitzinsanhebung durch die russische Notenbank nichts Gutes für den Ölpreis. Die Nachfrage werde sich im nächsten Jahr jüngsten Schätzungen zufolge weniger dynamisch entwickeln als bislang erwartet, wofür insbesondere die Öl produzierenden Länder wie Russland verantwortlich zeichneten. Eine Leitzinsanhebung stellt stets eine Belastung der Binnenkonjunktur dar, was für die russische Volkswirtschaft, die sich bereits an der Schwelle zur Rezession befindet, in besonderem Maße gelten dürfte. Stand von 40 Dollar erwartetEinen Rückgang des Ölpreises bis auf das Niveau von 40 Dollar hielt am Dienstag der renommierte amerikanische Energieökonom Philip Verleger für realistisch. Der Lehrstuhlinhaber an der Universität von Calgary und frühere US-Präsidentenberater rechnet mit einer länger andauernden Niedrigpreisphase als Ergebnis des Fracking-Booms in den USA. Sein Preismodell sage voraus, dass der Ölpreis bis Ende kommenden Jahres auf 40 Dollar fallen wird. Verleger verglich den aktuellen Zustand der globalen Ölbranche mit der Computerindustrie vor dem Siegeszug des Personal Computers in den achtziger Jahren.