Orange Polska befindet sich im Umbruch
Von Sebastian Becker, WarschauPolen ist aufgrund seiner Größe mit seinen rund 38 Millionen Konsumenten für Investoren der Telekom- und Internetindustrie ein attraktiver milliardenschwerer Markt: Zu den ausländischen Unternehmen, die dort schon seit sehr langer Zeit aktiv sind, gehört die französische Orange. Ihre polnische Tochter steuert rund 7 % zu den Gesamtumsätzen bei, ist somit von hoher strategischer Bedeutung und kann mit ihren Geschäften sogar die Entwicklung des Aktienkurses der französischen Mutter beeinflussen. Kurs unter DruckDoch stehen das Geschäft und der Aktienkurs von Orange Polska unter Druck – und das schon seit einigen Jahren. Deswegen restrukturiert sich der Anbieter und diversifiziert sein Angebot. Derzeit befindet sich das Unternehmen in der Phase einer Umorientierung und sucht nach Stabilität. Der Aktienkurs hat in den vergangenen vier Wochen wieder um etwa 10 % auf Werte um 9 Zloty zugelegt, nachdem das Papier zuletzt stark verloren hatte. Im Vergleich zum Anfang 2014 ist es um 20 % eingekracht. Zum Vergleich: Der polnische Leitindex WIG 30 stand zwar in den vergangenen zwölf Monaten auch unter Druck, war aber nur um knapp 3 % rückläufig.Entsprechend distanziert zeigt sich der Markt, ohne dass die Analysten allerdings extrem skeptisch wären. Von elf Fachleuten, die Bloomberg befragt hat, haben acht das polnische Papier auf “Hold” oder “Neutral” gesetzt. Zwei stufen die Aktie mit “Underweight” oder “Sell” ein. Nur ein Experte hält den Daumen nach oben und sagt “Overweight”.Der Gewinn pro Aktie war in den vergangenen drei Jahren von Rückgängen geprägt. Ebenso rückläufig waren in der Vergangenheit die Dividenden. So schüttete Orange Pols-ka 2010 noch mehr als 2 Mrd. Zloty (etwa 500 Mill. Euro) aus. Allerdings betrug das Volumen in den Jahren 2012 und 2013 nur noch rund 660 Mill. Zloty (165 Mill. Euro). Die Dividendenrendite liegt derzeit bei 5,63 %. In den vergangenen neun Jahren betrug sie maximal 16,16 %. Das niedrigste Niveau war 2,84 %. Zum Vergleich: Der unmittelbare Konkurrent Netia kommt auf einen aktuellen Wert von 7,48 %.Wichtig: Die Lage ist derzeit für viele Anbieter nicht einfach. Das zeigt sich insbesondere daran, dass auch der direkte Mitbewerber T-Mobile Polska bis Ende September 2014 mit Umsatz- und Ergebniseinbußen zu kämpfen hatte. Der Wert des Marktes dürfte im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 % auf 44,4 Mrd. Zloty oder 11 Mrd. Euro geschrumpft sein. Das geht aus einer Untersuchung des Marktanalyse-Instituts PMR hervor. Die Fachleute weisen auf einen negativen Trend in der Vergangenheit hin. Bereits zwölf Monate zuvor – im Jahr 2013 – habe es einen Rückgang um 4 % gegeben. Insbesondere die Ergebnisse im Mobilfunkgeschäft hätten sich stark auf diese Gesamtentwicklung ausgewirkt, so die Analysten.”Organisches Wachstum dürfte für die Unternehmen schwierig werden”, glauben die Experten. Dies wird ihrer Einschätzung zufolge überwiegend durch den Bau neuer Wohnungen möglich sein, in denen neue Anschlüsse installiert werden. “In den kommenden Jahren werden im Prinzip alle großen Anbieter ihre Leistungen im Paket verkaufen wollen”, prognostizieren sie. Zudem dürften die Mobilfunkunternehmen versuchen, zusätzliche Angebote zu machen, um Kunden zu halten. Dies könnten Bankdienstleistungen sein.Diesen Schritt hat Orange Polska bereits gemacht: “Seit dem Start am 2. Oktober 2014 haben schon 47 000 Kunden bei unserem neuen Service Orange Finanse ein Konto eröffnet”, teilte das Unternehmen Ende Januar mit. Sie arbeiten hier mit der Commerzbank-Tochter mBank zusammen. “Dieser Dienst wird in den kommenden drei Jahren etwa eine Million Kunden haben”, erklärte dazu der Vorstandsvorsitzende der mBank, Cezary Stypulkowski.Darüber hinaus hat Orange Polska einen Schritt in den Energiemarkt gemacht, um die Kunden noch enger an sich zu binden. Privatkunden sowie kleine und mittleren Firmen können hier Strom erwerben. Dabei arbeiten die Polen mit regionalen Vertriebsgesellschaften zusammen – unter anderem auch mit der polnischen Tochter der RWE. Zusätzlich bedient das Unternehmen seine Kunden verstärkt über E-Shops. Dabei wurden immer mehr Verkaufssalons geschlossen. LTE-Frequenzen im VisierEine weitere Wachstumsperspektive für Orange Polska könnte der Erwerb von LTE-Frequenzen sein, über die das Unternehmen bisher noch nicht verfügt. Bislang nutzen die Polen die Frequenzen der Deutschen Telekom. Das Land hat gerade eine Auktion von 19 Blöcken in den Bereichen von 800 und 2 600 Megahertz eröffnet. Es will dabei mindestens 1,6 Mrd. Zloty oder 380 Mill. Euro einnehmen. Sollte der Anbieter hier erfolgreich sein, hätte er die Chance, wichtige Anteile auf diesem Markt zu gewinnen, der der größte in der Region ist. Experten zufolge dürfte es aber ein harter Bieterkampf werden. Die Fachleute schätzen, dass Orange Polska “extrem aggressiv” sein wird, weil das Unternehmen bislang noch keine LTE-Frequenzen hat. “Wir freuen uns, dass die Auktion endlich losgeht”, erklärte der Sprecher Wojciech Jabczynski. Daran teilnehmen werden insgesamt sechs Unternehmen. Dazu werden auch die Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile Polska sowie Cyfrowy Polska gehören. Aus der Sicht von Fachleuten wird Orange Polska jedenfalls die Dividende kürzen, sollte der Anbieter den Zuschlag erhalten. Anders werde sich dieser Zukauf nicht finanzieren lassen, glauben sie. Unterm Strich könnte für die Aktionäre der geringste Betrag seit Jahren ausgeschüttet werden.Fazit: Der Vorstand von Orange Polska hat neue Projekte angestoßen, um die Geschäfte zu modifizieren. Der Kurs sucht derzeit nach Halt, nachdem er zuletzt arg in Mitleidenschaft gezogen war. Ob dies von Dauer sein wird, lässt sich noch nicht sagen.