KREDITWÜRDIG

Outperformance von Bonds in den Karten

Von Michael Klawitter *) Börsen-Zeitung, 11.7.2019 Ähnlich wie bei Aktien, bei denen die positive Performance der ersten Jahreshälfte maßgeblich von den Erwartungen an geldpolitische Lockerung der wichtigsten Zentralbanken getrieben gewesen ist,...

Outperformance von Bonds in den Karten

Von Michael Klawitter *)Ähnlich wie bei Aktien, bei denen die positive Performance der ersten Jahreshälfte maßgeblich von den Erwartungen an geldpolitische Lockerung der wichtigsten Zentralbanken getrieben gewesen ist, haben auch Euroland-Unternehmensanleihen von der veränderten Kommunikation der Zentralbanken profitiert. Die Kombination aus den tief ins Negative gefallenen Renditen bei sicheren Staatsanleihen sowie den sich einengenden Credit Spreads bescherte den iBoxx Creditindizes mit einem Plus von 5,3 % seit Jahresanfang für Anleihen mit Investment-Grade-Rating und mit 8,5 % für High-Yield-Anleihen die stärksten Gewinne seit 2012.Auch wenn sich der globale wirtschaftliche Ausblick weiter etwas eintrübt und beginnt Spuren in den Unternehmensbilanzen zu hinterlassen, sollte die Nachfrage nach Unternehmensanleihen auch in der zweiten Jahreshälfte stabil bleiben. Angesichts der inzwischen anspruchsvollen Bewertungsniveaus dürfte das Potenzial für Kursgewinne jedoch geringer sein, und die Volatilität bei Unternehmensanleihen sollte im Vergleich zum ersten Halbjahr zunehmen. Weiterhin sollten Anleihen im “BBB”-Rating-Segment gegenüber Anleihen mit einem besseren Rating outperformen und die Kreditkurven sollten sich noch verflachen. Politik des billigen GeldesAusschlaggebend für diese konstruktive Einschätzung ist, dass Zentralbanken die Markterwartungen auf “dovishe” geldpolitische Impulse durch ihre Politik und Kommunikation am Leben erhalten. Die Politik des “billigen Geldes” sollte helfen, fundamentale Klippen im Credit-Markt zu umschiffen. Einerseits halten die niedrigen absoluten Refinanzierungskosten Ausfallquoten bei Unternehmensanleihen trotz der konjunkturellen Wolken auf historisch niedrigen Niveaus. Zum anderen sorgt die Diskussion um erneute expansive geldpolitische Impulse bis hin zu präventiven Schritten zu einer Abkehr der Vorstellung, dass Negativzinsen nur ein vorübergehendes Phänomen sind. Folglich werden Investoren gezwungen, ihre Anlagepolitik grundlegend umzustellen, sofern noch regulatorische Spielräume bestehen, und die Suche der Investoren nach Rendite-Pick-ups wird befeuert. Dabei sind die Alternativen zunehmend schwieriger zu finden.Global handeln inzwischen Anleihen (alle Sektoren) mit einem ausstehenden Volumen von 12,9 Bill. Dollar mit negativen Renditen. Ein Großteil dieser Anleihen stammt aus der Eurozone. Dieses Volumen hat sich seit Oktober 2018 mehr als verdoppelt und macht inzwischen etwa 30 % des Gesamtmarktes globaler Anleihen aus. Wie drastisch die Situation ist, zeigt ein Blick auf Bundesanleihen, bei denen eine Restlaufzeit von über 17 Jahren notwendig ist, um noch eine positive Rendite zu erzielen. Damit handeln etwa 85 % des ausstehenden Volumens aller Bundesanleihen im Negativen, und auch in den Niederlanden und selbst in Frankreich liegen die Vergleichszahlen noch bei 80 % bzw. 70 %. Negative Renditen sind dabei nicht nur ein Phänomen von Staatsanleihen. Auch bei Covered Bonds aus der Kernunion sind Laufzeiten von etwa acht Jahren notwendig, um die Nullprozentmarke zu überspringen. Teilweise handeln hier sogar noch größere Anteile des Markts im negativen Renditebereich als bei Staatsanleihen, da die Laufzeit von Covered Bonds im Durchschnitt deutlich niedriger ist. Kurven werden flacherDa es für viele Marktteilnehmer nicht möglich ist, dauerhaft Anleihen mit einer negativen Marktrendite zu kaufen, ohne ihr Geschäftsmodell zu gefährden, konzentriert sich die Nachfrage zunehmend auf die Marktsegmente, wo noch positive Renditen zu erzielen sind. Neben den ultralangen Laufzeiten bei Staatsanleihen sind dies vor allem Unternehmensanleihen. Rendite- und Kreditkurven verflachen sich damit und auch in diesen Marktsegmenten fallen die Renditen in Richtung von 0 % bzw. darunter. Das zu Marktpreisen bewertete Volumen mit negativen Renditen bei Unternehmensanleihen hat sich entsprechend seit Jahresanfang von etwa 25 Mrd. Dollar auf zuletzt 580 Mrd. Dollar mehr als verzwanzigfacht. Ohne klare Äußerungen von Seiten der Zentralbanken, dass die Markterwartungen an geldpolitische Lockerungsmaßnahmen übertrieben sind, wird sich an diesem Muster zunächst wenig ändern. Temporäre Spread-Ausweitungen bzw. Renditeanstiege dürften im Markt damit weiterhin recht schnell als Kaufgelegenheiten wahrgenommen werden.Die Wiederaufnahme von Nettoanleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) ist für ein solch konstruktives Gesamtbild bei Unternehmensanleihen keine Voraussetzung, da die Marktdynamik, die von den Negativzinsen bei Staatsanleihen und Covered Bonds auf den Unternehmensanleihesektor ausstrahlt, ausreichend stark ist. Da ein erneutes Kaufprogramm von Unternehmensanleihen jedoch bei einer anhaltenden konjunkturellen Abschwächung als sehr wahrscheinlich angenommen werden kann, stellt es für Unternehmensanleihen auch ohne seine tatsächliche Aktivierung ein zusätzliches Sicherheitsnetz dar. Die Diskussion um einen möglichen Einsatz wird die Kaufbereitschaft für Unternehmensanleihen auch bei den Investoren schüren, die in der Vergangenheit in diesem Marktsegment noch nicht aktiv waren. Niedrige HürdeIn jedem Fall dürfte sich die Entscheidung über erneute Nettoanleihekäufe der EZB bis ins erste Quartal 2020 hinauszögern und zunächst dürfte die EZB mittels einer erneuten Absenkung des Einlagensatzes versuchen, einen expansiven Impuls zu setzen. Mario Draghis Kommentare beim EZB-Symposium in Sintra, wo er eine erneute geldpolitische Lockerungsrunde ankündigte, falls es zu keiner konjunkturellen Verbesserung kommt, unterstreichen, wie niedrig inzwischen die Hürde zum Handeln ist. Kombiniert mit der Diskussion um einen gestaffelten Einlagensatz wird dies die Fantasie auf weitere Zinsschritte zu einem späteren Zeitpunkt befeuern. Dabei scheint es unerheblich, dass es zweifelhaft ist, ob ein “Mehr” an geldpolitischer Lockerung tatsächlich die gewünschten konjunkturellen Effekte haben wird. Die Nominierung von IWF-Chefin Lagarde als Nachfolgerin von Draghi dürfte an dem Muster nichts ändern, sondern die Wahrnehmung bei Investoren, dass die EZB im Zweifel expansiver agieren wird, eher verstärken.Die Kombination aus expansiven Impulsen der EZB (und anderer Zentralbanken) sowie die Suche nach Renditepickups sollten in den kommenden Monaten weiterhin eine Outperformance von Anleihen mit schwächerem Rating und längeren Laufzeiten begünstigen. Dabei sollte der Schwerpunkt eher auf nichtzyklischen Sektoren liegen, da ein erneutes Aufflackern von Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China oder auch der EU in den kommenden Monaten möglich bleibt. Die Kasse sollte angesichts der Möglichkeit einer Wiederaufnahme von Anleihekäufen der EZB im kommenden Jahr gegenüber dem CDS-Markt outperformen und die CDS-Basen (Spread zwischen CDS und ASW-Spread Anleihe) sollten sich ausweiten. *) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.