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Palantir als die dunkle Seite der KI

Die Palantir-Aktie schwimmt auf der Welle des Künstliche-Intelligenz-Booms, stellt aber von den Geschäftsfeldern her quasi die dunkle Seite der KI dar. Letztlich ist es fraglich, ob die hohe Bewertung der Aktie langfristig zu halten ist.

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Palantir als die dunkle Seite der KI

ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Aktien aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) erfreuen sich derzeit eines enormen Hypes. Bestes Beispiel dafür ist Nvidia, der Titel hat seinen Wert binnen eines Jahres verdreifacht. Ein anderes Unternehmen, das ebenfalls dem KI-Sektor zugerechnet wird, hat in den vergangenen zwölf Monaten ebenfalls ordentlich zugelegt, blieb aber mit einem Kursanstieg von 43% deutlich hinter Nvidia zurück. Das veranlasst einige Analysten, hier noch viel Kurspotenzial zu sehen.

Die Lage ist aber komplizierter, denn im Gegensatz zu Nvidia hatte Palantir zuletzt, nämlich in den vergangenen drei Monaten, einen Kursrückgang von fast 14% hinzunehmen.

Palantir, benannt nach den „sehenden Steinen“, einem magischen Überwachungsinstrument aus der Fantasy-Saga „Herr der Ringe“, stellt quasi die dunkle Seite der KI dar. Das Unternehmen wurde 2004 von dem Paypal-Mitgründer und Technologie-Investor Peter Thiel gegründet, wobei der US-Geheimdienst CIA über seinen Wagniskapitalzweig In-Q-Tel eine Anschubfinanzierung von 2 Mill. Dollar beisteuerte. Palantir lässt sich dem KI-Sektor, aber genauso gut dem militärisch-industriellen Komplex bzw. den Lieferanten von moderner Software zur Massenüberwachung zurechnen.

Das Palantir-Hauptprodukt „Gotham“ entstammt der jahrelangen Zusammenarbeit des Unternehmens mit den US-Geheimdiensten. Es ermöglicht die Auswertung großer strukturierter und unstrukturierter Datenmengen, unter anderem für Zwecke des Predictive Policing, also der Verhaltensvorhersage zur Ermöglichung präventiver staatlicher Maßnahmen. Zu diesen Zwecken lieferte Palantir ab 2017 auch die Analyse-Software „HessenData“ an die hessische Polizei, deren weitreichende Verwendung 2023 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig untersagt wurde. Unternehmenskunden und Behörden stellt Palantir zudem mit „Foundry“ eine Software für Datenintegration, Informationsmanagement und quantitative Analysen und mit „Apollo“ ein Continous Delivery System zur Auslieferung und Steuerung von „Gotham“ und „Foundry“ zur Verfügung. Ferner gibt es noch „Meta Constellation“, ein System zur Auswertung von Satellitenbildern, das laut CEO Alex Karp für einen Großteil der Zielbestimmungen für Artillerie- und Panzerangriffe der ukrainischen Armee eingesetzt wird.

Trotz dieser zukunftssicheren Geschäftsfelder sind die Meinungen der US-Analystengemeinde zur Palantir-Aktie gemischt. Von 19 Banken raten nur drei zum Kauf und zwei stufen den Titel mit „Overweight“ ein. Acht Häuser raten dazu, die Aktie im Portfolio zu behalten. Zudem gibt es eine Beurteilung mit „Underweight“ und fünf Verkaufsempfehlungen. Das durchschnittliche Kursziel für die kommenden zwölf Monate liegt bei 21,23 Dollar, womit bezogen auf den aktuellen Kurs von 20,74 Dollar kaum noch Kurspotenzial bestehen würde. Der Hauptgrund für die Zurückhaltung der Analysten besteht darin, dass die Aktie schlicht sehr teuer ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Ergebnisschätzungen der zurückliegenden zwölf Monate von 166.

Das Unternehmen kommt immerhin auf eine Marktkapitalisierung von mittlerweile knapp 47 Mrd. Dollar.

Ansprechendes Wachstum

Palantir bietet durchaus ansprechendes Wachstum, wobei allerdings die Wachstumsraten der Erlöse der Jahre 2020 und 2021 von 47% und 41% inzwischen nicht mehr erreicht werden. 2023 ergab sich noch ein Anstieg von 16,7% auf 2,23 Mrd. Dollar Umsatz. Immerhin wurde aber im vergangenen Jahr die Gewinnschwelle erreicht mit 9 US-Cent je Aktie, verglichen mit einem Verlust je Anteilschein von 18 Cent im Vorjahr. Im ersten Quartal 2024 wuchsen die Erlöse um immerhin 20,7%. Der Gewinn vervierfachte sich auf 4 Cent je Aktie nach 1 Cent vor einem Jahr.

Bei hochbewerteten KI-Aktien schauen Analysten und Investoren aber genauer hin. So gab im ersten Quartal der freie Cashflow im Vorjahresvergleich um 21% nach. Die kommerziellen Einnahmen aus Software kletterten zwar gegenüber dem ersten Quartal 2023 um 27%, die entsprechenden Einnahmen aus Geschäften mit Regierungen aber nur um 16%. Für das laufende Jahr rechnet das Management mit einem Erlöswachstum von 21% und einem bereinigten operativen Gewinnanstieg von 37 bis 39%. Angesichts eines erwarteten Ergebnisses je Aktie von 33 Cent ergibt sich ein Forward-KGV von 64, was für einen Softwarekonzern nach wie vor einen sehr hohen Wert darstellt. Dasselbe gilt für eine Bewertung des 77-Fachen des freien Cashflows. Ferner ist eine operative Marge von 8,4% in den vergangenen zwölf Monaten für ein Softwareunternehmen nicht überragend.

Dafür ist aber das Verhältnis von freiem Cashflow zu Erlösen von 27,5% sehr hoch, was aber kaum Raum für weitere Verbesserungen gibt.

Klar ist, dass Palantir nicht mehr auf die Wachstumsraten vergangener Jahre kommt. Gemäß der Konsensschätzung der Analysten soll die durchschnittliche Wachstumsrate der kommenden fünf Jahre 17,4% betragen, verglichen mit 30% in den vergangenen fünf Jahren. Ob das zukünftige Wachstum ausreicht, um die hohe Bewertung zu halten, darf bezweifelt werden, insbesondere, wenn sich die Finanzlage der Regierungen – vor allem mit Blick auf die stark steigende Verschuldung in Washington – weiter verschlechtert oder die Konjunktur einbricht.

Für Palantir wird es in den kommenden Monaten und Jahren entscheidend darauf ankommen, ob es gelingt, das Image eines KI-Unternehmens aufrechtzuerhalten. Sollte das Unternehmen als Softwarehaus vornehmlich für Behörden und Regierungen oder als Teil der Rüstungsindustrie eingestuft werden oder sollte der KI-Hype auslaufen, ist die aktuelle Bewertung nicht zu rechtfertigen.