Palladium dürfte sich wieder erholen
Nach einer langen Hausse ist das vor allem in der Autoindustrie verwendete Edelmetall Palladium in eine Korrektur geraten. Diese dürfte aber nicht mehr sehr lange anhalten, weil der Markt durch ein nachhaltiges Angebotsdefizit gekennzeichnet ist.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDas vor allem in der Automobilindustrie eingesetzte Edelmetall Palladium hat im bisherigen Jahresverlauf eine beeindruckende Preisentwicklung hinter sich. Zunächst gab es einen rasanten Anstieg um 28 % auf ein Allzeithoch von 1 615 Dollar je Feinunze. Dann bekamen viele Marktteilnehmer kalte Füße, binnen sechs Handelstagen brach der Preis um rund 280 Dollar bzw 17 % auf 1 335 Dollar ein – und damit auf ein Niveau unterhalb seines rollierenden 100-Tage-Durchschnitts. Seither hat sich die Notierung wieder etwas erholt, am Mittwoch aber wieder um 2,4% auf 1 394 Dollar nachgegeben.Auslöser für den plötzlichen Schwächeanfall des Palladiumpreises war eine Flut schlechter Konjunkturdaten. Insbesondere zu nennen ist ein Einbruch der Automobilzulassungen in China im Februar von im Vorjahresvergleich 17 %, der von einem Absturz der Einzelhandelserlöse im Reich der Mitte um 19 % flankiert wurde. Eine enttäuschende Nachfrage nach Automobilen gibt es aber auch in den USA, wo die Lagerbestände an nicht abverkauften Pkw mittlerweile fast auf Rekordniveau gestiegen sind. Schwach zeigten sich auch die Pkw-Zulassungen in Europa. Dies alles ist insofern von zentraler Bedeutung für den Palladiummarkt, als die Verwendung von Palladium in Abgasreinigungskatalysatoren vor allem für Benzinmotoren einen bedeutenden Teil der Nachfrage nach dem Metall stellt. Nicht weniger als 80 % der Nachfrage nach dem Metall kommen aus der Automobilindustrie.Die enorme Hausse des vergangenen Jahres und der ersten Monate 2019 war übrigens erst durch den Dieselskandal möglich geworden. In Katalysatoren für Dieselmotoren wird meistens Platin eingesetzt, während für Benzinmotoren auf das in früheren Jahren billigere Palladium gesetzt wurde. Mit beigetragen zum aktuellen Preisrückgang hat aber auch die allgemeine Konjunkturschwäche, die ein anspruchsvolleres Umfeld für viele Rohstoffe schafft. Eine Nebenrolle spielten sicherlich auch Bemerkungen des Anglo-American-CEO Mark Cutifani, der von einer Blase am Palladiummarkt gesprochen und damit viel Resonanz gefunden hat. Nur ein IntermezzoWenn man sich vergegenwärtigt, dass die Unze Palladium 2016 noch weniger als 700 Dollar gekostet hat, wird klar, dass die Korrektur, wie es Rohstoffanalyst Eugen Weinberg von der Commerzbank formuliert, “lange überfällig” war. Er spricht vom “Platzen einer Blase” am Markt. Damit stellt sich aber die Frage, wie es mit dem Palladiumpreis weitergeht. Mit Blick auf die Nachfrage und die Versorgung des Marktes rechnet praktisch kein Marktbeobachter damit, dass es einen Rücksturz bis auf die Preisniveaus des Jahres 2016 gibt. Zwar lässt sich nicht voraussagen, ob es eine weitere Schwächeperiode bevorsteht, die den Palladiumpreis noch stärker nach unten treibt. Dies dürfte dann aber wohl nur ein relativ kurzes Intermezzo sein.So gehen beispielsweise die Rohstoffanalysten der schweizerischen Großbank UBS davon aus, dass sich der Palladiumpreis in den kommenden Monaten wieder bis auf rund 1 595 Dollar erholen wird – damit auf ein Niveau knapp unterhalb des Rekordhochs. Sie betonen zwar auch, dass der negative Nachfragetrend in der Automobilindustrie nicht ignoriert werden dürfe. Allerdings steige der Anteil von Palladium in Autokatalysatoren weiter an, weil sich auf diese Weise strengere Umweltbestimmungen leichter einhalten lassen. Für das laufende Jahr gehen sie nun von einer Unterversorgung des Marktes um 691 000 Unzen aus, bislang hatten sie ein Defizit von 564 000 Unzen erwartet. Beim renommierten Marktbeobachter Johnson Matthey ist sogar von einem strukturellen Defizit von fast 1 Mill. Unzen im laufenden Jahr die Rede. Wie Johnson Matthey anmerkt, würde das Defizit des laufenden Jahres auch dann nicht gedeckt sein, wenn – theoretisch – sämtliche ETF-Bestände sofort in die Industrie gingen. Die Produktion kann nicht einfach ausgebaut werden, da Palladium ein Nebenprodukt der Förderung von Metallen wie Nickel und Platin ist. AngebotslückeAuch für die Folgejahre heben die UBS-Analysten ihre Erwartungen für die Angebotslücke an, und zwar um jeweils 8 bis 19 %. Während die Nachfrager aus der Industrie nun von dem niedrigeren Preis profitieren sollte, raten die Analysten der UBS den Finanzinvestoren, vorsichtig zu sein und abzuwarten, ob es sich bereits um eine Bodenbildung handelt. So sei die Positionierung spekulativer Adressen an der US-Terminbörse Nymex weiter zurückhaltend, und im laufenden Jahr seien die Zuflüsse in ETF bescheiden gewesen. Baisse bei PlatinWährend Palladium haussierte, gab es beim Schwestermetall Platin eine ausgeprägte Baisse. Inzwischen beginnt aber auch wieder der Platinpreis anzuziehen, trotz eines anhaltenden Angebotsüberschusses. Im laufenden Jahr hat sich das Edelmetall um knapp 7 % verteuert. Branchenbeobachter gehen nämlich davon aus, dass sich auch die platinbasierten Katalysatoren so weiterentwickeln lassen, dass sie die Effizienz der Palladium-Katalysatoren erreichen. Das werde zwar rund 18 Monate Entwicklungszeit benötigen. Die Perspektive sollte aber ausreichen, um eine neue längerlaufende Palladium-Hausse zu verhindern – trotz der Unterdeckung des Marktes.Auf längere Sicht dürfte der Palladiumpreis auch unter dem Siegeszug der Elektromobilität leiden. Dann nämlich sollten Kupfer, Lithium und Kobalt von der Preisentwicklung her die Nachfolge von Palladium antreten.