Passiv wächst stärker

ETFs erschließen sich mit Nachhaltigkeit weiteres Wachstumsfeld - Bundesbank stuft Risiken durch börsennotierte Indexfonds als begrenzt ein

Passiv wächst stärker

Von Werner Rüppel, FrankfurtNun dürfte jedem klar sein, dass Exchange Traded Funds, kurz ETFs, eine bedeutende und zunehmend gewichtigere Rolle an den Finanzmärkten spielen. Denn im Oktober 2018 ist auch die Deutsche Bundesbank in ihrem Leitmedium Monatsbericht auf die wachsende Bedeutung der börsennotierten Indexfonds eingegangen. Und der Aufsatz der Notenbanker hat immerhin einen Umfang von 23 Seiten. So viel Platz bekommen nur Themen, die wirklich wichtig sind. Disruptive WirkungETFs sind es mit ihrem rasanten Wachstum sicherlich. Ihre Bedeutung als Anlagevehikel im internationalen Finanzsystem hat “in vergangenen Jahren zugenommen”, stellt die Bundesbank denn auch fest. Zudem hat sich die passive Revolution in der Fondsindustrie auch im Jahr 2018 mit unverminderter Wucht fortgesetzt. Die preisgünstigen börsennotierten Indexfonds haben darüber hinaus in den vergangenen Monaten neue Segmente erschlossen, die zuvor eher als Domänen für aktive Fondsmanager galten. So bieten neben Anleihe- insbesondere Nachhaltigkeits-ETFs neue Wachstumsfelder. Offensichtlich lässt sich fast alles im Mantel eines Indexfonds darstellen. ETFs werden daher weiter überdurchschnittlich zulegen und disruptiv auf die gesamte Fondsindustrie wirken.Doch wo stehen wir eigentlich? Nach Berechnungen der Deutschen Bank betrugen die in ETFs weltweit angelegten Gelder Ende November 2018 knapp 4,8 Bill. Dollar in exakt 4 952 Produkten. Das sind zwar nur 4,1 % mehr als die 4,5 Bill. Dollar, die Ende 2017 im ETF-Mantel gehalten wurden. Aber das abgelaufene Jahr war ein schwieriges an den Aktienmärkten mit Verlusten in wichtigen Regionen. Und Produkte auf Dividendentitel dominieren mit einem Anteil von mehr als 75 % noch immer den ETF-Markt. Die Dynamik der börsennotierten Indexfonds beschreiben folgende Zahlen: Ende 2015 waren weltweit 2,8 Bill. Dollar in ETFs angelegt im Vergleich zu gerade einmal 687 Mrd. Dollar Ende 2008. Binnen zehn Jahren hat sich das Volumen der im ETF-Mantel investierten Gelder damit in etwa versiebenfacht. Auch 2018 hohe ZuflüsseVor allem ziehen die börsennotierten Indexfonds weiterhin reichlich frische Gelder an. Der November 2018 stellt weltweit den 58. Monat in Folge mit Nettozuflüssen für die ETP- (Exchange Traded Products) und ETF-Industrie dar, stellt das Analyse- und Beratungshaus ETFGI fest. Nach Berechnungen der Deutschen Bank flossen zwar 2018 bis November global “nur” 439 Mrd. Dollar nach 568 Mrd. Dollar im entsprechenden Vorjahreszeitraum in ETFs. Addiert man aber Indexfonds hinzu, die nicht an der Börse gehandelt werden, so haben nach den Berechnungen von Morningstar passive Fonds 2018 erheblich mehr frische Gelder angezogen als aktive Produkte.”Inzwischen sind wir bei einer Passivquote von 25,2 % am weltweiten Fondsvermögen angelangt”, erläutert Morningstar-Analyst Ali Masarwah. “Ohne Geldmarktfonds, die eher Cash-Management-Instrumente sind, komme ich auf 28,7 % Passivquote per Ende Oktober 2018 nach 26,8 % per Ende Oktober 2017.” Bei US-Aktienfonds beläuft sich die Passivquote per Ende Oktober 2018 bereits auf 43,8 %, während es in Europa mit 26 % doch sehr viel bescheidener aussieht. Insgesamt dominieren US-Produkte mit einem Anteil von 73,5 % den globalen ETF-Markt von 4,8 Bill. Dollar, hat die Deutsche Bank errechnet (Stand Ende November 2018). Europa hat mit einem Anteil von 15,6 % gewaltigen Nachholbedarf. Mit der Bundesbank-Analyse ist es jetzt auch amtlich, dass börsennotierte Indexfonds besonders preisgünstig sind: “Ein weiteres Produktmerkmal ist die hohe Kosteneffizienz von ETFs – insbesondere im Vergleich zu traditionellen Investmentfonds, bei denen derzeit für das aktive Management teilweise beträchtliche Gebühren bezahlt werden.” So liegen zum Beispiel nach Angaben der Deutschen Bank die laufenden Gebühren von europäischen Aktien-ETFs (gewichtet nach Assets) inzwischen bei gerade einmal 26 Basispunkten pro Jahr. Gegenüber Gebühren von 1,5 bis 2 % pro Jahr, die für aktive Aktienfonds in der Regel erhoben werden, sind ETFs damit gewaltig im Vorteil. Scharfer PreiswettbewerbAuch im abgelaufenen Jahr hat dabei ein scharfer Preiswettbewerb zwischen den ETF-Anbietern zu niedrigeren Gebühren zumindest für Standardprodukte geführt. So haben bei den europäischen Anbietern nicht nur Marktführer BlackRock mit seiner Tochter iShares (vgl. auch Tabelle unten), sondern u. a. auch große Anbieter wie die DWS und Lyxor die Gebühren insbesondere für Kernprodukte gesenkt. Und auch Anbieter wie Amundi, UBS sowie die großen US-Häuser Vanguard und State Street setzen auf niedrige laufende Kosten. Um ein Beispiel zu nennen: Lyxor bietet Produkte auf US- und UK-Aktien bereits ab 4 Basispunkten im Jahr an.Die niedrigen Kosten von ETFs und passiven Produkten überhaupt sind ein wesentlicher Grund, dass diese langfristig die meisten aktiven Fonds schlagen. So zumindest das Ergebnis fast aller Untersuchungen. Zum Beispiel hat Morningstar errechnet, dass es von aktiv verwalteten Produkten im Durchschnitt lediglich 20 % der Aktienfonds und 23 % der Rentenfonds gelang, gegenüber passiven Anlagen auf Sicht von zehn Jahren outzuperformen. Passiv schlägt also langfristig Aktiv, und wer auf ETFs setzt, geht auch nicht das Performancerisiko eines aktiven Produkts ein, dass nämlich ein Fondsmanager mit seinen Wetten völlig abschmiert. “Günstig schlägt teuer”Gebühren sind für das Abschneiden von Fonds ein wesentlicher Faktor. So hat Morningstar auch errechnet, dass “günstig teuer schlägt”. So haben im Durchschnitt 60 % der günstigen aktiven Aktienfonds und 56 % der günstigen aktiven Rentenfonds besser als passive Anlagen abgeschnitten.Bei den sehr kostengünstigen Tranchen aktiver Fonds handelt es sich in der Regel um spezielle Tranchen für institutionelle Investoren, für Privatanleger funktioniert günstig meist nur über ETFs.Die Bundesbank stellt interessanterweise fest, dass “Preiswettbewerb sowie Kostensensitivität in Bezug auf offene Investmentfonds seitens der Investoren in der Vergangenheit nicht besonders stark ausgeprägt gewesen zu sein” scheinen. Das dürfte sich aber ändern. Denn je mehr die Disruption der Fondsindustrie durch kostengünstige passive Produkte fortschreitet, desto mehr sind auch aktive Anbieter auf der Gebührenseite gefordert. Innovative Tranchen, die niedrige Basisgebühren aufweisen und nur bei erfolgreichem Abschneiden des Produkts etwas höhere Gebühren erheben, können hier eine Antwort sein.Ein weiterer Treiber für das Wachstum der börsennotierten Indexfonds stellt Mifid II dar. In der Branche wird die EU-Richtlinie, die seit Anfang 2018 in Kraft ist, mitunter als echter “Game Changer” gesehen. Denn Mifid II führt zu mehr Transparenz und zu einem verstärkten Ausweis sämtlicher Kosten von Fonds. Und da sind ETFs im Vergleich zu aktiven Produkten im Vorteil. Daher kaufen auch immer mehr institutionelle Investoren ETFs. Und Geldtöpfe, die sich gegenüber ihren Anteilseignern rechtfertigen müssen, fahren meist besser damit, ein kostengünstiges Produkt zu erwerben.Mit am bemerkenswertesten war 2018, dass sich die ETF-Industrie mit dem Thema Nachhaltigkeit ein neues Wachstumssegment erschlossen hat. Die Erfahrung lehrt: Fast alles lässt sich kostengünstig im Passivmantel darstellen. Anbieter wie die DWS-Tochter Xtrackers, Lyxor, HSBC oder iShares haben 2018 meist mehrere ESG-ETFs aufgelegt. Wobei ESG für die Bereiche Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance steht. Und im Dezember ist Unicredit mit einem ETF auf grüne Anleihen an den Markt gegangen.ETFGI stellt fest, dass sich seit Auflegung des ersten ESG-ETFs im Jahre 2002 (das war der iShares USA ESG Select) die Zahl und die Bandbreite der Produkte ständig erhöht hat. Ende Oktober 2018 hat das Analysehaus weltweit 200 ESG-ETFs gezählt, davon wurden 62 neue Produkte 2018 aufgelegt (vgl. auch Chart links). Dabei flossen vor allem im Oktober mit mehr als 1 Mrd. Dollar erhebliche frische Gelder in die Nachhaltigkeits-ETFs. SchutzmechanismenMorningstar Research hat wiederum in einer Studie zu “Passive Sustainable Funds” festgestellt, dass zwar rund 25 % des weltweiten Fondsvermögens passiv angelegt sind, aber nur rund 12 % bei nachhaltig ausgerichteten Produkten. Morningstar folgert daraus: “This implies there is plenty of room for growth.” Nachhaltige Geldanlagen gewinnen ohnehin an Gewicht. Aufgrund ihres vergleichsweise niedrigen Ausgangsniveaus dürften entsprechende ETFs in den kommenden Jahren etliche neue Gelder generieren.Der Boom der ETFs wirft die Frage auf, welche Risiken mit der wachsenden Bedeutung der börsennotierten Indexfonds verbunden sein mögen. Hier gilt es zunächst klarzustellen, dass ETFs keine eierlegende Wollmilchsau sind, sondern denselben Marktrisiken unterliegen wie andere Wertpapiere und aktive Fonds. Wenn also der Dax wie im abgelaufenen Jahr deutlich verliert, dann fällt auch der Wert eines Dax-ETFs entsprechend klar zurück.In ihrer Analyse geht die Bundesbank ausführlich auf Liquiditäts-, Gegenpartei- und Preisbildungsrisiken von ETFs ein und untersucht, wie sich die börsennotierten Indexfonds in Flash Crashs verhalten haben. Dabei stufen die Notenbanker die von den ETFs ausgehenden Risiken für das gesamte Finanzsystem als begrenzt ein. Allerdings deute die Analyse verschiedener Flash Crashs darauf hin, dass Potenziale zur kurzfristigen Verstärkung von Phasen ausgeprägter Anspannungen an den Finanzmärkten bestünden. Kosteneffizient vorsorgenVor allem Funktionsstörungen im Preisbildungsprozess bei den autorisierten Teilnehmern (Authorized Participants) könnten zu einem Auseinanderdriften zwischen ETF-Preis und Referenzindex führen. In der Vergangenheit seien derartige Störungen auf wenige Minuten begrenzt gewesen. Es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es, vor allem bei Stressereignissen, auch zu länger anhaltenden Phasen versiegender Marktliquidität oder sich fortsetzender negativer Preisdynamiken kommen kann.Gemäß der Bundesbank-Analyse bestehen allerdings bereits verschiedene Schutzmechanismen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit von ETFs: “Bei einem Anstieg der Volatilität in Stressphasen scheinen Handelsunterbrechungen einen Beitrag zur Marktstabilisierung leisten zu können.”Alles in allem schreitet die passive Revolution voran, und die ETF-Industrie erschließt sich immer neue Wachstumsfelder. Die Bundesbank hebt hervor, dass ETFs durch die Möglichkeit “einer kosteneffizienten Investition in ein diversifiziertes Portfolio” hervorstechen. Zudem werde auch ein Zugang zu Marktsegmenten eröffnet, der über andere Anlageinstrumente nur schwer erreichbar sei. Und die Notenbanker stellen fest: “Dies kann auch im Hinblick auf den Vermögensaufbau für die Altersvorsorge relevant sein.” Vor diesem Hintergrund bleibt es dabei: Passiv wächst stärker.