China-Börsen

Peking stemmt sich gegen Aktienmisere

Chinas Aktienbörsen sind im Oktober weiter unter Druck geraten. Peking startet neue Versuche die von Konjunkturpessimismus und Immobilienmarktproblemen geprägte Stimmung zu durchbrechen.

Peking stemmt sich gegen Aktienmisere

Peking geht Börsenmisere an

Leitindizes stoßen an kritische Marken – Staatsvehikel inszeniert Stützungskäufe

Chinas Aktienbörsen sind im Oktober weiter unter Druck geraten. Peking startet neue Versuche, die von Konjunkturpessimismus und Immobilienmarktproblemen geprägte Stimmung zu durchbrechen. Erstmals seit dem Börsencrash vom Sommer 2015 setzen Staatsvehikel wieder zu Stützungskäufen an.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

In Peking scheint die Frustration darüber zu wachsen, dass die seit Jahresmitte eingeleiteten Stimulierungsmaßnahmen für die im Frühjahr in eine unerwartete Abschwungphase geratene Wirtschaft an den Börsen in Hongkong, Schanghai und Shenzhen praktisch keinerlei Eindruck gemacht haben.

Angesichts des noch immer eingetrübten Konsumklimas, manifester investiver Zurückhaltung bei den Privatunternehmen und geringer Aussichten auf eine Linderung der Verschuldungskrise chinesischer Immobilienentwickler stoßen die zweckoptimistischen Konjunkturbotschaften des Regierungsapparates weitgehend auf taube Ohren und lassen einen verstärkten Kapitalabzug seitens internationaler Investoren befürchten.

Symbolische Schwellen erreicht

Obwohl jüngste Konjunkturdaten mit einem kräftiger als erwartet ausgefallenen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal von 4,9% und einer Belebung der Konsumaktivität als Anzeichen für eine Stabilisierung der Konjunktur angesehen werden, hat sich die Börsenmalaise in der zweiten Oktoberhälfte verstärkt und Leitindizes für die Festlandbörsen marktpsychologisch kritische Schwellen unterschreiten lassen.

Von symbolischer Bedeutungsschwere ist dabei auch die Beobachtung, dass der Blue-Chip-Index CSI zu Wochenbeginn wieder unter die Marke von 3.500 Punkten gedrückt wurde. Nun liegt man wieder auf dem Niveau vom Oktoberende 2022, als die chinesischen Börsen wegen der zermürbenden Corona-Restriktionen unter dem Banner der Null-Covid-Politik eine extrem schwere Delle erlitten.

Ein CSI 300 bei wieder etwa 3.500 Punkten heißt dabei nichts anderes, als dass die im November 2022 vom nahenden Ende der Null-Covid-Politik gezündete „Wiederöffnungsrally“ an den chinesischen Börsen nach den enttäuschten Hoffnungen auf eine nachhaltige konsumgeleitete Konjunkturerholung komplett verfrühstückt worden ist.

Schlag ins Gesicht

Für Pekings Wirtschafts- und Kapitalmarktlenker ist dies ein regelrechter Schlag ins Gesicht, zumal man in diesem Jahr schon eine Reihe von Hebeln in Bewegung gesetzt hatte, um auf das schwache Marktvertrauen einzuwirken. Diese reichen von „Maulkörben“ für heimische Analysten in Bezug auf stark negativ geprägte Markteinschätzungen, der Anweisung zu Aktienrückkäufen seitens großer Staatsunternehmen, Einschränkungen von Shortselling-Aktivitäten der Brokerhäuser bis zu Auflagen an heimische Fondsgesellschaften, keine Nettoverkäufe am Aktienmarkt zu tätigen. All das hat bislang wenig geholfen, so dass nun eine weitere Interventionsstufe gezündet wird.

In der vergangenen Woche wurde das dem Staatsfonds CIC angegliederte Vehikel Central Huijin, das die Beteiligungen an den von der Zentralregierung kontrollierten staatlichen Großbanken verwaltet, erstmals überhaupt mit Aktienkäufen bei den vier größten Banken des Landes, darunter ICBC und China Construction Bank, aktiv. Es handelte sich angesichts des Kleckerbetrages von umgerechnet etwa 60 Mill. Euro nur um eine symbolische Geste, um zu bekunden, dass der Staat die stark unter Wasser stehenden Aktien seiner Bankschäfchen nicht weiter abrutschen lässt.

Stützungskäufe en vogue

Nun allerdings ist der Staatsfonds in Gestalt von Central Huijin allerdings auch erstmals mit Engagements über die Schiene von ETFs vorstellig geworden. Dabei dürfte man nicht zuletzt Werten am sogenannten Star Market als Technologie-Segment der Börse Schanghai unter die Arme gegriffen haben. Schließlich war der vor drei Jahren aufgezogene Star-50-Index, in dem nicht die in Hongkong notierten Tech-Riesen wie Alibaba oder Tencent, sondern chinesische Börsenneulinge aus Hightech-Branchen wie bei Chiptechnologie oder künstlicher Intelligenz vertreten sind, zu Wochenbeginn auf ein Rekordtief abgerutscht.

Verfrühter Jubel

In der chinesischen Staatspresse wird zwar bereits darüber gejubelt, wie der gekonnte Einsatz von öffentlichen Vehikeln die Märkte wieder auf Kurs bringt, tatsächlich hat sich freilich noch wenig getan, um von einem wie immer gearteten Durchbruch auszugehen. Dies zeigt umso mehr die letztlich doch recht laue Reaktion der Märkte auf einen Dienstagnacht bekannt gemachten fiskalischen Rundumschlag der Regierung.

Peking kündigt eine deftige Ausweitung des diesjährigen Budgetdefizits an und will mit einem Emissionsschub an Regierungsanleihen in Höhe von umgerechnet 130 Mrd. Euro zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten einen kräftigeren fiskalischen Stimulus einbringen. An den Festlandbörsen reichte die frohe Botschaft allerdings lediglich aus, den CSI 300 und den marktbreiten Shanghai Composite Index um jeweils 0,5% anzuschieben.

Im Hongkonger Markt sprang der Hang Seng China Enterprises Index (HSCEI) in einer ersten Reaktion zwar um bis zu 3% an, zum Schlussgong am Mittwoch reduzierte sich der Vorsprung allerdings wieder auf 0,9%. Bezeichnenderweise ist dies dennoch der kräftigste Tagesgewinn seit Septembermitte.

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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