GELD ODER BRIEF

Pessimisten übertreiben bei Drillisch

Von Heidi Rohde, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.7.2018 "Langfristige Investoren" von Drillisch, wie sie vor rund einem Jahr von United-Internet-Chef Ralph Dommermuth angesichts der geplanten Übernahme des bisherigen Konkurrenten im Mobilfunk...

Pessimisten übertreiben bei Drillisch

Von Heidi Rohde, Frankfurt”Langfristige Investoren” von Drillisch, wie sie vor rund einem Jahr von United-Internet-Chef Ralph Dommermuth angesichts der geplanten Übernahme des bisherigen Konkurrenten im Mobilfunk angesprochen wurden, müssen sich vorkommen wie in einem Alptraum: Binnen zwei Wochen hat die Aktie der 1&1 Drillisch AG, an der United Internet 73,3 % hält, sage und schreibe ein Viertel an Wert verloren. Allein rund 15 % waren es seit dem 26. Juni, dem Tag, als Commerzbank-Analystin Heike Pauls ihre Kaufempfehlung kassierte und das Papier auf “Halten” setzte, allerdings mit einem Kursziel von immerhin noch 60 Euro. Pauls rechnet unter anderem aufgrund einer neuen Preisoffensive der Marke Blau von Telefónica Deutschland mit verschärftem Wettbewerbsdruck.Sie erwartet daher, dass 1&1 Drillisch das angepeilte Ziel beim Neukundenwachstum im Gesamtjahr um etwa 15 % verfehlen wird. Die Herabstufung gerade durch die Hausbank hat die Anleger in einem Ausmaß in Alarmbereitschaft versetzt, die Pauls selbst überrascht hat. Auch sie hält den Ausverkauf mittlerweile für überzogen. Keine StörsignaleAus dem Unternehmen gibt es bisher keine Signale, dass bei der Vorlage der Halbjahresergebnisse, die am 9. August veröffentlicht werden, irgendwelche Hiobsbotschaften zu erwarten sind. Eine Gewinnwarnung sei keinesfalls in Sicht, heißt es in unternehmensnahen Kreisen. Allerdings signalisiert die Gesellschaft, für die United Internet im laufenden Jahr 300 Mill. Euro budgetiert hat, um das Wachstum voranzutreiben, dass vom Neukundenzuwachs im zweiten Quartal nicht allzu viel erwartet werden sollte. Das hat offenbar gereicht, um bei den Investoren Zweifel an der Wachstumsstory zu sähen. Tatsächlich dürfte vor allem die im Branchenvergleich hohe Bewertung von 1&1 Drillisch Nervosität und Panik genährt haben. Zum 52-Wochen-Hoch von 72,35 Euro war das Papier mit dem 17-fachen Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) auf Basis der Bloomberg-Schätzungen für 2018 bewertet, während die Konkurrenz im mittleren einstelligen Multiple-Bereich notiert, große Wettbewerber sogar deutlich darunter. Aktuell wird die 1&1-Drillisch-Aktie auf Basis der Konsensschätzungen bei Bloomberg mit dem 11,3-fachen Ebitda (Basis 2018) bzw. dem 10-fachen auf Basis 2019 bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt für 2018 bei 20,01 und beträgt für das kommende Jahr 17,32.Das Gros der Analysten hält das aktuelle Kursniveau allerdings für deutlich zu niedrig. Unter den von Bloomberg gezählten Experten dominieren klar die Kaufempfehlungen mit 15 zu zweimal “Halten” und zweimal “Verkaufen”. Der als Durchschnitt ermittelte Richtkurs liegt bei 67,79 Euro, Barclays und DZ Bank ragen mit Kurszielen von 75 Euro heraus, aber auch Kepler Cheuvreux, Jefferies und Bankhaus Lampe halten Kurse von über 70 Euro für erreichbar. Wolfgang Specht (Lampe) hält an seiner Kaufempfehlung und dem Kursziel von 73 Euro bisher fest. Dies sei angesichts der mittelfristig zu erwartenden Gewinndynamik “durchaus gerechtfertigt”. Der Experte ist von den guten Wachstumschancen des Mobilfunkanbieters überzeugt. Insbesondere im unteren und mittleren Kundensegment könnten noch sehr viele Teilnehmer angesprochen werden. Die Offensive von Blau sollte aus seiner Sicht nicht überbewertet werden. Die Marke sei im Vergleich zu United Internet und Drillisch in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent. Specht hält es zwar nicht für ausgeschlossen, dass United Internet sich entschließt, bei 1&1 Drillisch zu reagieren, um den gewohnten Preisabstand der Tarife zu den Zweitmarken der großen Netzbetreiber – üblicherweise gut 20 % – wiederherzustellen, aber das könnte dem Unternehmen allenfalls kurzfristig wehtun. Letztlich werde der Konzern seine Wachstumsziele erreichen. Bisher gibt auch noch keine Anzeichen dafür, dass United Internet sich auf den angezettelten Preiskrieg einlassen will. Die Tarife bei 1&1 Drillisch wurden nicht angepasst, auch um das Marktniveau nicht weiter abzusenken. Damit dürfte profitables Wachstum Vorrang haben vor Maximalwachstum und keine Anpassung der Gewinnprognose drohen, wohl aber ein etwas verringertes Neukundenziel 2018. Prognose stehtBisher will der United-Internet-Konzern in seiner Telekomsparte im laufenden Jahr 1,2 Millionen Nettoneukunden gewinnen, davon das Gros im Mobilfunk. Konzernumsatz und Ebitda sollen jeweils um mehr als ein Fünftel steigen. Von diesen Zielen ging Konzernchef Dommermuth, der zugleich CEO von 1&1 Drillisch ist, bei Bekanntgabe der Quartalsergebnisse im Mai nicht ab. 1&1 Drillisch zeigte auch keine Ermüdungserscheinungen. Ihr Umsatz wuchs nominell um 45 % auf 904 Mill. Euro, das operative Ergebnis sprang um 55 % auf 166 Mill. Euro.Bei Bloomberg angeführte Analysten gehen für 2018 insgesamt bei 1&1 Drillisch im Mittel von einem nominellen Umsatzanstieg um rund ein Drittel auf 3,7 Mrd. Euro aus. Das Ebitda dürfte entsprechend bei 762 (532) Mill. Euro landen. Das bereinigte Ergebnis je Aktie wird auf 2,43 Euro geschätzt, ein Plus von 6 % gegenüber Vorjahr. 2019 soll die Gewinndynamik allerdings deutlich größer sein. Dann ist je Aktie ein Sprung von 15 % auf 2,81 Euro drin, meint die Mehrzahl der Experten.Auch Pauls rechnet übrigens mit größeren Impulsen 2019, die dann spätestens den Kursen sowohl von United Internet als auch Drillisch wieder auf die Sprünge helfen sollten. Jedoch haben die Anleger auch für dieses Jahr im Grunde keinen Anlass für übertriebenen Pessimismus, schon gar nicht, was die Gewinnentwicklung betrifft. Denn eine verringerte Anzahl der Nettoneukunden dürfte auch mit verringerten Ausgaben einhergehen. Diese sind nämlich im Wesentlichen für die Vorfinanzierung teurer Smartphones gedacht, die eben nur fällig werden, wenn ein neuer Kunde unter Vertrag genommen wird.