KREDITWÜRDIG

Pfandbriefgesetz erlaubt Laufzeitverlängerung

Von Thorsten Euler*) Börsen-Zeitung, 22.10.2020 Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisierung der europäischen Covered-Bond-Gesetze (CBR) ist in Deutschland ein gutes Stück vorangekommen. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 2. Oktober...

Pfandbriefgesetz erlaubt Laufzeitverlängerung

Von Thorsten Euler*)Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisierung der europäischen Covered-Bond-Gesetze (CBR) ist in Deutschland ein gutes Stück vorangekommen. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 2. Oktober den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der CBR in deutsches Recht veröffentlicht, der auf 60 Seiten die größtenteils auf das Pfandbriefgesetz (PfandBG) entfallenden Änderungen darstellt. Zu den neuen Regelungen, die auch künftig die aktuelle aufsichtsrechtliche Privilegierung von Pfandbriefen sicherstellen sollen, zählen beispielsweise die Einführung einer zusätzlichen Überdeckungsanforderung auf Nominalwertbasis und erweiterte Transparenzpflichten der Emittenten. Von der auf EU-Ebene lange diskutierten Möglichkeit zur Ausweitung der erlaubten Deckungswerte, welche die Ansprüche der Pfandbriefgläubiger absichern, will der deutsche Gesetzgeber offenbar keinen Gebrauch machen, was unter Kreditgesichtspunkten positiv zu sehen ist.Der wesentlichste Änderungsvorschlag im PfandBG ist die Einführung einer Möglichkeit zur Fälligkeitsverschiebung bei Pfandbriefen. Die Einführung einer Regelung, um im Insolvenzfall einer Pfandbriefbank die Fälligkeit von Pfandbriefen weiter in die Zukunft verschieben zu können, wird in Deutschland zwar schon seit vielen Jahren diskutiert, aber erst jetzt liegt offiziell ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch. Im Gegensatz zu international gebräuchlichen Soft-Bullet-Strukturen sollen die Insolvenz des Emittenten und die gleichzeitig fehlende Liquidität innerhalb der Deckungsmasse nicht automatisch zu einer Verschiebung der Fälligkeit von Pfandbriefen führen. Vielmehr soll der gerichtlich bestellte Sachwalter, der nach Insolvenz der Pfandbriefbank das Pfandbriefgeschäft unabhängig von der Insolvenzmasse der Bank weiterführt, berechtigt sein, die Fälligkeit von Pfandbriefen kurz- und mittelfristig zu verschieben. “Ultima ratio”In der Vorbemerkung des Referentenentwurfs wird die Befugnis zur Fälligkeitsverschiebung als “ultima ratio” bezeichnet. Das deutet darauf hin, dass der Sachwalter dieses Mittel erst anwenden soll, wenn die anderen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (zum Beispiel Aufnahme von Brückenkrediten, Verkauf von Deckungswerten, Übertragung des Pfandbriefgeschäfts auf einen anderen Emittenten) nicht geeignet sind, um bevorstehende Zahlungsverpflichtungen aus den Pfandbriefen fristgerecht bedienen zu können.Diese Neuregelung im PfandBG hat auch einige Haken und Ösen, weshalb sie als (zu) komplex angesehen werden kann. So darf der Sachwalter zunächst alle fälligen Zins- und Tilgungszahlungen, die innerhalb von vier Wochen ab seiner Ernennung geleistet werden müssen, einheitlich auf das Ende der Vierwochenfrist – ohne besondere Begründung – verschieben. Diese kurzfristige Verschiebung soll dem Sachwalter laut Gesetzesbegründung genügend Zeit geben, um sich einen Überblick über das Pfandbriefprogramm und dessen Liquiditätssituation zu verschaffen sowie Fortführungsmöglichkeiten auszuloten. Solch eine kurzfristige Verschiebungsmöglichkeit ist im internationalen Covered-Bond-Markt bislang unüblich, erscheint aber sehr sinnvoll, damit der Sachwalter keine überhasteten und möglicherweise im Nachhinein für die Pfandbriefgläubiger nachteiligen Entscheidungen treffen muss. Unabhängig von der kurzfristigen Verschiebung besteht zudem die Möglichkeit, die Tilgungszahlungen von fälligen Pfandbriefen um sechs Monate zu verschieben, wobei eine eventuell bereits vorausgegangene vierwöchige Verschiebung eines Pfandbriefs angerechnet würde. Die weitere Laufzeitverlängerung dieses Pfandbriefs würde dann entsprechend verkürzt. Zinszahlungen sind hiervon allerdings ausgenommen und müssen weiter pünktlich geleistet werden. Im letzten Schritt kann die Fälligkeit der Tilgungszahlungen nochmals um sechs Monate verschoben werden. Komplexe TilgungskaskadeDie beiden Verschiebungen um jeweils sechs Monate dürfen aber nur unter drei Bedingungen erfolgen: (1) die Zahlungsunfähigkeit der Deckungsmasse wird dadurch abgewendet, (2) es besteht keine Überschuldung innerhalb des Pfandbriefprogramms und (3) es besteht Grund zu der Annahme, dass nach der Verschiebung die Verbindlichkeiten bedient werden können. Richtig kompliziert wird es aber erst durch die gesetzlichen Vorschriften zum in der CBR geforderten “Überholverbot” bei Tilgungszahlungen. Die ursprüngliche Tilgungsreihenfolge der ausstehenden Pfandbriefe darf sich durch die Verschiebung einzelner Pfandbriefe nicht ändern. Somit dürfen Pfandbriefe, die während der laufenden Verlängerungsphase anderer Pfandbriefe regulär fällig werden, nicht vor diesen zurückgezahlt werden und müssen letztlich ebenfalls verlängert werden. Allerdings sind auch vorzeitige Tilgungen vor dem Ende der jeweiligen Verschiebungsperiode erlaubt. Sollte die Verlängerung mehrerer Pfandbriefe nötig sein, die womöglich aufgrund von zwischenzeitlichen Liquiditätszuflüssen anteilig vor Ende der Verlängerungsperiode zurückgezahlt wurden, kann es zu einer komplexen Tilgungskaskade kommen.Trotz der Möglichkeit der Fälligkeitsverschiebung durch den Sachwalter bleiben die gesetzlichen Anforderungen an die Emittenten zur Vorhaltung eines Liquiditätspuffers, der die Netto-Zahlungsmittelabflüsse der nächsten 180 Tage des Pfandbriefprogramms abdecken muss, weiterhin bestehen. In anderen Ländern führen Soft-Bullet-Strukturen zu einer entsprechenden Reduzierung der Liquiditätsreserve. Aus Investorensicht ist die deutsche Regelung zu begrüßen, weil sie strenger ist (sie verlangt neben einem Gürtel auch Hosenträger). Die Emittenten dürften hingegen auf die Abschaffung des Kosten verursachenden Liquiditätspuffers spekuliert haben. Gelungene NovelleDer Referentenentwurf beinhaltet weitere Detailänderungen, die teilweise nicht von der CBR gefordert wurden. So muss zum Beispiel die Aufsicht nicht mehr alle zwei Jahre eine Prüfung des Pfandbriefprogramms durchführen, künftig reicht es alle drei Jahre. Die Verschärfung der Regeln bezüglich Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten dürfe bei den Ratingagenturen einen positiven Eindruck hinterlassen (künftig sind in der Deckungsmasse keine Forderungen an Institute aus dem eigenen Konzern mehr erlaubt). In der Entscheidungshoheit des Sachwalters über die Aktivierung der Fälligkeitsverschiebung (kein Automatismus) liegt ein Vorteil gegenüber den bisher international üblichen Soft-Bullet-Strukturen, da die Fälligkeitsverschiebung in Deutschland nur das letzte von mehreren Mitteln sein soll, um die Ansprüche der Pfandbriefgläubiger nach Insolvenz des Emittenten bestmöglich zu bedienen. Insgesamt handelt es sich um eine gelungene Pfandbriefnovelle, die mit Sicherheit nicht die letzte gewesen sein wird. *) Thorsten Euler ist Senior Covered- Bond-Analyst der DZ Bank.