Plötzlich ein Riese
So schnell wächst ein Fonds nur selten: 4 Mrd. Euro verwaltete die Luxemburger Gesellschaft Ethenea Independent Investors zum Jahresende 2012, knapp 13,7 Mrd. Euro waren es bereits zur Mitte dieses Jahres. Das Geld liegt überwiegend im Mischfonds “Ethna-Aktiv”, der vor allem in Deutschland verkauft wird. Allein im laufenden Jahr sammelte das Produkt bis Ende Juni netto 2,2 Mrd. Euro am hiesigen Markt ein, wie der deutsche Fondsverband BVI berichtet. Annähernd ein Zehntel der Nettomittelzuflüsse in Mischfonds entfallen in Deutschland damit auf das Produkt.In der Vergangenheit waren Portfoliomanager Luca Pesarini und sein ebenfalls für den Fonds verantwortlicher Kollege Arnoldo Valsangiacomo auch mit Blick auf die Fondsleistung erfolgreich. Fünf Sterne gibt das Analysehaus Morningstar dem Produkt für die zurückliegenden zehn Jahre. Der Fonds zählt damit zu den Besten der Klasse. Da der “Ethna-Aktiv” eher konservativ ausgerichtet ist, hielten sich im Krisenjahr 2008 auch die Verluste in Grenzen. Während die Aktienkurse weltweit einbrachen – Pesarini spricht von einer “brutalen Welle” -, gab der “Ethna-Aktiv” mit seinem hohen Anteil an Anleihen auf Jahressicht um knapp 4 % nach. Auch sind viele Konkurrenzprodukte jünger als der Vorzeigefonds und können somit keine so lange Geschichte vorweisen wie das Schwergewicht der Ethenea. Das zahlt sich im Fondsverkauf aus. Aber für den Verwaltungsratsvorsitzenden und Gründer der Fondsboutique ist der bisherige Erfolg auch eine Bürde. Die Erwartungen der Anleger dürften hoch sein, während die Milliarden im Fondskoffer das Produkt auch weniger flexibel machen. In sehr kleine Aktiengesellschaften oder Nischensegmente wie Hochzinsanleihen kann ein Investor nicht mal eben Milliarden investieren oder abziehen, ohne die Börsenkurse zu beeinflussen. Auch stehen Fondsmanager unter Druck, neu hinzugekommenes Anlegergeld zügig anzulegen. Ein großes Fondsvolumen und hohe Zuflüsse können Manager auf der Suche nach Rendite also behindern. In der Forschung ist allerdings umstritten, wie stark dieser Effekt ist. Der Begriff “Diseconomies of Scale” – also höhere Kosten mit zunehmender Größe – hat in der Literatur aber trotzdem schon Kreise gezogen.Pesarini hält dagegen. Der gebürtige Italiener argumentiert, dass der Fonds überwiegend in große Unternehmen und auch in Staatsanleihen investiert. Da diese Wertpapiere sehr rege gehandelt werden, bleibe auch der Fonds trotz seiner Größe flexibel. Das Fondsmanagement meide verschiedene Nischensegmente, denn für den Anlageerfolg sei es wichtig, nicht auf zu vielen Wellen zu reiten. Er wolle niemandem vorgaukeln, dass er etwa besonders gut sehr kleine Unternehmen auswählen könne oder die Klaviatur anderer Nischenthemen beherrsche. “Natürlich verpasse ich dabei die Superschnellboote”, sagt er. “Aber die würde ich womöglich ohnehin verpassen.” Besser sei es, die Risiken im Griff zu halten und die Übersicht über die verschiedenen Anlagethemen zu behalten. Mindestens die Hälfte der Fondsvermögen soll in Anleihen liegen, und zwar in Dollar und Euro. Zuletzt haben Anleihen sogar 55 % des Portfolios ausgemacht. Kleine Währungen meidet das Management. Eine weitere Säule sind Aktien, die maximal knapp die Hälfte des Volumens ausmachen dürfen. Meistens fehle dem Fondsmanagement aber der Mut für eine so hohe Quote, sagt Pesarini, so dass in den zurückliegenden Jahren in der Regel ungefähr ein Viertel auf Aktien entfiel. Zuletzt waren es 21 %. Den Rest machen im Wesentlichen Barmittel aus, ein kaum rentierlicher, aber krisenfester Anteil im Portfolio. Das passt ins Bild, denn eines der erklärten Ziele der Gesellschaft mit dem Elefanten als Wappentier ist der Werterhalt der Kapitalanlage. “Besonnen und zuverlässig” seien die Dickhäuter, legt eine Werbung der Gesellschaft nahe. “Gute Eigenschaften für ihren Fonds.”Dass unter den vielen tausend Fonds in Deutschland ausgerechnet der “Ethna-Aktiv” so bekannt ist, liegt auch an Pesarini selbst. Er taucht in den Medien immer wieder als Experte auf. In “Capital” warnte er vor der sich abzeichnenden Zinserhöhung der US-Notenbank Fed, und auch die insgesamt hohe Bewertung vieler Wertpapiere stufte er als Risiko ein. In der “Wirtschaftswoche” erklärte er, dass die bisherige Niedrigzinspolitik der Notenbanken als Reaktion auf die zurückliegende Finanzkrise sehr vorteilhaft für die Fondsbranche gewesen sei, da Anleger vermehrt nach Alternativen zu gewöhnlichen Sparkonten suchten. “Wir sind auch Krisenprofiteure”, sagte Pesarini. Und im Magazin “Das Investment” befand er bereits zu Jahresbeginn, dass er sich Schuldenschnitte bei Staatsanleihen im großen Stil in den USA und in der Eurozone in den nächsten 10 bis 20 Jahren nicht vorstellen könne, danach aber schon. Die Schuldenkrise in Griechenland flammte allerdings erst später wieder auf.Dem gebürtigen Italiener und leidenschaftlichen Segler wird damit die Rolle eines Experten zugeschrieben. Er steht für den “Ethna-Aktiv” wie etwa Fondsmanager Klaus Kaldemorgen für den “DWS Concept Kaldemorgen” oder Bert Flossbach für die Gesellschaft Flossbach von Storch und den “Multiple Opportunities” – zwei ebenfalls bekannte Fonds, die zuletzt viele Anlegergelder angezogen haben. Dabei lebt Ethenea mittlerweile fast ausschließlich von dem 2002 gegründeten Fonds. Über Verwaltungsvergütungen nahm die Gesellschaft im zurückliegenden Jahr 122 Mill. Euro mit dem Fonds ein, 56 Mill. Euro kamen als Performancegebühr hinzu. Ein Großteil fließt wieder zurück in den Vertrieb an die Vermittler, die für den Verkauf des Fonds von Ethenea entlohnt werden. Mit den sehr viel kleineren Varianten “Defensiv” und “Dynamisch” nimmt die rund 75 Mitarbeiter zählende Gesellschaft nur vergleichsweise wenig ein. Darüber hinaus hat Ethenea keine weiteren Mandate oder Fonds im Angebot. “Wir haben unsere drei Produkte, und wir bleiben auch dabei”, sagt Pesarini. Für den kahlköpfigen Fondsmanager und sein Team kommt es nun darauf an, die Leistung zu halten. Mit laufenden Kosten von 1,86 % für 2014 in der ausschüttenden Variante war der “Ethna-Aktiv” zuletzt kein günstiges Produkt. Pesarini muss zeigen, dass der Fondsriese nicht nur besonnen und zuverlässig, sondern auch fit und beweglich ist.——-2,2 Mrd. Euro sammelte der “Ethna-Aktiv” im ersten Halbjahr netto allein in Deutschland ein, berichtet der deutsche Fondsverband BVI. Mitte August betrug das Volumen des Fonds bereits 12,7 Mrd. Euro, wie die dahinterstehende Gesellschaft Ethenea berichtet. Das Mischprodukt ist bereits seit 2002 am Markt, doch setzte das rasante Wachstum erst in jüngerer Vergangenheit ein. ——- Mischfonds im HöhenflugKeine andere Fondskategorie ist in Deutschland so erfolgreich wie die Gruppe der Mischfonds. Im ersten Halbjahr vertrauten deutsche Sparer den Produkten unterm Strich weitere 23,8 Mrd. Euro an, während für Aktien- und Rentenfonds nur 6,2 und 8,4 Mrd. Euro zusammenkamen, berichtet der deutsche Fondsverband BVI. Die Verkäufer der Banken und Sparkassen empfehlen die Produkte, weil sie ein Anlagekonzept aus einer Hand bieten, was die Beratung und Dokumentation erleichtert. Die Fondsgesellschaften fachen den Boom mit den Provisionen an, die sie an ihre Vertriebspartner für den Verkauf der Produkte zahlen. Die Sparer selbst schätzen Mischfonds, weil sie ein gutes Verhältnis aus riskanten Aktien und vergleichsweise sicheren Anleihen bieten können. Sie wissen, dass sie mit gewöhnlichen Sparkonten kaum noch Zinsen auf ihr Geld erhalten. “Wir profitieren als Branche von der Niedrigzinspolitik der Notenbanken”, sagt Ethenea-Portfoliomanager Luca Pesarini.