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Politische Risiken determinieren Spreads

Von Jan Holthusen *) Börsen-Zeitung, 18.1.2018 Eigentlich läuft es richtig gut. Die Wirtschaft in der Eurozone wächst so stark wie seit 2007 nicht mehr: Der Ifo-Index eilt von einem Höchststand zum nächsten, China zeigt sich stabiler als noch vor...

Politische Risiken determinieren Spreads

Von Jan Holthusen *)Eigentlich läuft es richtig gut. Die Wirtschaft in der Eurozone wächst so stark wie seit 2007 nicht mehr: Der Ifo-Index eilt von einem Höchststand zum nächsten, China zeigt sich stabiler als noch vor einem Jahr, und der Ölpreis stellt bisher keinen Grund zur Beunruhigung dar. Gleichzeitig sind die Deflationssorgen vertrieben, auch wenn die Teuerung noch unterhalb ihrer Zielmarke liegt. Auch die Aktienmärkte befinden sich weiter im Aufwärtstrend – die Eurozone verweilt also im Goldilocks-Modus. Auf ErholungskursSelbst US-Präsident Trump hat es mit seiner bisweilen irrational erscheinenden Politik nicht geschafft, den Erholungskurs der Währungsunion ins Wanken zu bringen. Gleiches gilt für andere mächtige und einflussreiche Akteure wie Kim Jong-un, Putin, Erdogan oder Xi Jinping. Die Konjunktur und die Kapitalmärkte zeigen sich, abgesehen von kurzfristigen Irritationen, weitestgehend unbeeindruckt von den geopolitischen Spannungsfeldern. Somit bleibt die Kernfrage für 2018: Ist auch in diesem Jahr mit einem so positiven Szenario zu rechnen, und welche potenziellen Faktoren könnten das rosige Wachstumsumfeld bei gleichzeitig niedriger Inflation gefährden?Die globalen Frühindikatoren, die Rohstoffpreise und die anhaltend expansive Geldpolitik der meisten Zentralbanken sprechen für eine Fortsetzung des Aufschwungs in der Weltwirtschaft. Im Jahr 2017 dürfte sie um rund 3,5 % zugelegt haben, für 2018 erwarten wir mit 3,8 % eine nochmalige Beschleunigung. Die konjunkturelle Erholung in der Eurozone gewinnt zunehmend an Breite. Waren es anfangs in erster Linie die Reformstaaten Spanien und Irland und in zweiter Linie Deutschland, die das Wachstum getragen hatten, zeigt sich die wirtschaftliche Lage nun selbst in den bisher notorisch reformunwilligen und -unfähigen Staaten Frankreich und Italien verbessert. Damit nimmt das Wachstum endlich auch in der zweit- und der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone etwas Fahrt auf – für den Euroraum als Ganzes ein gutes Zeichen. Italien im BlickZwar liegt das Superwahljahr 2017 hinter uns, doch sollten politische Aspekte für die Kapitalmärkte auch 2018 eine gewichtige Rolle spielen. Ob und wann Deutschland eine stabile Regierung haben wird, steht zu Beginn des neuen Jahres noch in den Sternen. Nicht unterschätzt werden sollte das Thema Italien. Durch ein Überschwappen der positiven Konjunkturentwicklung profitiert das Land zwar nun auch ohne Reformen vom Aufschwung in Europa. Das leichte Wachstum entlastet die Sozialkassen und verbessert die Perspektiven für die angeschlagenen Banken. Gefahr hingegen droht von politischer Seite. Hier stehen am 4. März Neuwahlen an, nach denen aus heutiger Sicht eine stabile, reformorientierte und proeuropäische Regierung fast eine Überraschung wäre. Überdies ist rund um die Wahl mit schrillen Tönen zu rechnen, so dass Irritationen an den Kapitalmärkten einzukalkulieren sind.Die Teuerung in der Eurozone dürfte sich in engen Grenzen halten. Die Zeiten, in denen die Europäische Zentralbank (EZB) zur Rechtfertigung ihrer ultraexpansiven Geldpolitik auf Deflationsgefahren verweisen konnte, sind zwar vorerst vorbei. Die gute Konjunktur reicht allerdings nicht aus, um die Inflationsrate schon 2018 wieder in Richtung der 2-Prozent-Marke zu treiben. Das schafft für die EZB die Rechtfertigung, der Fed bei der Normalisierung der Geldpolitik weiterhin um Längen hinterher zu sein. Mario Draghi hat in seinen jüngsten Kommentaren immer wieder deutlich gemacht, dass sich die EZB mit dem Einstieg in eine Normalisierung der Geldpolitik Zeit lassen wird. Gebetsmühlenhaft wird betont, dass mit aktuellen Werten der Inflationsrate von rund 1,5 % das Ziel der Währungshüter von “nahe, aber etwas unter 2 %” nicht erreicht sei – für die Zins- und Spread-Märkte zunächst ein positives Zeichen.Der Kurs für die ersten neun Monate des neuen Jahres ist klar. Die EZB reduziert ihre monatlichen Anleihekäufe ab Januar auf 30 Mrd. Euro und wird daran bis zum September festhalten. Wir erwarten, dass sich die Währungshüter im Frühsommer dazu äußern werden, wie es danach weitergehen soll. Eine weitere Reduktion der monatlichen Käufe halten wir für wahrscheinlich, so dass ab Anfang 2019 der Anleihebestand bei der EZB nicht weiter aufgebaut werden sollte. Danach dürften dann nur noch die – nicht unbeträchtlichen – Fälligkeiten reinvestiert werden. Seitens der Leitzinsen erwarten wir für 2018 keine Veränderung. Steigende RenditenBei der Rendite von Bundesanleihen dürften die vorerst tiefsten Stände im Sommer 2016 erreicht worden sein, als die zehnjährige Benchmark kurzzeitig in Regionen von minus 20 Basispunkten rentiert hatte. Eine Rückkehr in den negativen Bereich ist für 2018 sehr unwahrscheinlich. Zwar halten wir einen temporären Rückgang in Richtung 0,2 % nicht für ausgeschlossen, der Trend jedoch sollte insgesamt leicht aufwärtsgerichtet sein, auch wenn die Marke von 0,5 % in den kommenden Monaten ein realistisches Ziel bleiben sollte. In der zweiten Jahreshälfte 2018 dürfte es dann aufgrund einer anhaltend guten Konjunkturlage in Europa, etwas steigender Renditen in den USA sowie im Hinblick auf eine 2019 möglicherweise bevorstehende erste Zinserhöhung zu einer erneuten Aufwärtsbewegung kommen, sodass wir zum Jahresende für zehnjährige Bunds eine Rendite von 0,8 % erwarten.Die Spreads blieben 2017 insgesamt weiterhin auf niedrigem Niveau, auch wenn sich die Tiefstände nicht überall als dauerhaft erwiesen haben. Insgesamt erwarten wir für dieses Jahr, dass das positive Umfeld anhält. Irritationen, die temporär zu steigenden Renditeaufschlägen führen könnten, sind im Frühjahr im Umfeld der anstehenden Parlamentswahlen in Italien nicht unwahrscheinlich. In der Breite sollten sie jedoch nicht von Dauer sein. EZB reduziert die KäufeDie Reduktion der Anleihekäufe durch die EZB dürfte keine nachhaltig negativen Auswirkungen auf die Spreads haben, da wir davon ausgehen, dass weniger die reduzierte Netto-Kaufsumme für ihre Entwicklung relevant sein wird als vielmehr der weiter wachsende Bestand an Anleihen bei der EZB. Der Stock Effect” dürfte den “Flow Effect” also dominieren. Über alle Segmente gehen wir für 2018 im Durchschnitt zunächst von leicht steigenden, in der zweiten Jahreshälfte wieder von etwas sinkenden Spread-Niveaus aus. Insgesamt dürften sie zum Ende des Jahres 2018 grosso modo auf oder leicht unterhalb der aktuellen Niveaus liegen. Dabei kann die Entwicklung je nach Segment oder Emittent durchaus unterschiedlich verlaufen. Wir erwarten, dass emittentenspezifische Aspekte 2018 wieder eine größere Rolle spielen werden, als das in den vergangenen Jahren der Fall war.—-*) Jan Holthusen ist Leiter des Fixed Income Research bei der DZ Bank.