Politische Unruhen treiben Ölpreis

Globale Nachfrage steigt - China löst die USA als größten Nettoimporteur ab - Hohe Risiken in Syrien

Politische Unruhen treiben Ölpreis

Derzeit kämpfen etliche Opec-Länder mit politisch bedingten Förder- und Exportausfällen. Bislang belasten diese Vorkommnisse den Ölpreis noch nicht nachhaltig. Analysten warnen dennoch vor Risiken – und vor allem vor terroristischen Attacken.Von Grit Beecken, FrankfurtUnruhen in Libyen, Angriffe auf iranische Pipelines, Sicherheitsbedenken in Algerien und Nigeria – die Geopolitik ist derzeit der wohl bedeutendste Faktor bei der Ölpreisbildung, sagen Experten. Schließlich hat die politische Großwetterlage den Kurs des schwarzen Goldes in den vergangenen Monaten mitunter kräftig bewegt.Seit Jahresbeginn wurde Öl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) in einer Spanne zwischen gut 87 und 108 Dollar je Barrel (das Fass zu 159 Litern) gehandelt, Brent pendelte zwischen 50 und 108 Dollar. Dabei hat die Angebotsverknappung infolge politischer Unruhen Marktbeobachtern zufolge bislang ungesehene Dimensionen erreicht. Und es könnte schlimmer werden. Unter der Hand äußern Analysten die Sorge, die Lage in Syrien könne weiter eskalieren. Zudem fürchten sie im Irak und in Libyen Anschläge auf wichtige Förderanlagen.Angesichts der politischen Bedeutung der Vorgänge im Nahen Osten und Nordafrika will sich derzeit kaum eine Bank detailliert zu ihren Bedenken äußern. “Die Geopolitik ist einer der Schlüsselfaktoren bei der Beobachtung des Ölmarktes geworden”, sagt ein Marktbeobachter. Seiner Ansicht nach sind die Förderanlagen beispielsweise im Irak nicht ausreichend gegen terroristische Angriffe gesichert. Und die Vorkommnisse in Algerien, Nigeria und auch Ägypten zeigten die Anfälligkeit von Energieförderstätten.So sei die Arish-Ashkelon-Pipeline zwischen Ägypten und Israel allein im ersten Jahr nach dem Sturz von Ex-Präsident Husni Mubarak 13-mal angegriffen worden, schreibt Friedbert Pflüger, Direktor des European Centre for Energy and Resource Security am King’s College London. “Terroristische Angriffe auf Energieinfrastrukturen können die Sicherheit der Versorgung zu bezahlbaren Preisen bedrohen”, so der ehemalige Staatssekretär. “Überall an den Meerengen – von der Straße von Malakka über die Straße von Hormuz bis zur Meerenge Bab El-Mandeb zwischen Yemen und Somalia lauern Terroristen und Piraten, nicht selten in enger Kooperation.” Streiks in LibyenBislang sind die Ölpreise noch nicht stark gestiegen. Angesichts der Rezession im Euroraum, der lahmenden US-Konjunktur und vor allem angesichts der Sorgen um China gaben sie zeitweise sogar kräftig nach. Der Markt pendelt zwischen der Sorge um die Konjunktur in den Industrienationen einerseits und den Angebotsverknappungen andererseits. So hatte der Ölpreis von Ende Juni bis Mitte Juli angesichts der besser als erwartet ausgefallenen Konjunkturdaten aus China sowie diverser Angebotsausfälle kräftig zugelegt. Unter anderem im größten Exporthafen Libyens mit einer Verladekapazität von 350 000 Barrel pro Tag lag der Betrieb hingegen streikbedingt zwei Wochen lang brach. Im Juli sank das Angebot der Organisation erdölfördernder Länder (Opec) um 100 000 Barrel täglich. Gleichzeitig stieg das US-Angebot. Den Experten der International Energy Agency (IEA) zufolge drosselt der Fracking-Boom den Ölpreisanstieg. Bei der Fracking-Technik werden Wasser, Chemikalien und Sand unter hohem Druck in Schiefergestein gepresst. Auf diese Weise wird das Material aufgebrochen und inneliegende Öl- und Gas-Reserven erschlossen. Auf diese Weise habe der Markt die Produktionsausfälle wegen der anhaltenden Gewalt in Libyen und im Irak auffangen können, heißt es bei der IEA. Mittlerweile hat der libysche Hafen den Betrieb wieder aufgenommen, und der Markt bleibt der Commerzbank zufolge auch mittelfristig reichlich versorgt.Der IEA zufolge wird die weltweite Nachfrage anziehen. Die Agentur rechnet ebenso wie die Opec für das kommende Jahr mit einem Zuwachs in Höhe von mehr als 1 Mill. Barrel pro Tag, der durch das steigende Angebot der Nicht-Opec-Länder ausgeglichen werden dürfte. Ohne eine Kürzung der Opec-Förderung bliebe der globale Ölmarkt daher auch im kommenden Jahr überversorgt – mit einer entsprechenden Auswirkung auf die Preisbildung.Die Nachfrage aus China wird auf jeden Fall steigen. Schon im Oktober werde die Volksrepublik die USA als weltgrößten Ölimporteur ablösen, heißt es bei IEA. Dann wird China täglich netto 6,45 Mill. Barrel benötigen, die Vereinigten Staaten kaufen derzeit netto 6,23 Mill. Barrel. Vom Herbst an dürfte China täglich 11 Mill. Barrel Öl verbrauchen, in den USA dürften es dann 18,6 Mill. Barrel sein. Hedgefonds erwarten AnstiegNoch scheinen Hedgefonds und andere spekulative Adressen aber vielmehr auf eine Angebotsknappheit zu setzen. Sie haben ihre Wetten auf einen steigenden Brent-Preis deutlich ausgeweitet. Marktbeobachter verfolgen die Positionierung am Terminmarkt aufmerksam, weil sie eine Indikation für die erwarteten Preisbewegungen darstellen kann. Am Montag gaben die Ölpreise nach. WTI zur Lieferung im September kostete 0,6 % weniger und notierte bei 105,36 Dollar je Barrel. Brent wurde am Terminmarkt bei 107,92 Dollar je Barrel gehandelt, ein Abschlag von 0,3 % gegenüber dem Vortag.