Politische Unsicherheit setzt Lira zu

Türkische Währung eilt von Rekordtief zu Rekordtief - Wirtschaftswachstum niedrig, Inflation hoch

Politische Unsicherheit setzt Lira zu

Die türkische Währung Lira steht derzeit stark unter Druck. Die politische Unsicherheit wegen der autokratischen Tendenzen Erdogans belastet, das Wirtschaftswachstum lässt nach und die Inflation ist hoch. Zudem stört die restriktivere Fed-Geldpolitik.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtFinanzinvestoren haben derzeit keine Freude an türkischen Assets. Der Aktienmarkt hinkt den meisten anderen Weltbörsen hinterher. Türkische Staatsanleihen in Lokalwährung weisen mit die schlechteste Performance aller Emerging-Markets-Bonds auf. Vor allem aber steht die türkische Devise Lira unter starkem Druck. Sie eilt momentan, insbesondere gegenüber dem Greenback, von Rekordtief zu Rekordtief. Inzwischen ist die Währung auf 2,7415 Lira je Dollar gefallen. Anfang des Jahres stand sie noch bei 2,32 Lira und im Frühjahr 2014 noch bei 2,08 Dollar. Im laufenden Jahr hat die Lira fast 15 % eingebüßt.Kurzfristig sieht es nicht danach aus, dass eine Besserung in Sicht sei. Derzeit würden viele Marktteilnehmer die Lira shorten, weil sie davon ausgehen, dass die türkische Notenbank nicht zum Mittel der Leitzinsanhebung greifen wird, um die Währung zu verteidigen. Darauf deutet in der Tat vieles hin, denn in ihrem Statement nach der letzten Zinssitzung hat sie betont: “Die anhaltend vorsichtige Geldpolitik hat zusammen mir der klugen Fiskalpolitik eine vorteilhafte Wirkung auf die Inflation.” Zwar ist die Geldentwertung im April auf 7,9 % gestiegen, womit sie sich im vierten Jahr in Folge oberhalb des Zentralbankziels von 5 % befindet. Zentralbankgouverneur Erdem Basci hat allerdings am 30. April betont, dass der sich verschlechternde Inflationsausblick keine straffere Geldpolitik erfordere. Die Notenbank dürfte vor den Wahlen am 7. Juni die Zinsen nicht erhöhen. Aber auch danach muss sie darauf achten, dass sie das Wirtschaftswachstum nicht abwürgt.Das Hauptproblem, unter denen die türkischen Kapitalmärkte leiden, ist aber nicht Inflation oder das nachlassende Wirtschaftswachstum – Ende 2014 lag es noch bei 2,6 %, ein Viertel des Werts von 2010 -, sondern die hohe und vor allem steigende politische Unsicherheit. Der ehemalige Premierminister und jetzige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will seine Macht weiter ausbauen und dazu die Türkei nach den Wahlen, die seiner Partei AKP die absolute Mehrheit sichern soll, per Verfassungsänderung zu einem ausgeprägten Präsidialsystem umgestalten, das sich nach Ansicht von Kritikern immer mehr in Richtung einer Autokratie entwickelt. Dementsprechend nehme auch die Korruption im Land zu. Erdogan hat zudem mehrfach das “internationale Finanzkapital” zum Feindbild erklärt. In einem derartigen Umfeld halten sich ausländische Investoren zurück. Börse Istanbul schwachIn der Folge hat der Leitindex der Börse Istanbul, der BIST, im laufenden Jahr um 3,5 % nachgegeben. Zum Vergleich: Der Dax kommt auf ein Plus von 16,6 % und der Euro Stoxx 50 auf einen Anstieg von 13,7 %. Gleichzeitig sackt der Anleihemarkt ab: Die Rendite zweijähriger Staatsanleihen ist Jahresanfang um mehr als 220 Basispunkte (BP) auf 10,28 % gestiegen, die der zehnjährigen Papiere um mehr als 130 BP auf 9,30 %. Anleger, die auf türkische Lokalwährungsbonds gesetzt haben, büßten im laufenden Jahr rund 17 % ein.Dementsprechend hat der türkische Staat Probleme, bei Privatisierungen seine Assets loszuwerden. Im März musste die Gebotsfrist für die Versicherungssparte der Staatsbank Türkiye Halk Bankasi verlängert werden. Zur Pleite wurde der Verkauf eines 2,8-Mrd-Dollar-Pakets an der staatlichen Lotterie. Verschoben wurde die Teilprivatisierung der Börse Istanbul und einer Autobahn. Und die Auktion eines 4G-Frequenzspektrums für den Mobilfunk wurde auf Eis gelegt, weil man, so sagt jedenfalls Erdogan, auf die 5G-Technologie warten will, die es freilich noch gar nicht gibt. Im vergangenen Jahr gab es 8,1 Mrd. Dollar an ausländischen Investitionen in der Türkei, 2007 waren es noch 19,1 Mrd. Dollar. 2014 ist das Leistungsbilanzdefizit auf 5,7 % des Bruttoinlandsprodukts geklettert, im aktuellen Turnus soll es sich aber gemäß Schätzungen des Internationalen Währungsfonds IWF spürbar auf 4,2 % verkleinern.Anleger sorgen sich auch wegen der bald restriktiveren US-Geldpolitik. Morgan Stanley hat die Türkei 2013 zu den “Fragile Five” gezählt, also den Staaten, die besonders stark unter dem Kurswechsel der Fed leiden müssen.