GASTBEITRAG

Polnischer Zloty neigt zum Überschießen

Börsen-Zeitung, 17.8.2012 In den letzten Wochen hat der erstarkte Zloty extreme Handelsmuster gezeigt. Das Währungspaar Euro/Zloty notiert derzeit knapp über der Marke von 4 Zloty, bei einer 52-Wochen-Spanne von 3,96 bis 4,50. Die Ausschläge zeigen,...

Polnischer Zloty neigt zum Überschießen

In den letzten Wochen hat der erstarkte Zloty extreme Handelsmuster gezeigt. Das Währungspaar Euro/Zloty notiert derzeit knapp über der Marke von 4 Zloty, bei einer 52-Wochen-Spanne von 3,96 bis 4,50. Die Ausschläge zeigen, dass der Zloty-Markt zu den liquiden Devisenmärkten Zentral- und Osteuropas und im Vergleich zu anderen großen Emerging Markets global gehört. Der Anteil des Zloty am täglichen globalen Devisenmarktumsatz liegt bei 0,4 bis 0,5 % Das hört sich wenig an, liegt aber im Bereich der Volumina des russischen Rubel, der türkischen Lira oder des südafrikanischen Rand. Der Umsatz im Zloty kann aber (noch) nicht mit dem in etablierten Nischen- und “Fluchtwährungen” wie der norwegischen und der schwedischen Krone oder dem Singapur-Dollar mithalten (0,7 bis 1 % am globalen Devisenmarktumsatz). Der tägliche Zloty-Umsatz am Spotmarkt liegt bei 4 bis 5 Mrd. Euro, die durchschnittliche Kontraktgröße liegt bei 5 bis 8 Mill. Euro. Im Zloty gibt es auch Forward- und Swap-Märkte, die bis etwa ein Jahr Laufzeit liquide sind.Zur internationalen Stellung des Zloty tragen einige Faktoren bei. Seit mehr als zehn Jahren herrscht ein Free-Float-Währungsregime vor, und der Eintritt des Landes in die Europäische Gemeinschaft hat den Handels- und Zahlungsverkehr liberalisiert. Zudem weist Polen für ein großes aufstrebendes Land eine hohe Penetration durch ausländische Direktinvestitionen auf. Das stärkt die Zloty-Nachfrage bei Akquisitionen und bedingt regelmäßige Kapitalflüsse.Zudem hat Polen einen entwickelten Finanzmarkt. Die Börse ist das lokale Finanzzentrum Mittel- und Osteuropas, und polnische Staatsanleihen in Lokalwährung erfreuen sich großer Beliebtheit bei internationalen Investoren. Etwa 30 % der Staatspapiere werden von Nicht-Gebietsansässigen gehalten. Die Investorennachfrage hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Mit einer durch den Zyklus soliden Geld- und Fiskalpolitik hat sich Polen als vertrauenswürdiger Schuldner etabliert. Credit Default Swaps mit 5 Jahren Laufzeit für Polen handeln derzeit auf dem Niveau von Frankreich von etwa 150 Basispunkten.Die zuvor erwähnten Faktoren haben auch dazu beigetragen, dass sich der Zloty wieder als Emerging-Markets-Währung auf einem Trend-Aufwertungspfad zu den Währungen der Industrieländer und vor allem zum Euro etabliert hat – nach einem heftigen Rücksetzer von Juli 2008 bis Februar 2009, als der Zloty-Kurs von 3,21 auf 4,90 nachgab. Langfristig sollte der Zloty vor allem zum Euro weiter aufwerten. Das solide geldpolitische Umfeld und hohe Produktivitätszuwachsraten im Vergleich zur Eurozone verleihen fundamentalen Rückenwind. Trotz absehbarer Trendaufwertung ist die erhebliche kurzfristige Volatilität im Zloty zu beachten.Temporär kann sich der Zloty heftig im Gleichlauf mit Risiko-Assets wie dem ungarischen Forint oder auch dem Dax bewegen. Dann helfen fundamentale Erklärungen nicht. Technische Stops bzw. die Charttechnik rücken dann in den Fokus der Marktakteure. Die hohe Volatilität erklärt auch, warum die polnischen Behörden öfters versuchen, heftige Zloty-Ausschläge temporär durch verbale oder De-facto-Interventionen der Notenbank, des Finanzministeriums oder staatsnaher Banken zu begrenzen. Euro-Beitritt nicht vor 2020Auf absehbare Zeit wird der Zloty aber eine frei handelbare Währung bleiben. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Wechselkursflexibilität Polen makroökonomisch zugutekommt. Zudem muss Polen nicht in die Eurozone flüchten, es gibt keine massiven Fremdwährungsrisiken im Bankensektor. Insofern rechnen wir nicht mit einem Eurozonen-Beitritt vor 2020. Vor allem sollte der Zloty vor einem Eintritt in das “Euro-Wartezimmer”, das EWS-II-System, nahe an einem sogenannten fundamentalen Gleichgewichtswert zum Euro liegen. Ansonsten wird es schwierig sein, den Zloty im Schwankungsband des EWS-II-Systems von +/- 15 % zu halten.Die Aussicht auf einen längeren Fortbestand des Zloty sowie die attraktiven Fundamentaldaten Polens sprechen dafür, dass der Währung in den kommenden Jahren eine leicht steigende oder zumindest konstante Bedeutung unter den großen Emerging-Markets-Währungen zukommt. Für die kommenden Monate sehen wir nach der jüngsten Zloty-Aufwertung aus fundamentaler Perspektive indes kaum noch Aufwertungspotenzial. Das letzte Mal, als der Euro um 4 Zloty notiert hat – dies war im zweiten und dritten Quartal 2011 -, ist Polens Wirtschaft noch um die 4 % gewachsen und die Lage in der Eurozone war weniger fragil als derzeit. 2013 könnte in einem pessimistischen Szenario das Wirtschaftswachstum in Polen knapp unter 2 % p. a. fallen. Daher sehen wir den Euro zum Jahresende 2012 auch eher bei 4,15 Zloty. Zinssenkungsspekulationen, die in den kommenden Monaten zunehmen werden, sollten zwar zunächst weiter für Portfoliozuflüsse sorgen bzw. zumindest Abflüsse verhindern. Sollten noch 2012 oder dann 2013 Leitzinssenkungen erfolgen, könnte der Zloty kurzfristig ein wenig unter Druck kommen und nach Spitzen um die 4 Zloty je Euro auf 4,10 bis 4,15 Zloty zurückfallen. Allerdings würden wir solch eine Bewegung nicht als nachhaltig ansehen und erwarten Kurse um die 3,90 Zloty zum Jahresende 2013. Hohe ZinsdifferenzSelbst im Falle von Zinssenkungen wird die Zinsdifferenz zur Eurozone auch am kurzen Ende der Zinskurve hoch bleiben. Der Leitzins in Polen beträgt aktuell 4,75 % vs. 0,75 % in der Eurozone. Und der Zloty hat sich eben als solide Anlage- und “Fluchtwährung” etabliert. Trotz des fundamental positiven Ausblicks wird die Volatilität im Zloty weiter hoch bleiben. Für eine große “Fluchtwährung” ist der Zloty-Markt noch zu klein, weswegen in Zeiten globaler Risikoaversion der Zloty jederzeit mindestens um 10 bis 15 % entfernt von einem fundamental gedeckten Niveau handeln kann und solche Bewegungen auf Sicht weniger Tage möglich sind.