KREDITWÜRDIG

Pool für EZB-Käufe kleiner als gedacht

Von Peter Droste *) Börsen-Zeitung, 9.6.2016 Das Referendum zum Verbleib ("Remain") oder Austritt ("Leave") des Vereinigten Königreichs aus der EU am 23. Juni wirft seine Schatten voraus. Während wir bei einem klaren "Remain" nur von einer...

Pool für EZB-Käufe kleiner als gedacht

Von Peter Droste *)Das Referendum zum Verbleib (“Remain”) oder Austritt (“Leave”) des Vereinigten Königreichs aus der EU am 23. Juni wirft seine Schatten voraus. Während wir bei einem klaren “Remain” nur von einer verhaltenen Erleichterungs-Rally bei den Renditerisikoaufschlägen (Spreads) bei Unternehmensanleihen ausgehen, besteht bei einem Brexit die Gefahr erheblicher Marktturbulenzen. Unternehmen mit Sitz und Geschäftsaktivitäten in Großbritannien dürften nach einem potenziellen EU-Austritt aufgrund von schwierigeren Handelsbeziehungen zur EU (Zölle, Einfuhrbeschränkungen, Transaktionskosten) ökonomische Nachteile erleiden. Im wichtigen Credit-Index iBoxx Euro NF TR macht der Anteil britischer Emittenten lediglich 9 % vom Gesamtvolumen aus, und bis auf sehr wenige Ausnahmen liegt der Umsatz- oder Ertragsanteil der Unternehmen unter der 20-Prozent-Schwelle. Fundamental begründete Spread-Auswirkungen auf den Gesamtmarkt sollten sich daher in Grenzen halten. Schlagartige AusweitungenGrößere Auswirkungen dürften bei einem Brexit hingegen weitergehende, oftmals undifferenzierte und eher stimmungsgetriebene Neupositionierungen der Marktteilnehmer haben. Ein entsprechender Anstieg der Risikoaversion (“Risk-off”) könnte insbesondere bei risikoreicheren Credits mit niedrigeren Ratings und längeren Laufzeiten zu schlagartigen Spreadausweitungen führen. Mögliche Anleiheankäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) dürften dem eher unwahrscheinlichen Negativszenario einer anhaltenden Unsicherheit nach einem von uns nicht erwarteten Brexit den Schrecken nehmen. Wie groß der beruhigende Einfluss der EZB im Falle eines Brexit sein kann, ist insbesondere von der Art der anzukaufenden Wertpapiere (was?) und vom Volumen der Ankäufe (wie viel?) abhängig. Kaufprogramm gestartetIm Rahmen einer weiteren Lockerung der Geldpolitik haben die Euro-Währungshüter am 10. März 2016 die Erweiterung des Asset Purchase Programme um ein Ankaufprogramm für Unternehmensanleihen, Corporate Sector Purchase Programme (CSPP), und damit anstehende Eingriffe auf dem Markt für Unternehmensanleihen verkündet. Zusätzlich wurde eine Ausweitung des Ankaufvolumens von zuvor monatlich 60 auf 80 Mrd. Euro bekannt gegeben. Seit gestern können sechs nationale Zentralbanken, darunter die Deutsche Bundesbank, im Auftrag der EZB Anleiheankäufe für das CSPP durchführen. Die genaue Höhe der jeweiligen Käufe auf Wertpapierebene wird nicht bekannt gegeben. Das Gesamtvolumen der für das CSPP getätigten Käufe wird jedoch wöchentlich veröffentlicht und ab dem 18. Juli um eine Liste der gekauften Anleihen ergänzt. Keine Positiv-ListeDie EZB kann jedoch nicht beliebig am Markt für Unternehmensanleihen agieren, sondern hat diverse grundsätzliche Kriterien bekannt gegeben, die zum Ankauf berechtigte Anleihen (“Eligible Bonds”) erfüllen müssen. So müssen entsprechende Anleihen beispielsweise über mindestens ein Investment-Grade-Rating (IG) verfügen, in Euro denominiert und nicht nachrangig sein. Darüber hinaus muss es sich bei den Emittenten um “Non-Bank Corporations”, d.h. Unternehmen ohne Kreditinstitutsstatus aus dem Euroraum handeln. Weitere Vorgaben verkleinern das mögliche Anleiheuniversum zusätzlich. Zwar sind durch die Umgruppierung einiger Unternehmen, die vorher als Agencies eingestuft waren, fünf Emittenten für das Kaufprogramm bekannt, darüber hinaus wurde jedoch keine “Positiv-Liste” veröffentlicht.Auch wenn die meisten bisher be-kannten Auswahlparameter für berechtigte Anleihen weitgehend unverändert geblieben sind, haben die von der EZB letzte Woche veröffentlichen Details zu einzelnen Kriterien möglicherweise einen großen Einfluss auf den für das CSPP nutzbaren Anleihepool. Neben einigen weiteren Details dürfte den Konkretisierungen im Bereich “Non-Bank Corporations” und “Public Undertakings” (öffentliche Unternehmungen) die größte Bedeutung zukommen.Bei dem Kriterium “Non-Bank Corporations” konkretisierte die EZB, dass Anleihen sowohl von Emittenten, die unter die Bankenaufsicht fallen (“Single Supervisory Mechanism”), als auch diejenigen, von deren Tochtergesellschaften nicht für den Ankauf berechtigt sind. Ebenfalls nicht “eligible” sind Anleihen von Emittenten, deren Muttergesellschaft außerhalb des Euroraums unter entsprechender Aufsicht steht.Auch die Einstufung öffentlicher Unternehmungen wurde spezifiziert. “Public Undertakings” haben eine niedrigere maximale Ankaufgrenze und dürfen nicht am Primärmarkt angekauft werden (Verbot der Staatenfinanzierung). Die EZB versteht unter “Public Undertaking” jede Unternehmung, über die ein Staat, eine regionale oder lokale Gemeinde beziehungsweise Gebietskörperschaft direkt oder indirekt einen dominanten Einfluss ausüben könnte. Hervorgehoben werden dabei mehrheitliche Kapitalbeteiligungen, Stimmenmehrheiten und Mehrheiten in Aufsichts- oder Verwaltungsorganen oder der Unternehmensleitung. Weniger als 300 Mrd. EuroBei einer engen Auslegung der Definition als öffentliches Unternehmen könnte die nutzbare Marktgröße für CSPP-Ankäufe geringer als bisher angenommen ausfallen. Anleihen im dreistelligen Milliardenbereich könnten sich dann als nicht “eligible” für Primärmarkttransaktionen herausstellen. Aufgrund der Konzentrationslimits und weiterer Einschränkungen ist davon auch nur ein Teil für das Aufkaufprogramm nutzbar. Von den in Euro ausstehenden Unternehmensanleihen mit IG-Rating von schätzungsweise knapp 900 Mrd. Euro sind voraussichtlich weniger als 300 Mrd. Euro für das CSPP nutzbar. Sehr positiver EZB-EinflussDetails zu dem monatlichen Ankaufvolumen wurden nicht veröffentlicht. In den Medien kursierten jedoch Meldungen, wonach die EZB das Programm vorerst mit angezogener Handbremse starten wolle. Später solle das Volumen dann auf 5 bis 10 Mrd. Euro pro Monat gesteigert werden. Vor dem Hintergrund möglicher stärker als gedachter Einschränkungen insbesondere bei den öffentlichen Unternehmen dürfte das Universum aufkaufbarer Anleihen geringer ausfallen als bisher angenommen. Kritisch sehen wir daher die Erreichbarkeit der in der Presse genannten Obergrenze für das monatliche Investitionsvolumen. Im Vergleich zum durchschnittlichen Netto-Neuinvestitionsvolumen (Emissionen abzüglich Fälligkeiten) der letzten Jahre von monatlich rund 3 Mrd. Euro dürften Käufe am unteren Rand der Spannbreite jedoch immer noch einen signifikant positiven Einfluss auf die Stabilität und Entwicklung der Credit-Spreads haben.—-*) Peter Droste ist Credit-Analyst für Corporate Bonds bei der DZ Bank.