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Positive Tendenz ist bei EM-Bonds noch intakt

Von Torsten Hähn *) Börsen-Zeitung, 1.9.2016 Es ist ein schönes Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt - so heißt es. Das durften 2016 auch Investoren in Euro- oder Dollar-Anleihen von Schwellenländern erfahren. Zu Beginn dieses Jahres mussten Anleger...

Positive Tendenz ist bei EM-Bonds noch intakt

Von Torsten Hähn *)Es ist ein schönes Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt – so heißt es. Das durften 2016 auch Investoren in Euro- oder Dollar-Anleihen von Schwellenländern erfahren. Zu Beginn dieses Jahres mussten Anleger auf Indexebene zunächst eine negative Performance und sich deutlich ausweitende Spreads durchstehen, bevor dann eine Erholungsrally einsetzte. Mittlerweile steht für das Euro-Segment eine durchaus beeindruckende Wertentwicklung von 8,2 % seit Jahresbeginn zu Buche, für den Dollar-Bereich sind es sogar 14,5 %. Verbesserte LageDrei Risiken setzten dem Segment zu Jahresbeginn zu: die Sorgen, welche Auswirkungen eine straffere US-Geldpolitik auf die Schwellenländer haben wird, die Frage nach der konjunkturellen Robustheit in China sowie der Verfall der Rohstoffpreise – vor allem des Ölpreises. Nach dem ersten Quartal 2016 hat sich die Lage gebessert. Insbesondere die Erholung der Rohstoffpreise hat diese Stabilisierung getragen. Es gibt natürlich auch unter den Schwellenländern Rohstoffimporteure, welche beispielsweise von sinkenden Ölpreisen profitieren. Letztlich ist es aus Gesamtsegmentsicht aber nach wie vor so, dass der direkte Einnahme- und Dynamikverlust bei den Rohstoffproduzenten kritischer gesehen wird als die eher mittelbar möglichen Positiveffekte für die Rohstoffimporteure. Dazu kommt, dass speziell im Kreis der großen Dollar-Emittenten die Rohstoffländer ein Übergewicht besitzen. Die Angst vor einer allzu forschen US-Notenbankpolitik hat im Laufe des Jahres ebenfalls abgenommen, und die übrigen großen Notenbanken der Industrieländer fahren ohnehin einen expansiven Kurs.Letzteres hat quasi einen Doppeleffekt auf die Wertentwicklung des Emerging-Markets-Segmentes gehabt: Die Tendenz zu rückläufigen Kernmarktrenditen, die nach dem Brexit-Votum in Großbritannien nochmals an Dynamik gewonnen hat, unterstützte die Wertentwicklung der EM-Anleihen, da deren gute Performance auf Indexebene eben nicht nur durch Spread-Einengungen, sondern auch durch einen Rückgang des (unterliegenden) Renditeniveaus getragen wurde. Diese gute Wertentwicklung wiederum dürfte das Interesse der Anleger stärker auf Schwellenlandtitel gelenkt haben, welche durch wiederbelebte Kapitalzuflüsse von der allgemeinen Suche nach Rendite profitiert haben. US-Notenbank im FokusUnsere Prognose für wichtige Rohstoffe (wie zum Beispiel Rohöl und Kupfer) sieht zwar kein erhebliches Aufwärtspotenzial, geht aber dennoch von einer Preisstabilisierung bis leichten Preiserholung aus. Dies spricht klar gegen eine Wiederholung des tristen Jahresauftaktes. Mit Blick auf die Geldpolitik steht für die Schwellenländer speziell die US-Notenbank im Fokus. Über den Zeitpunkt des nächsten Zinsschrittes lässt sich trefflich diskutieren – daran hat auch die jüngste Notenbankkonferenz in Jackson Hole nichts geändert. Wir sind jedoch nach wie vor der Meinung, dass eine etwaige Straffung in der Geldpolitik nur graduell erfolgen wird. Damit sollten die Belastungen für Schwellenländer beherrschbar und die Suche nach Rendite ein relevantes Thema bleiben.Wie steht es um die anderen länderspezifischen Elemente? Hier muss das Bild generell stärker differenziert werden, grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass manche Aspekte nicht im Einklang mit der 2016er Emerging-Markets-Rally zu stehen scheinen.Dies gilt zum Beispiel für die Ratingaktionen: Wir betrachten derzeit 17 Staaten. Bei diesen gab es 2016 bei den drei großen Agenturen letztlich nur zwei positive Ratingentscheidungen. Demgegenüber zählen wir zwölf negative Ratingaktionen, wovon die Hälfte tatsächliche Herabstufungen, die andere Hälfte Ausblickverschlechterungen gewesen sind. Negative AusblickeNun fand der überwiegende Teil der Herabstufungen im kritischen ersten Quartal 2016 statt und von den späteren Aktionen beziehen sich drei auf den “Sonderfall Türkei” nach dem versuchten Staatsstreich. Zudem sind Ratings oftmals eher nachlaufend. Dennoch zeigen die Aktionen, dass die Agenturen noch bei zwei Einflussfaktoren im Findungsprozess zu sein scheinen: Einmal sind es die Auswirkungen der niedrigeren Rohstoffpreise auf die Kennzahlen der Emittenten. Dies belegen die zum Teil negativen Ausblicke bei Kolumbien und auch Mexiko. Hier könnte die erwartete Preisstabilisierung jedoch helfen, Herabstufungen zu umgehen. Zum anderen sind es politische Faktoren, welche die Agenturen (u. a. in Polen, Brasilien oder der Türkei) auf den Plan gerufen haben. Hier bleiben die Entwicklungen abzuwarten, aber eine schnelle Umkehr der negativen Ausblicke – gerade bei Ländern, die Rohstoffexporteure sind und politische Risiken bergen – erwarten wir nicht. Zum Beleg: Die jüngsten Ereignisse in Südafrika, wo der etablierte und am Markt anerkannte Finanzminister sich wegen vorgeworfener Unregelmäßigkeiten verantworten soll, sind zusätzliche Belastungen in einer Reihe ohnehin existierender Defizite, welche den negativen Ratingtrend Südafrikas über die vergangenen Jahre begründen. Suche nach RenditeMit Blick auf die Bewertung gilt, dass die Historie immer schwierig auf das aktuelle Umfeld zu übertragen ist und lediglich vereinfachte Anhaltspunkte liefern kann. Dennoch: Wir haben uns für zehn große Dollar-Emittenten die Rating-Spread-Relation von 2004 bis aktuell angesehen und die Ratingprofile mit dem historischen Mittelwert der Spreads verglichen. Im Investment-Grade-Bereich notieren die meisten der betrachteten Emittenten derzeit auf dem für den Zeitraum besten Ratingprofil und die Spreads bewegen sich nahe dem historischen Durchschnitt. Hier scheinen die Risikoaufschläge nicht zu niedrig zu sein. Im spekulativen Bereich gestaltet sich das Bild etwas anders: Zahlreiche Emittenten weisen ein Ratingprofil auf, welches klar unter dem historischen Mittelwert liegt. Dennoch bewegen sich die Spreads auf oder sogar unterhalb des langfristigen Durchschnitts und eben nicht deutlich darüber. Hier dürfte sich die Suche nach Rendite entsprechend ausgewirkt haben.Die Bewertung ist letztlich stets auf den Einzelfall zu beziehen. Alles in allem wirken die aggregierten Spread-Niveaus aber nicht unverhältnismäßig niedrig – regelrecht “günstig” gestaltet sich das Bild jedoch auch nicht mehr. Abnehmende DynamikFazit: Grundsätzlich scheinen noch einige Faktoren für eine Fortsetzung der positiven Tendenz bei Emerging-Markets-Anleihen intakt zu sein. Auf den erreichten Niveaus und angesichts einiger offener Ratingfragen dürfte die Dynamik der Bewegung jedoch abnehmen und muss zudem deutlicher von externen Faktoren wie der Suche nach Rendite oder weiter anziehender Rohstoffnotierungen unterstützt werden.—-*) Torsten Hähn ist Leiter Emerging Markets Bond Research bei der DZ Bank.