Profitieren auch im Seitwärtstrend
Von Anna-Maria BorseSeit 2009 haben sich Dax und Dow Jones mehr als verdoppelt. Viele Anleger sind daher unsicher, ob es für einen Einstieg am Aktienmarkt nicht schon zu spät ist, suchen aber dennoch nach Alternativen zu mickrigen Festgeldzinsen. Chancen in Seitwärtsphasen sowie moderaten Auf- oder Abwärtsbewegungen bieten bereits seit vielen Jahren Express-Zertifikate. Diese und die Unterform Memory-Express-Zertifikate mit Kupons von zum Teil 6 % oder 8 % erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit. “Anders als bei Zertifikaten insgesamt gibt es bei Express-Zertifikaten in diesem Jahr einen Zuwachs beim ausstehenden Volumen”, erklärt Peter Bösenberg, Leiter des Zertifikatevertriebs bei der Société Générale. Das ausstehende Marktvolumen kletterte bei Express-Zertifikaten von 5,5 Mrd. Euro Ende Januar auf 5,6 Mrd. Ende August 2015, bei den Zertifikaten insgesamt war hingegen ein Rückgang von 73 Mrd. Euro auf 64,5 Mrd. Euro zu verzeichnen. Zudem wächst die Zahl der angebotenen Produkte: 3 437 börsengehandelte Express-Zertifikate waren Ende September in Deutschland auf dem Markt, Ende Januar waren es lediglich 26 901. Bösenberg kann die hohe Nachfrage nach Express-Zertifikaten auch für das eigene Haus bestätigen: “Wir bieten aktuell 750 Express-Zertifikate an, vor einem Jahr waren es 330.” Das Gros davon seien Memory-Express-Zertifikate. Bei BNP Paribas ist das ähnlich: “Die Emissionstätigkeit bei Express-Zertifikaten hat sich von 2014 auf 2015 verdoppelt”, erklärt Christian Glaser, Zertifikateexperte der französischen Bank. Bei Memory-Express-Zertifikaten habe sich die Zahl sogar vervierfacht. “Auf Memory Express entfallen 2015 nun etwa 40 % aller Express-Produktemissionen.” Zwischen Aktie und AnleiheVom Risiko-Ertrags-Profil her sieht Bösenberg die Produkte zwischen Aktien und Anleihen. “Sie eignen sich für alle Anleger, die an mehr als 1 % Zins interessiert sind und ein Aktienmarktrisiko eingehen wollen – allerdings mit Risikopuffer.” Für Investoren, die von einem massiven Bärenmarkt ausgingen, seien die Zertifikate nicht geeignet, ebenso wenig für solche, die einen extremen Bullenmarkt erwarteten. “Adressaten sind für uns vor allem Aktionäre, die sich im aktuellen Marktumfeld etwas defensiver aufstellen wollen”, erläutert Glaser. Konservativere Anleger entschieden sich häufig für Zertifikate auf den Euro Stoxx 50 mit niedriger Barriere, erfahrenere und weniger risikoscheue zeigten sich experimentierfreudiger. Barriere wichtig für Rückzahlung”Wichtig ist die Barriere und der zugrunde liegende Basiswert. Sie entscheiden über die Rückzahlung zum Ende der Laufzeit”, betont Anouch Wilhelms von der Commerzbank. Dementsprechend müssten diese mit Bedacht gewählt werden. “Somit eignen sich Memory-Express-Zertifikate vor allem für erfahrene Anleger.” Allerdings leide auch diese Produktgattung unter den niedrigen Zinsen. “Das führt dazu, dass die Konditionen nicht mehr so attraktiv sind wie noch vor Jahren.”Die meisten Memory-Express-Zertifikate beziehen sich auf den Euro Stoxx, gefolgt von deutschen Blue-Chips, es gibt aber auch viele Produkte mit Rohstoffen als Basiswert, etwa Öl, Gold und Silber. Produkte auf den Dax sind optisch unattraktiver, da die Expressfunktion teilweise über die vom Emittenten vereinnahmte Dividende finanziert wird, was beim Dax als Performance-Index nicht möglich ist. Memory-Variante: Nichts geht verlorenBei klassischen Express-Zertifikaten wird in einen Basiswert investiert, etwa in den Euro Stoxx 50. Bei Emission wird für diesen ein Basispreis festgelegt, oft der Kurs des Basiswertes zum Emissionszeitpunkt. Über die ganze Laufzeit hinweg, meist drei bis fünf Jahre, wird zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaut, wie sich der Basiswert entwickelt hat. Liegt dieser über oder auf dem Basispreis, kommt es zur Rückzahlung – inklusive einer attraktiven Zinszahlung. Ist das nicht der Fall, geht es weiter. Wird der Basispreis am nächsten Beobachtungstag erreicht oder überschritten, wird zurückgezahlt – inklusive höherem Bonus, meist doppelt so hoch. Wenn nicht, geht es wieder in die Verlängerung. Der besondere Clou: Liegt am Ende der Laufzeit der Basiswert unter dem Basispreis, aber innerhalb eines Sicherheitspuffers von z.B. 70 %, kommt es zur vollen Rückzahlung. Nur unterhalb des Sicherheitspuffers wird es problematisch, dann erfolgt die Rückzahlung zum aktuellen Kurs des Basiswerts. Wichtig ist intakte BarriereIm Gegensatz zur klassischen Variante erhalten Anleger bei Memory Express-Zertifikaten den Zinskupon auch dann, wenn es nicht zur vorzeitigen Rückzahlung kommt. Die Bedingung dafür ist, dass der Basiswert am Stichtag eine bestimmte Barriere, die Memory-Schwelle, nicht unterschreitet. Diese liegt mit zum Beispiel 55 bis 60 % allerdings weit unterhalb des Startniveaus. Reicht dieser Puffer nicht aus, wird der Zinskupon zwar nicht ausgezahlt, verloren ist er aber nicht: Sobald die Schwelle an einem der folgenden Beobachtungstage unberührt bleibt, werden die ausgefallenen Zinszahlungen nachgeholt. Anlegern muss allerdings bewusst sein, dass der Maximalertrag begrenzt ist und nicht, wie bei einer Direktanlage, eins zu eins von der Entwicklung des Basiswertes abhängt. Dividenden werden zudem nicht ausgezahlt. Auf Risiken achtenAuch schützen Memory-Express-Zertifikate nicht vor größeren Kursverlusten, dann nämlich, wenn der Basiswert unter die Sicherheitsschwelle fällt. Auch während der Laufzeit kann es zu Kursverlusten kommen, etwa wenn sich der Basiswert der Sicherheitsschwelle nähert und die Wahrscheinlichkeit einer Schwellenverletzung steigt. Andere Einflussfaktoren wirken sich ebenfalls auf den Preis des Zertifikats aus, etwa Veränderungen der impliziten Volatilität des Basiswertes, des Zinsniveaus oder der erwarteten Dividendenzahlungen. Nicht zuletzt: Bei Zertifikaten handelt es sich rechtlich um Schuldverschreibungen des jeweiligen Emittenten, bei Zahlungsschwierigkeiten oder Insolvenz ist das investierte Kapital nicht geschützt. Glaser zufolge sollten Anleger daher nicht nur auf die attraktiven Kupons schauen, sondern auch Risiken im Blick behalten. Bösenberg rät noch dazu, den Sekundärmarkt nicht außer Acht zu lassen. “Die Zertifikate sollten während der Laufzeit beobachtet werden, es können sich interessante Ausstiegsmöglichkeiten ergeben.” Außerdem täten sich immer wieder Chancen für attraktive Käufe am Sekundärmarkt auf. “Bei den Kursverlusten im August und September gab es einige gute Einstiegsgelegenheiten.”——- Zertifikate5,6 Mrd. Euro waren Ende August 2015 in Express-Zertifikaten investiert. Noch im August 2013 waren es 4,9 Mrd. Euro. Anders dagegen die Entwicklung des Gesamtmarktes. Das verwaltete Volumen schrumpfte in diesen drei Jahren von 87,6 Mrd. Euro auf 64,5 Mrd. Euro. Die Zahl der angebotenen Produkte ist in den vergangenen Monaten stark gestiegen. 3 437 börsengehandelte Express-Zertifikate waren Ende September in Deutschland auf dem Markt, Ende Januar waren es lediglich 26 901.